Deutschland wird älter. Auch auf den Straßen. Der Anteil von Seniorinnen und Senioren an der Gesellschaft nimmt zu, viele sind bis ins hohe Alter mit dem eigenen Auto unterwegs. Inwiefern sollte ihre Fahrtauglichkeit untersucht werden? Reichen freiwillige Tests oder braucht es verpflichtende Vorgaben? Diese Fragen beschäftigen Verkehrspolitiker und Verbände schon lange.
TÜV: Große Mehrheit für verpflichtende Feedback-Fahrten
Der TÜV-Verband spricht sich dafür aus, dass Seniorinnen und Senioren verpflichtende Feedback-Fahrten machen. Damit bekämen Autofahrer "Feedback zu Stärken und Schwächen, erhalten Verbesserungsvorschläge und Hinweise zu neuen Verkehrsregelungen". Es gehe ausdrücklich nicht um einen Seniorenführerschein oder den Entzug der Fahrerlaubnis.
Mit dem Älterwerden steige das Unfallrisiko, beispielsweise aufgrund einer schwächeren Sehkraft oder wegen längerer Reaktionszeiten, betont Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands. Wenn Senioren ab 75 an einem Unfall beteiligt sind, gelten sie demnach in drei von vier Fällen als Hauptverursacher. Laut Bühler ist es wichtig, "eine hohe Verkehrssicherheit mit dem Wunsch nach einer möglichst langen Teilhabe am motorisierten Straßenverkehr in Einklang zu bringen".
Der TÜV stützt sich auf eine repräsentative Forsa-Umfrage, die der Verband in Auftrag gegeben hat. Demnach sind 85 Prozent der Befragten der Meinung, dass Senioren ab 75 Jahren verpflichtend eine Fahrt mit einem Experten unternehmen sollten, der ihnen eine ehrliche Rückmeldung gibt.
ADAC setzt auf Freiwilligkeit und Vernunft
Der ADAC hält ebenfalls viel von Feedback-Fahrten für Seniorinnen und Senioren – allerdings nur auf freiwilliger Basis. Mit solchen Feedback-Fahrten habe man gute Erfahrungen gemacht, sagt eine ADAC-Sprecherin auf BR24-Anfrage. Im Jahr 2023 habe der ADAC deutschlandweit insgesamt fast 2.500 solcher Fahrten durchgeführt, in Kooperation mit Fahrschulen oder Fahrsicherheitstrainern. Auch über andere Anbieter kann man Feedback-Fahrten buchen.
Laut der Sprecherin laufen die Fahrten wie folgt ab: Nach einem Vorgespräch fahre die Seniorin oder der Senior eine Dreiviertelstunde, idealerweise im eigenen Pkw und in der eigenen Wohngegend. Danach gebe es eine Rückmeldung samt Tipps. "Da wird auch ganz klar angesprochen, wenn etwas problematisch ist", heißt es vom ADAC. Was die jeweilige Person mit dieser Rückmeldung mache, weiß der ADAC aber nicht. Eine Feedback-Fahrt ist keine Fahrprüfung.
Innenministerium gegen obligatorische Feedback-Fahrten
Bayerns Innenministerium sieht anlasslose obligatorische Feedback-Fahrten für ältere Personen kritisch. "Diese können eine prüfungsähnliche Wirkung entfalten", sagt ein Sprecher auf BR24-Anfrage. Nur weil jemand eine bestimmte Altersgrenze erreicht habe, sage das nichts über seine individuelle Fahrkompetenz. Pauschale Überprüfungen jeglicher Art seien übertrieben und altersdiskriminierend. Zudem sei ein erheblicher finanzieller und bürokratischer Aufwand zu befürchten.
"Gerade viele ältere Autofahrerinnen und Autofahrer verfügen über eine jahrzehntelange Fahrpraxis", betont der Ministeriumssprecher. "Normale altersbedingte Beeinträchtigungen gleichen sie etwa durch eine defensivere und umsichtige Fahrweise aus." Unabhängig vom Alter sollten sich alle Verkehrsteilnehmer regelmäßig selbstkritisch hinterfragen, ob sie in der Lage seien, sicher am Straßenverkehr teilzunehmen oder Krankheiten oder sonstige Einschränkungen dem entgegenstehen.
Medizinische Tests – Sehen, Hören, Aufmerksamkeit
Ob ältere Menschen noch selbst Auto fahren sollten, können auch medizinische Tests zeigen. Der Verkehrsmediziner Peter Frank forderte vor einiger Zeit im BR Fernsehen verpflichtende Gesundheitschecks für Menschen ab 70 Jahren, zumindest regelmäßige Sehtests. Auch Überprüfungen der Aufmerksamkeit und des Reaktionsvermögens seien sinnvoll.
Die EU-Kommission hatte zuletzt vorgeschlagen, dass ältere Menschen ihren Führerschein öfter als jüngere Menschen erneuern müssen – und dafür medizinische Tests vorzulegen sind. Das Europäische Parlament hat das aber abgelehnt. Die EU-Mitgliedsstaaten können deshalb selbst entscheiden, ob es verpflichtende Führerschein-Auflagen für Seniorinnen und Senioren gibt. In Deutschland hat die Fahrerlaubnis für Autos und Motorräder kein Verfallsdatum, Ausnahmen gelten nur für Lkw-Fahrer.
Umfrage: 76 Prozent für verpflichtende Senioren-Fahrprüfung
Vom Tisch ist aktuell eine verpflichtende Fahrprüfung, die ältere Menschen zum Beispiel alle fünf Jahre ablegen müssten. Das will auch der TÜV nach eigenen Angaben nicht. Allerdings zeigt die von dem Verband vorgestellte Umfrage: 76 Prozent der Befragten fordern, dass sich ältere Autofahrer einer verpflichtenden Überprüfung ihrer Fahrkompetenz unterziehen sollten.
- Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat bietet im Rahmen der Aktion "Sicher mobil im Alter" einen Online-Selbsttest an (externer Link).
Mit Informationen von dpa
Zum Video: Senioren am Steuer – ist ein Medizin-Check sinnvoll?
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