Für den Kellmünzer Bürgermeister Michael Obst schien zunächst alles zu sein, wie schon so oft: "Auch in diesem Jahr findet wieder die beliebte Aktion mit unserer Patenkompanie der Bundeswehr statt – ein echtes Highlight im Ferienkalender", schrieb der CSU-Rathauschef kürzlich auf Facebook. Seit elf Jahren ist Obst Bürgermeister, das alljährliche "Kinderferienprogramm mit der Bundeswehr" hatte noch sein Vorgänger ins Leben gerufen.
Heuer aber gehen im Rathaus der Marktgemeinde im Kreis Neu-Ulm nicht nur Anmeldungen für das Freizeitangebot ein, es mehren sich auch kritische Fragen – Obst muss sich erklären: Das Ferienprogramm, bei dem Soldaten Kinder betreuen, stößt in München und Berlin auf Kritik.
"Spielerisches Freizeitangebot"
Kinder von sechs bis zwölf Jahren können im August in der Kellmünzer Grundschule zwei Tage samt Übernachtung mit Soldatinnen und Soldaten der "Gefechtsstandstaffel Multinationales Kommando Operative Führung" aus Ulm verbringen. Das Plakat dazu zeigt militärische Tarnfarben um ein Foto, auf dem Kinder ein Bundeswehrfahrzeug bestaunen.
"Es handelt sich um ein spielerisches und betreutes Freizeitangebot, bei dem junge Soldatinnen und Soldaten unter Einbindung der örtlichen Vereine gemeinsam mit Kindern basteln, spielen, Sport treiben und einfach Zeit miteinander verbringen", berichtet Bürgermeister Obst dem BR. Im Vordergrund stehe nicht die Bundeswehr, sondern der persönliche Kontakt zwischen Menschen.
"Früh-Militarisierung mit Tarnnetz"
Dagegen sieht der Bundestagsabgeordnete und Vizechef der Linkspartei, Ates Gürpinar, in dieser Ferienbetreuung "Kriegspropaganda mit Bastelstunde für Sechsjährige". Auf X schrieb er: "Militär hat in Kinderzimmern, Klassenzimmern und Ferienprogrammen nichts verloren. Das ist Früh-Militarisierung mit Tarnnetz."
Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Bayern mahnt: "Keine Kinderfreizeit im Flecktarn!" Für GEW-Vorstandsmitglied Oliver Danner ist ein Ferienprogramm mit der Bundeswehr "nicht altersgemäß". Der Themenkomplex Bundeswehr sei in diesem Alter schwer pädagogisch vermittelbar. "Ein unsachgemäßer Umgang kann hier zu Angst oder Verunsicherung führen und dem pädagogischen Anspruch nicht gerecht werden."
Der bayerische SPD-Fraktionsvorsitzende Holger Grießhammer betont zwar, die Bundeswehr sei eine demokratische Armee und verdiene Unterstützung. "Ich bezweifle jedoch, dass eine derartige Ferienaktion dazu einen sinnvollen Beitrag leistet."
"Ausgrenzung von Bürgern in Uniform"
Der Bürgermeister kann die Aufregung nicht verstehen. Bei dem Ferienprogramm finde weder politische Bildung noch Militärwerbung statt. Es sei "anmaßend", pädagogische Projekte ohne eine Kenntnis konkreter Inhalte oder Abläufe zu kritisieren. Obst, früher Bundeswehroffizier und Mittelschullehrer, wirft Kritikern eine "Ausgrenzung von Bürgerinnen und Bürgern in Uniform" vor. Die Bundeswehr sei ein Organ der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
Die Erfahrungen mit dem Ferienprogramm seien durchweg positiv. "Die Betreuung durch die Soldatinnen und Soldaten ist verlässlich, herzlich und verantwortungsvoll – das Feedback aus der Bevölkerung ist eindeutig positiv." Das Angebot schaffe Nähe, Vertrauen und gelebten Respekt zwischen Zivilgesellschaft und Bundeswehr.
Unterstützung von CSU-Fraktionschef Holetschek
Unterstützung erhält der Bürgermeister vom Chef der CSU-Landtagsfraktion, Klaus Holetschek. "Das Kinderferienprogramm in Kellmünz ist ein freiwilliges, lokal organisiertes Angebot, das spielerisch den Teamgeist fördert und die Bundeswehr als Teil unserer Demokratie sichtbar macht", sagt Holetschek dem BR. Es gehe nicht um Kriegspropaganda, sondern um "Begegnung, Wertevermittlung und ein niedrigschwelliges Kennenlernen einer Institution, die für Frieden, Sicherheit und Freiheit steht". Die GEW-Kritik sei Ausdruck eines "hochproblematischen Umgangs mit unserer Parlamentsarmee".
Die CSU-Fraktion stehe hinter der Bundeswehr: "Wir wollen in Bayern nicht weniger, sondern mehr gesellschaftliche Anerkennung und Wertschätzung für unsere Soldatinnen und Soldaten – dazu gehört auch, dass Kinder und Jugendliche kindgerecht Einblicke bekommen dürfen."
GEW bleibt bei Kritik
Die GEW bleibt bei ihrer Kritik. Die Gewerkschaft zählt auch zu den Klägern gegen das Bayerische Bundeswehrgesetz, das Schulen und Hochschulen zur Zusammenarbeit mit der Bundeswehr verpflichtet. Mit Blick auf das Kellmünzer Angebot für Grundschüler sagt GEW-Landeschefin Borgendale dem SWR: "Selbst so ein total harmloses, nettes Aufeinandertreffen ist halt letztendlich doch eine Gewöhnung an die ganze Thematik."
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