Ein ICE der Deutschen Bahn auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Nürnberg und Erfurt (Symbolbild)
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Im Fernverkehr wirbt die Bahn mit 100 Prozent Ökostrom. Wie grün sind Fahrten mit dem ICE?

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#Faktenfuchs: Wie grün ist die Deutsche Bahn?

#Faktenfuchs: Wie grün ist die Deutsche Bahn?

Die Deutsche Bahn wirbt offensiv mit ihrer Umweltfreundlichkeit. Versprechen von 100 Prozent Ökostrom im Fernverkehr suggerieren klimaneutrales Fahren. Obwohl Bahnfahren sehr klimafreundlich ist, macht sich die Deutsche Bahn grüner als sie ist.

Über dieses Thema berichtet: Hintergrund am .

Mit dem ICE schnell quer durchs Land reisen und dabei auch noch das Klima schützen - diese Botschaft vermitteln viele Plakate und Werbespots der Deutschen Bahn. "Dein Trip nach Wien: - 98 Prozent CO2, wenn du mit dem ICE fährst". Diese Berechnung, auch großformatig präsentiert auf der Website der Deutschen Bahn, zeigt den Vergleich zum CO2-Verbrauch einer Reise mit dem Flugzeug.

Die Rechnung der Deutschen Bahn sieht so aus: Eine Flugreise verursacht 214 Gramm Treibhausgase pro Personenkilometer, also pro Fahrgast während eines zurückgelegten Reisekilometers. Bei diesem Wert bezieht sich die Bahn auf Berechnungen des Umweltbundesamtes (UBA).

Unterschiedliche Angaben zu Emissionen des Bahn-Fernverkehrs

Für die Fahrt über die gleiche Strecke gibt die Bahn einen Wert von vier Gramm pro Personenkilometer an. Macht im Vergleich zum Flieger 98 Prozent weniger Treibhausgase. Das sind jedoch Werte, die die Deutschen Bahn selbst ausweist.

In Broschüren der Deutschen Bahn zum Thema Klimaschutz ist im Fernverkehr sogar von weniger als einem Gramm Treibhausgase pro Personenkilometer die Rede. Das Umweltbundesamt hingegen gibt den Emissionswert für Zugfahrten im Fernverkehr mit 29 Gramm pro Personenkilometer an.

Diese deutlichen Unterschiede sorgen bei einigen Menschen für Verwirrung, in einem Internetforum stellen sich Bahnreisende die Frage, woher die Unterschiede kommen. Der #Faktenfuchs ist der Sache auf den Grund gegangen.

100 Prozent Ökostrom nur auf dem Papier

Relevant für die Einordnung der Bahn-Behauptung ist die Antwort auf die Frage: Wo kommt der Strom her, der durch die Oberleitungen der Deutschen Bahn fließt und die Züge betreibt? Die Deutsche Bahn verbraucht laut eigener Aussage rund zehn Terawattstunden Strom im Jahr, was etwa dem jährlichen Stromverbrauch von Hamburg entspricht.

Etwa 30 Prozent des Verbrauchs entfallen auf den Fernverkehr, heißt es auf Nachfrage von der Deutschen Bahn. Die Bahn ist also für etwa zwei Prozent des gesamten Stromverbrauchs in Deutschland verantwortlich - und gilt damit als größter Stromverbraucher des Landes.

Auf den Internetseiten der Deutschen Bahn begegnen den Kunden viele unterschiedliche Angaben und Zahlen zur Nachhaltigkeit. So findet sich in Werbung und Pressestatements allen voran immer wieder die Angabe "100 Prozent Ökostrom im Fernverkehr".

Es wird der Eindruck erweckt: Jeder ICE, der über Deutschlands Schienen rollt, wird mit Strom betrieben, der aus erneuerbaren Quellen, wie Wasser- oder Windkraft, gewonnen wurde. Daher kommt auch der geringe CO2-Wert, den die Deutsche Bahn ausgibt. Diese Rechnung existiert allerdings nur auf dem Papier.

