"Das ist schon eine Sensation", sagt Dieter Heyse. Er ist der archäologische Koordinator der jüngsten Ausgrabungen im Landkreis Regensburg. Dort - nahe dem Mintrachinger Ortsteil Sengkofen – sind er und seine Kollegen auf Jahrtausende alte Skelette gestoßen. Laut Heyse handelt es sich um eines der größten Gräberfelder dieser Zeit, das jemals in Bayern gefunden wurde.
Skelette aus der Jungsteinzeit – Stromtrasse für die Zukunft
Die entdeckten 20 Grabgruben und 22 Skelette gehen nach ersten Begutachtungen auf die Jahre 2.600 bis 2.200 vor Christus zurück – das heißt: Jungsteinzeit am Übergang zur Bronzezeit. Sie wurden im Landkreis Regensburg bei Baumaßnahmen zur Stromtrasse Südostlink gefunden. Deren Bau verzögert sich übrigens wegen der Ausgrabungen nicht: Nach Angaben eines Sprechers des Netzbetreibers Tennet seien die archäologischen Arbeiten im Zeitplan bereits berücksichtigt worden.
Menschliche Überreste der Glockenbecherkultur
Grabbeigaben wie beispielsweise Keramikgefäße, Kupferdolche und Pfeilspitzen lassen die Archäologen außerdem darauf schließen, dass die Bestatteten der Glockenbecherkultur angehörten und von höherem Rang waren. Die Keramikgefäße ähneln in ihrer Form einer umgedrehten Glocke, daher hat die Kultur ihren Namen. Wie Heyse erklärt, handelt es sich bei der Glockenbecherkultur um Gemeinschaften, die in der Jungsteinzeit über ganz Europa verteilt waren.
Hockergrab an Hockergrab – DNA soll Aufschluss geben
Die Gräber sind sogenannte Hockergräber, bei denen die Toten mit angewinkelten Armen und Beinen bestattet wurden. Sie gelten als eine der ältesten Bestattungsarten überhaupt. Interessant sind für die Archäologen in Sengkofen vor allem zwei Doppelgräber. In ihnen wurden jeweils zwei Menschen ineinander hockend beerdigt. Ob sie miteinander verwandt waren, sollen DNA-Untersuchungen zeigen.
Durch den kalkhaltigen Lössboden sind die Knochen gut erhalten geblieben. Daneben entdeckten die Archäologen unter anderem Überreste eines Ofens sowie Pfostenlöcher, die auf Langhäuser schließen lassen, die hier einst standen.
Über 5.000 Jahre alter Brunnen: "Einmaliger Fund"
Ein besonderer Fund ist ein Brunnen, der ebenfalls aus der Jungsteinzeit stammt, aber noch älter als die Skelette ist. Die Experten datieren ihn anhand vollständig erhaltener Keramikgefäße und Keramikscherben auf die Zeit zwischen 3.500 und 3.300 vor Christus. Damals haben die Menschen einen hohlen Baumstamm mit einem Durchmesser von etwa 40 Zentimetern bis zum Grundwasser eingegraben. Über diesen haben sie das Wasser dann abgeschöpft und nach oben geholt.
Außerdem stellte sich heraus, dass der Brunnen zur Altheimer Kultur gehört. Überreste dieser Kulturgruppe wurden erstmals Anfang des 20. Jahrhunderts in Altheim entdeckt – heute ein Ortsteil von Essenbach bei Landshut. Dieter Heyse spricht bei dem Brunnen von einem "einmaligen Fund".
Dieser und auch die Skelette wurden bereits nach München zum Landesamt für Denkmalpflege gebracht. Später soll entschieden werden, ob und wenn ja, wo sie ausgestellt werden.
Bau des Südostlinks bei Regensburg geht weiter
Im Landkreis Regensburg schreitet der Bau der Stromtrasse Südostlink, bei dem die uralten Schätze gefunden worden sind, immer weiter voran. Die Trasse soll in einigen Jahren Strom aus Windenergie vom Norden und Osten Deutschlands in den Süden transportieren. Außerdem soll Solarstrom aus Bayern in den Norden fließen.
Die Fertigstellung des ersten Teils der "Stromautobahn" von Wolmirstedt in Sachsen-Anhalt bis zum Netzknotenpunkt Isar bei Landshut ist für 2027 vorgesehen. Der zweite Teil, der von Klein Rogahn in Mecklenburg-Vorpommern Richtung Landshut führt, soll 2030 in Betrieb gehen. In Bayern wird die Stromtrasse eine Länge von etwa 270 Kilometern umfassen. Sie verläuft dort unterirdisch.
Video: Jahrtausende alte Skelette bei Regensburg entdeckt
Entdeckte Skelettteile
Dieser Artikel ist erstmals am 9. September 2025 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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