Jugendlicher sitzt vor PC-Bildschirm mit IS-Logo. (Symbolbild)
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Radikalisierung: Ermittlungen gegen Jugendliche aus Bayern

Radikalisierung: Ermittlungen gegen Jugendliche aus Bayern

Ein mutmaßlich islamistischer Terroranschlag auf das israelische Generalkonsulat in München konnte verhindert werden. Alles, was über den Täter bekannt ist, legt nahe, dass er sich radikalisiert hat. Er ist kein Einzelfall. Das zeigen BR-Recherchen.

Über dieses Thema berichtet: Politik und Hintergrund am .

Es ist ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit, das zeigt, wie islamistische Radikalisierung vonstattengeht. Drei Jugendliche aus Bayern sollen unabhängig voneinander Anschläge geplant haben. In allen Fällen besteht Anfangsverdacht der Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Das hat die Generalstaatsanwaltschaft München dem BR exklusiv auf Anfrage bestätigt.

16-Jähriger wollte offenbar Polizisten töten

Einer der Verdächtigen, ein 16-Jähriger, radikalisierte sich dem Bayerischen Verfassungsschutz zufolge in einer Chatgruppe des Messengerdienstes Telegram. Dort hätten sich die Chatmitglieder als Sympathisanten der Terrororganisation IS zu erkennen gegeben. Der 16-Jährige habe sich im Internet eine Bauanleitung "für eine mit einem 3D-Drucker herstellbare Maschinenpistole" beschafft und einen "Anschlag auf einen Polizisten" geplant.

Ein weiterer Jugendlicher aus Bayern soll sich durch IS-Videos von Hinrichtungen und Selbstmordattentaten radikalisiert haben. Schließlich teilte er, so der Vorwurf der bayerischen Sicherheitsbehörden, im Netz Anleitungen zur Herstellung von Sprengstoff. Und ein Dritter suchte im Internet offenbar nach Möglichkeiten, um sich eine Waffe zu beschaffen. Laut Verfassungsschutz hatte er als "Anschlagsziel Veranstaltungen in Deutschland im Visier" und wollte dabei "möglichst viele" nichtmuslimische Männer töten.

Gaza-Krieg ein Auslöser für Radikalisierung

"Wir können in den letzten Monaten beobachten, dass junge Menschen mehr in der extremistischen Szene auffallen", sagt der Pädagoge Thomas Mücke, Geschäftsführer der Nichtregierungsorganisation "Violence Prevention Network", die sich in Bayern und weiteren Bundesländern im staatlichen Auftrag um Aussteiger aus dem islamistischen Milieu kümmert.

"Speziell Kinder und Jugendliche zeigen sich häufig leicht beeinflussbar, weil sie intensiv mit der Findung der eigenen Persönlichkeit beschäftigt sind", schreibt der Bayerische Verfassungsschutz.

Vor allem der Gaza-Krieg sei "ein Mobilisierungsthema geworden", so Pädagoge Mücke. Islamisten versuchten hier sehr stark "mit Gefühlen zu arbeiten", indem sie den Jugendlichen einredeten: "Schaut nach, was mit euren Schwestern und Brüdern passiert. Wir können ja nicht einfach zusehen, wie sie gefoltert und abgeschlachtet werden."

Mutmaßliche Attacke auf israelisches Generalkonsulat

Mutmaßlich antisemitisch motiviert war die Tat eines 18-Jährigen aus Österreich, der den dortigen Behörden schon vor einem Jahr mit islamistischen Tendenzen aufgefallen war. So war bei ihm damals dschihadistisches Propagandamaterial gefunden worden. Am Donnerstag wollte er offenbar einen Anschlag auf das israelische Generalkonsulat in München verüben. Doch die Polizei erschoss den 18-Jährigen, nachdem er aus seiner Langwaffe gefeuert hatte.

Es sind Fälle, die auch den Islamwissenschaftler Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin beschäftigen. Seit vielen Jahren betreut er als Gutachter Islamisten-Prozesse. Auch er stellt fest, dass Islamisten immer jünger werden.

Etwa zwei Jugendliche, die im vergangenen Jahr in Hamburg wegen Anschlagsplanungen nach Jugendstrafrecht zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt wurden (externer Link). Zum Tatzeitpunkt waren sie 16 und 17 Jahre alt. Die beiden Jugendlichen haben familiäre Wurzeln im Kaukasus und dem Kosovo.

In Hamburg verurteilte wollten in Deutschland IS-Provinz gründen

Das Beispiel zeige, wie Islamisten rekrutierten, vor allem über den Messengerdienst Telegram, so Steinberg: "Die in Hamburg Verurteilten hatten den Wunsch, hier so eine Art Zelle des IS mit dem Namen Provinz Deutschland zu gründen. Und einer dieser beiden jungen Leute stand in Kontakt mit einem IS-Verantwortlichen in Afghanistan – und hat mit dem gemeinsam überlegt, wie man denn in Deutschland für die Organisation aktiv werden könnte." In Afghanistan ist der IS-Ableger ISPK aktiv, der unter anderem für den Anschlag auf eine Konzerthalle bei Moskau mit mehr als 140 Toten verantwortlich gemacht wird.

Einer der in Hamburg Verurteilten soll nach BR-Informationen in eine Chatgruppe geschrieben haben, dass man die Nichtmuslime bekämpfen solle, sogar wenn sie Krieg nicht beginnen würden. Geplant war dem Urteil zufolge zunächst ein Sprengstoffanschlag. Dann sollte es aber doch ein Messerattentat auf Polizisten werden.

Terrorbekämpfung: Steinbergs Aufforderung an die Bundesregierung

"Dieser Attentatsplan wurde rechtzeitig aufgedeckt, weil die USA die deutschen Sicherheitsbehörden aufmerksam gemacht haben", berichtet Steinberg – und fügt hinzu, dass deutsche Behörden zu häufig auf US-Hinweise angewiesen seien.

Steinberg fordert von der Bundesregierung daher, dass sie analysiert, was deutsche Sicherheitsbehörden bei der Terrorbekämpfung verbessern können. Denn laut dem Islamwissenschaftler ist vollkommen unklar, ob man sich auch künftig auf die USA verlassen kann.

Gefährliche Terrorpläne des IS

Steinberg verweist zudem auf die besondere Gefährlichkeit des altbekannten Terrornetzwerks al-Quaida und dem afghanischen IS-Ableger, dem ISPK. Wie der BR recherchieren konnte, liegen seit Monaten Erkenntnisse westlicher Nachrichtendienste vor. Demnach soll der ISPK zuletzt ein Netzwerk aus Unterstützern aufgebaut haben, um Terroranschläge in Europa verüben zu können.

Wichtig sind dabei Jugendliche, wie ein Gespräch eines mutmaßlichen ISPK-Unterstützers zeigt, das er mit einer Vertrauensperson geführt haben soll, die wohl vom Bundeskriminalamt in sein Umfeld eingeschleust wurde. Der Terrorverdächtige soll nach BR-Informationen gesagt haben, dass man für einen letztlich gescheiterten Anschlag in Österreich bewusst junge Leute ausgewählt habe, da diese mit geringeren Strafen zu rechnen hätten.

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