Der Fernverkehr wird "umweltfreundlich gebucht und so ins Schaufenster gestellt"

"Die Bahn stellt sich grüner dar, als sie ist", sagt Philipp Kosok, der bei der Organisation Agora Verkehrswende für öffentlichen Verkehr zuständig ist. Dominik Seebach, Senior Researcher für Energie & Klimaschutz am Öko-Institut, sagt: "Es wird mehr versprochen, als es tatsächlich Auswirkungen auf den Klimaschutz hat." Mit beiden hat der #Faktenfuchs am Telefon gesprochen.

Die unternehmenseigenen Daten zum Bahnstrommix geben an: Rund 61 Prozent des Stroms, der durch die Oberleitung fließt, stammt aus erneuerbaren Energien. Die anderen knapp 40 Prozent stammen also aus nicht erneuerbaren Energieträgern wie Atomkraft, Kohle und Erdgas. Auslaufende Verträge mit nicht-erneuerbaren Energieträgern würden durch "grüne Verträge" ersetzt, schreibt eine Sprecherin der Deutschen Bahn.

Dass der Fernverkehr bei 100 Prozent Ökostrom landet, liegt laut Kosok an dem Zuschreibungssystem der Deutschen Bahn. "Durch Umbuchungen wird der grüne Strom konzernintern zugewiesen". Die Deutsche Bahn betreibt ihr eigenes Stromnetz und ist mit der Konzernsparte DB Energie auch Stromanbieter. Die Sparte DB Fernverkehr bucht als Kunde der DB Energie für ihre Züge einen Ökostrom-Tarif - und weist so 100 Prozent Ökostrom auf ihren Fahrten aus, erklärt Kosok. Die Deutsche Bahn bestätigt das.

"Der Fernverkehr wird als umweltfreundlich gebucht und so ins Schaufenster gestellt", sagt Erik Gawel, Direktor des Instituts für Infrastruktur- und Ressourcenmanagement der Universität Leipzig, im Gespräch mit dem #Faktenfuchs. Regional- oder Güterverkehr hingegen bekämen dann - bei gegebenem Strommix - automatisch mehr "grauen Strom", also aus nicht erneuerbaren Quellen, zugewiesen.

Ökostrom-Zertifikate: Vorhandener Strom wird aufgekauft

Dennoch fahren alle Züge mit demselben Strom, der durch die deutschen Oberleitungen fließt. Diesen weist die Bahn, wie erwähnt, zu 61 Prozent als Ökostrom aus. Diese setzen sich aus zwei "Quellen" zusammen: eigener Öko-Strom und zugekaufter. In das Stromnetz der DB Energie fließt auch direkt Strom aus erneuerbaren Quellen, die Bahn hat etwa Direktverträge mit Wasserkraftwerken oder betreibt sie selbst.

Neben der direkten Einspeisung kauft die Deutsche Bahn nach Angaben der Experten auch Ökostrom durch Zertifikate zu. Durch solche Herkunftszertifikate können Strombetreiber grünen Strom am Strommarkt einkaufen. Dass dieser aus erneuerbaren Quellen kommt, weisen die Zertifikate nach. Am Strom, der durch die Leitung, in diesem Fall die Oberleitung der Deutschen Bahn fließt, ändert das nichts.

"Das sind im Grunde Bilanzierungsspielräume, die die Bahn nutzt", sagt Dominik Seebach vom Öko-Institut. "Durch den alleinigen Zukauf von Ökostrom entsteht kein entscheidender Beitrag zum Klimaschutz, weil der Strom schon da ist und vom Markt weggekauft wird."

Das sieht auch Erik Gawel so, der am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) das Department Ökonomie leitet. Durch Nachweiszertifikate kaufe man grünen Strom, der dann an anderer Stelle eben fehle: "Bahn wird immer grüner, der Rest grauer."

Welchen Anteil zugekaufter Ökostrom an den 61 Prozent im Bahnstrommix hat - das macht die Bahn - auch auf Nachfrage - nicht transparent. Das kritisieren die Experten, mit denen der #Faktenfuchs gesprochen hat. Es wäre wünschenswert darüber Klarheit zu haben, um das Nachhaltigkeitsengagement der Bahn besser bewerten zu können, sagt Philipp Kosok von Agora Verkehrswende.

