Zwei Freunde unterhalten sich. Mitten im Gespräch zückt einer von beiden sein Handy und liest Nachrichten. Er hört seinem Freund nicht mehr wirklich zu. Der fühlt sich ignoriert – oder eben "gephubbed".
Die Bezeichnung Phubbing ist eine Kombination aus den englischen Wörtern "phone" und "snubbing". Phubbing bedeutet, dass Gesprächspartner ignoriert werden – zugunsten des Smartphones.
Sophia Sakel beschäftigt sich an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität seit zwei Jahren wissenschaftlich mit dem Thema. Die Erkenntnis: "Phubbing betrifft so gut wie alle sozialen Kontexte, so gut wie jede Beziehung". Es taucht auf zwischen Partnern, zwischen Eltern und Kindern, auch zwischen Angestellten und Vorgesetzten.
Studien zeigen: Phubbing betrifft fast jeden
Eine Untersuchung der LMU, an der Sophia Sakel maßgeblich beteiligt war, zeigt, dass Phubbing zu einer alltäglichen sozialen Praxis geworden ist: Die Wahrscheinlichkeit, innerhalb einer Stunde sozialer Interaktion mindestens einmal zu phubben, lag im Durchschnitt bei 90 Prozent. Das Deutsche Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) hat kürzlich eine aktuelle Längsschnittstudie zum Mediennutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen in Deutschland veröffentlicht – gefördert von der Krankenversicherung DAK-Gesundheit. Erstmals haben sich die Studienmacher das Thema Phubbing näher angesehen.
Der Studie nach erfolgt der Blick auf den Bildschirm durchschnittlich alle 12 Minuten. Mit Folgen für die zwischenmenschliche Kommunikation: Mehr als jedes dritte Kind (35,2 Prozent) und knapp drei von zehn der befragten Eltern (29,2 Prozent) geben an, sich in sozialen Interaktionen mindestens manchmal durch die Smartphone-Nutzung ihres Gegenübers ignoriert zu fühlen. Studien zeigen auch: Kinder, die häufig Phubbing-Erfahrungen machen, sind einsamer, ängstlicher und gestresster als jene, die selten Phubbing erfahren.
Lässt Technik das Phänomen wieder verschwinden?
Sophia Sakel forscht als Doktorandin in der Medieninformatik der LMU im Feld Mensch-Maschine-Interaktion und interessiert sich vor allem für smarte, technische Lösungen, die den zwischenmenschlichen Umgang nicht stören, sondern künftig sogar verbessern könnten. "Zwar existieren bereits einfache Möglichkeiten, etwa das Stummschalten von Benachrichtigungen, doch oft gelingt es den Geräten dennoch, unsere Aufmerksamkeit in unpassenden Momenten zu binden", so Sakel.
Langfristig könnte Technik in der Lage sein, sich flexibel an soziale Situationen anzupassen. "Künftig könnten Systeme so konzipiert sein, dass sie gezielt zurück ins physische Geschehen lenken und dieses gar bereichern." Durch gezielte Impulse etwa, die Gespräche anregen, oder durch Anwendungen, die soziale Dynamiken berücksichtigen.
Hilfreich beim Thema Phubbing: Regeln im Umgang mit dem Handy
Bis es so weit ist, heißt es aber: selbst Lösungen finden. Bei einer stichprobenartigen Umfrage am Münchner Gärtnerplatz zeigt sich: Viele Menschen haben sich bereits Regeln auferlegt. Ein Vater erzählt: "Wir haben gemerkt, dass unsere kleine Tochter das nicht cool findet oder sich distanziert fühlt. Deshalb: Sobald ich mit der Tochter interagiere, ist das Handy physisch weg." Für viele Passanten gehört das Handy beim Essen nicht auf den Tisch. Und ein Selbstständiger erzählt: "Bei wirklich wichtigen Terminen lasse ich das Handy in der Hosentasche. Und wenn ich mit Leuten spazieren gehe, versuche ich es wegzulassen."
Die Wissenschaftlerin Sophia Sakel wirbt für ein größeres Bewusstsein im Umgang mit Technik im sozialen Beisammensein – und rät zur offenen Kommunikation. Der Gesprächspartner solle dem Gegenüber etwa mitteilen, wenn er noch einen wichtigen Anruf vom Arzt erwartet – und deshalb das Handy laut lässt. Dann fühle sich das Gegenüber deutlich seltener gephubbed.
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