Laut der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen wurden im vergangenen Jahr mehr als elf Prozent aller Urlaube von Alleinreisenden unternommen. Eine von ihnen ist die Buchautorin Ana Zirner. Wobei man ihre Solo-Touren nicht wirklich mit normalem Urlaub vergleichen kann.
2.330 Kilometer zu Fuß und mit dem Boot
Vor sechs Jahren hat Ana Zirner den Colorado River in den USA von seiner Quelle in den Rocky Mountains durch Canyons und Wüsten bis ans Meer begleitet – 2.330 Kilometer lang. Ein Moment ist ihr besonders im Gedächtnis geblieben. Und zwar, als ihr bewusst wurde, dass sie im Umkreis von mindestens 20 bis 30 Kilometern wahrscheinlich der einzige Mensch ist. "Das war so fantastisch, weil ich war so winzig klein. Und trotzdem hab' ich mich so groß und stark gefühlt", erinnert sich Zirner.
Alleine Wandern und die Sinne schärfen
Der Trip am Colorado River war nicht ihre einzige lange Solo-Tour. Ana Zirner hat die Alpen der Länge nach durchquert, ebenso die Pyrenäen und den georgischen Teil des Großen Kaukasus. Einer der Gründe fürs Allein-Gehen: Man findet schwer jemanden, der sich auch so viel Zeit nehmen kann oder will. Zum anderen "macht der Kopf auf", wie Ana Zirner sagt. Und sie ist davon überzeugt, dass sich bei ihrer Alpen-Durchquerung ihre Sinne geschärft haben. Auch das Bauchgefühl präge sich alleine stärker aus. Zudem, sagt sie, geht sie alleine weniger Risiken ein. Aber wenn etwas Schlimmes passiert und man sich nicht mehr selbst helfen kann, wird das Allein-Gehen schnell zum Problem.
Tipps fürs Allein-Wandern
Um im Notfall Rettungskräfte zu verständigen, hat Ana Zirner gerade bei Touren in besonders abgelegenen Gegenden ein Satelliten-Kommunikationsgerät dabei. Zu so etwas rät auch Stefan Winter vom Deutschen Alpenverein. Er empfiehlt auch Powerbanks, um leere Akkus zu laden. Grundsätzlich rät der Alpenverein aber dazu, zu zweit oder in der Gruppe zu gehen. "Es gibt immer wieder Beispiele, wo Leute trotz guter Vorbereitung überrascht werden – sei es jetzt vom schlechten Wetter oder einem Orientierungsverlust", sagt Winter. Zudem könne man sich zu zweit besser gegenseitig helfen.
Wer alleine geht, sollte jemandem sagen, wohin man geht und wann man zurück sein will. Und wer seinen Plan ändert, sollte auch das kommunizieren. Sonst kann es sein, dass Rettungskräfte grundlos alarmiert werden.
Warum die "meistgewanderte Frau der Welt" alleine unterwegs ist
Langstrecken-Wanderin Christine Thürmer hält das Risiko beim Allein-Gehen für überschaubar. Zumindest, wenn man auf alpinistische Herausforderungen wie etwa Klettersteige verzichtet. Sie könne die Situationen, in denen sie zur Sicherheit gerne jemanden dabei gehabt hätte, an einer Hand abzählen. Und Thürmer ist schließlich "die meistgewanderte Frau der Welt", wie sie von sich selbst sagt. In Zahlen heißt das: 65.000 Kilometer zu Fuß durch 40 Länder. Immer alleine, aber nie einsam. "Und warum nicht? Ganz einfach: Ich mag mich persönlich wirklich verdammt gerne", sagt Thürmer. Sie sei zwar gerne in Gesellschaft, aber sie brauche sie nicht.
Allein-Wandern kein Allheilmittel
Thürmer will aber mit einer Vorstellung aufräumen. Nämlich der, dass die Erleuchtung vom Himmel fällt, wenn man sich in die unberührte Wildnis setzt. "Wer schon mit so einem Psychopäckchen losläuft, also Arbeitslosigkeit, Ehepartner weg oder Todesfall in der Familie, dann ist man ja schon vorbelastet und wenn dann noch die Probleme auf dem Trail dazukommen, [...] wird es schnell zu viel", sagt die Weitwander-Expertin. Dann sei man noch frustrierter als vorher. Thürmer glaubt, dass Wandern schon eine therapeutische Wirkung haben kann. Aber je vorbelasteter man ist, desto einfacher sollte die Wanderung sein. Und dann? "Ganz einfach: Loslaufen", sagt Thürmer.
Dieser Artikel ist erstmals am 12. April 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!