Denn durch das bloße Zukaufen von Ökostrom am Strommarkt bediene man sich lediglich am Bestand. "Wer grünen Strom umetikettiert, leistet noch keinen eigenen Beitrag zum Ausbau der Erneuerbaren Energien", sagt Erik Gawel.

Bundesstrommix 2020: Fast die Hälfte des Stroms aus erneuerbaren Quellen

Dass erneuerbare Energieträger, wie Wasserkraftwerke oder Windparks, ausgebaut werden, geschieht in erster Linie bei der Finanzierung durch der EEG-Umlage.

Zur Einordnung: Der Anteil an erneuerbaren Energieträgern, finanziert aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), an der gesamten Stromerzeugung in Deutschland lag laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft im Jahr 2020 bei 44,9 Prozent. Weitere 4,1 Prozent kamen demnach aus erneuerbaren Energien mit Herkunftszertifikaten, aber eben nicht aus Deutschland. Norwegen ist etwa großer Verkäufer von Ökostrom.

Die gesamtdeutsche Aufschlüsselung nennt sich Bundesstrommix. Der Mix gibt an, welcher Energieträger welchen Anteil an der Stromversorgung in Deutschland hat.

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Der Bundesstrommix besteht zu einem großen Teil aus erneuerbaren Energien, die aus der EEG-Umlage finanziert wurden.

Deutsche Bahn möchte bis 2040 klimaneutral sein

Auf Nachfrage schreibt eine Sprecherin der Deutsche Bahn, der Konzern zahle 20 Prozent der EEG-Umlage. Die Regeln für stromkostenintensive Unternehmen würden nicht gelten. Im Falle der Deutschen Bahn finden die vom #Faktenfuchs befragten Experten eine geringere EEG-Umlage gerechtfertigt. Bei Auto und Flugzeug gäbe es ebenfalls viele Steuererleichterungen oder staatliche Zuschüsse.

Die Deutsche Bahn betont, sich auch darüber hinaus für den Ausbau der erneuerbaren Energien zu engagieren. "Mittel- und langfristige Verträge der DB mit Anlagenbetreibern für erneuerbare Energien ermöglichen die Finanzierung ohne staatliche Fördermechanismen wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz", schreibt eine Unternehmenssprecherin.

"Erneuerbare Energien ersetzen somit schrittweise und konsequent Verträge aus fossile Kraftwerken." Die Bahn verweist etwa auf "drei neue Verträge mit einem Leistungsumfang von rund 780 Gigawattstunden Grünstrom aus Wasserkraft, Windkraft und Sonnenenergie", die sie Ende 2020 abgeschlossen habe. Bis 2040 wolle die Deutsche Bahn klimaneutral sein.

Datteln 4: Umstrittenes Kohlekraftwerk liefert Bahnstrom

Aktuell speisen auch Atom- oder Kohlekraftwerke, wie das noch relativ neue Steinkohlekraftwerk Datteln 4, Strom direkt ins Bahnstromnetz ein. Laut Datteln-Betreiber Uniper produziert das Kraftwerk Bahnstrom mit einer Leistung von 413 Megawatt. Ein Großteil des dort produzierten Stroms geht damit an die Deutsche Bahn. Wie groß genau der Anteil des von Datteln 4 produzierten Stroms am Bahnstrommix ist, sagt die Bahn nicht, sie verweist auf Vertragsinhalte mit Dritten.

Das umstrittene Kraftwerk Datteln 4 ist seit Mitte 2020 in Betrieb und damit das einzige Kohlekraftwerk Deutschlands, das trotz der Vereinbarung zum Kohleausstieg neu ans Netz ging.

Über die langfristigen Verträge, die die Deutsche Bahn vor vielen Jahren für Strom aus Datteln 4 schloss, sei das Unternehmen mittlerweile nicht mehr glücklich, sagt Philipp Kosok von Agora Verkehrswende. "Bei Abschluss des Vertrages vor fast 20 Jahren war nicht absehbar, dass selbst ein aus damaliger Sicht klimafreundliches Kraftwerk heute nicht mehr zeitgemäß erscheint", schreibt eine Sprecherin der Deutschen Bahn.

