Seit über 30 Jahren kann man keinen Zug mehr zwischen Kitzingen und Schweinfurt nehmen. Der Regionalbusverkehr hat die Steigerwaldbahn ersetzt. Doch schon seit Längerem wird in Erwägung gezogen, die Bahnstrecke zu reaktivieren. Der stellvertretende Landrat Thomas Vizl (Bündnis 90/Grüne) hält das für eine gute Idee: "Es wäre sehr wichtig für die örtliche Wirtschaft, dass wir einen guten öffentlichen Personennahverkehr bekommen," sagt er dem Politikmagazin Kontrovers. Er stellt sich moderne Züge mit Batteriebetrieb ohne Oberleitung vor.
Die Gleise wären größtenteils noch vorhanden. Doch nur, weil es Gleise gibt, fährt noch lange kein Zug. Die bayerische Staatsregierung muss grünes Licht für das Projekt geben und das Verkehrsministerium lehnt die Reaktivierung der Steigerwaldbahn bislang ab.
Widersprüchliche Verkehrsgutachten
Bevor in Bayern Eisenbahnen reaktiviert werden, muss ein Verkehrsgutachten belegen, dass mindestens 1.000 Personen an einem Werktag die Bahn nutzen würden. Konrad Schliephake, akademischer Direktor von der Universität Würzburg, hat schon viele Gutachten geschrieben. Er hat 1.538 errechnet, zumindest für den nördlichen Streckenabschnitt. Mehr als genug, um die Strecke zu reaktivieren.
Doch ein Gutachten der Staatsregierung kommt auf unter 1.000 Personen. Ein gordischer Knoten, der bisher nicht gelöst werden konnte. Schliephake bezeichnet das Ergebnis der Staatsregierung als rätselhaft. Dagegen wehrt sich Verkehrsministerin Kerstin Schreyer: "Am Ende des Tages geben wir das immer an neutrale Gutachter. Die prüfen das fachlich und entscheiden das dann auch." Über 1.000 oder unter 1.000 Personen? Ein Streit, der sich jahrelang hinziehen könnte.
Reaktivierung der Ilztalbahn kommt nicht voran
Noch schwieriger gestaltet sich die Reaktivierung der Ilztalbahn zwischen Passau und Freyung. Die notwendige "Potenzialanalyse" der Staatsregierung, die bei der Steigerwaldbahn für Streit sorgt, ist hier noch nicht mal gemacht worden. Laut Verkehrsministerium sind sich der Kreistag Passau, der Landkreis Passau und der Landkreis Freyung-Grafenau nicht einig über die Reaktivierung. Stimmt nicht, erwidert das Passauer Landratsamt auf Nachfrage von Kontrovers, man habe doch eine Willenserklärung abgegeben.
Ein weiteres Problem: Die Kommunen hätten sehr viel Angst davor, was auf sie zukommt, sagt Hans Madl-Deinhart, Mitglied der Grünen im Kreisverband Freyung-Grafenau. Die alte Bahnstrecke hat viele unbeschrankte Bahnübergänge, Züge müssten hier abbremsen auf fünf oder zehn Kilometer pro Stunde. Um das zu verhindern, müsste erst mal viel Geld investiert werden.
Bayern kein bahnfreundliches Bundesland?
Ängstliche Kommunen und ein Festhalten an der 1.000-Personen-Regel: Der Fahrgastverband "Pro Bahn" kritisiert das als typisch bayerisches Phänomen. Der Vorsitzende des bayerischen Landesverbands, Lukas Iffländer, erklärt: "Andere Länder wie Baden-Württemberg oder Sachsen haben für das ganze Bundesland eine Studie gemacht, wo man überhaupt mal sieht: Was lohnt sich, was lohnt sich nicht? Da hält sich Bayern komplett zurück. Es wird immer auf die Landkreise geschoben."
Sind andere Bundesländer einfach bahnfreundlicher? Verkehrsministerin Schreyer wehrt sich gegen diesen Vorwurf: "Das hat nichts mit Bahnfreundlichkeit, sondern mit Klugheit zu tun. Am Ende des Tages wollen wir eine ökologisch sinnvolle Variante und die muss wirtschaftlich sein. Und wenn ich ökologisch sinnvoll sein will, kann ich nicht zuschauen, wie leere Züge fahren." Die aktuelle Bilanz in Bayern: Viele Gutachten, viele Akteure und wenige Reaktivierungen in Bayern – im Gegensatz zu anderen Bundesländern.
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