Experten kritisieren mangelnde Transparenz

Dass die Bahn dennoch auf dem Strommarkt aktiv sei und Ökostrom zukaufe sei legitim, sagt Erik Gawel. Dies trage zur Finanzierung von Erneuerbaren bei. Dominik Seebach vom Öko-Institut sagt, die Werbeversprechen der Bahn seien zwar technisch begründbar, "aber sie wecken Erwartungen, die nicht erfüllt werden".

Im Hinblick auf die Klimabilanz des Fernverkehrs sagt Philipp Kosok: "Einzelne Produkte, wie der ICE, sollten bei der Klimawertung des Unternehmens nicht relevant sein." Aufgrund des Zertifikatehandels sei es "nicht angemessen, dass sich die Bahn den Klimaschutz auf die Fahnen schreibt".

Denn was fehle, da sind sich alle Gesprächspartner des #Faktenfuchs einig, sei mehr Transparenz seitens der Bahn. Dominik Seebach sagt in Bezug auf den unbekannten Anteil an zugekauftem Ökostrom bei der Bahn: "Die relevante Information, wie viel erneuerbarer Strom denn neu dazukommt und damit Kohlekraftwerke auch ersetzen kann, kommt beim Verbraucher nicht an."

Auch Gawel und Kosok kritisieren die Intransparenz. Kosok sagt: "Klimaneutrale Mobilität ist bei der Bahn aktuell nicht gegeben." Gleichzeitig betont er, die Bahn sei aber ambitioniert, neue Verträge abzuschließen und mehr Strom direkt aus Erneuerbaren zu gewinnen.

Bahnfahren: "Die klimafreundliche Alternative" zu Flugzeug und Auto

Trotz Intransparenz und Bilanzierungsspielen ist es allen Experten wichtig zu betonen, dass die Bahn ein vergleichsweise sehr klimaschonendes Verkehrsmittel sei. Erik Gawel vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung sagt: "Man muss anerkennen, dass die Bahn eines der umweltfreundlichsten Unternehmen ist und auch gute Fortschritte beim Einsatz erneuerbarer Energien macht."

"Es ist unbestritten so, dass Bahnfahren die klimafreundliche Alternative zum Flugzeug, bzw. zum Auto ist", resümiert Philipp Kosok von Agora Energiewende.

Dies ist auch der Fall, wenn man nicht den Bahnstrommix der Emissionsberechnung zugrunde legt, sondern den Bundesstrommix. Das halten alle Experten für aussagekräftiger als die Angaben der Deutschen Bahn. Die 29 Gramm Emissionen pro Personenkilometer, die das Umweltbundesamt für den Fernverkehr der Deutschen Bahn angibt, seien der Wert, den man ansetzen sollte.

Zum Vergleich: Der PKW liegt laut UBA bei 154 Gramm pro Personenkilometer, das Flugzeug bei Inlandsflügen bei 214 Gramm. Reisebusse haben eine ähnliche Emissionsbilanz wie Fernzüge.

Fazit:

Dass die Bahn für ihren Fernverkehr 100 Prozent Ökostrom ausweist, ist laut der vom #Faktenfuchs befragten Experten zwar technisch begründbar, dahinter stecken allerdings Bilanzierungen. Andere Unternehmenssparten würden dadurch "grauer", hätten in ihrer Bilanz also mehr Strom aus nicht erneuerbaren Energien. Außerdem kaufe die Bahn einen Teil ihres Ökostroms auf dem Strommarkt ein und weise ihn durch Zertifikate aus. So ein Zukauf sorgt laut Experten allerdings nicht für den tatsächlich Ausbau von erneuerbaren Energieträgern, es werde lediglich grüner Strom aufgekauft, der ohnehin auf dem Markt sei.

Dadurch mache die Bahn den Anschein, in Sachen Klimaschutz weiter zu sein als sie ist, sagen die vom #Faktenfuchs befragten Experten. Und damit werbe die Bahn sehr offensiv, die ganze Wahrheit komme beim Kunden aber nicht an. Dennoch sei die Deutsche Bahn in puncto Klimaschutz ein "guter Akteur" und Bahnfahren eine sehr klimafreundliche Reiseform. Zur Berechnung der Emissionen für Fahrten mit der Bahn sollte allerdings der Bundesstrommix und nicht der Bahn-eigene Strommix herangezogen werden.

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