Spielzeug liegt in einer Kindertagesstätte auf dem Boden (Symbolbild)
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In Bayern fehlen mehr als 70.000 Kita-Plätze.

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"Stetig wachsender Bedarf": In Bayern fehlen 70.000 Kita-Plätze

"Stetig wachsender Bedarf": In Bayern fehlen 70.000 Kita-Plätze

Trotz Rechtsanspruch: In Bayern fehlen laut einer Studie mehr als 70.000 Betreuungsplätze für unter Dreijährige. Wegen des Personalmangels werden demnach auch mehr als 60 Prozent nicht kindgerecht betreut. Die FDP kritisiert Bayerns Staatsregierung.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Seit zehn Jahren haben Eltern einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für ihre Kinder – doch viele Familien gehen leer aus. Laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung fehlten 2022 im Freistaat 70.100 Betreuungsplätze. "Bayern kann den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz nach wie vor nicht bedarfsgerecht erfüllen. Die Kinder bekommen keinen Zugang zu frühkindlicher Bildung, während die Eltern Familie und Beruf schwieriger vereinbaren können", sagt Kathrin Bock-Famulla von der Bertelsmann Stiftung für frühkindliche Bildung.

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Etwa 30 Prozent der unter Dreijährigen in Bayern seien im vergangenen Jahr in einer Kindertagesstätte betreut worden – das ist etwas weniger als im Bundesdurchschnitt. Insgesamt wünschten sich aber 42 Prozent der Eltern für ein Kind in dieser Altersgruppe eine Betreuung.

Auch bei den älteren Kindern hätten Anspruch und Wirklichkeit ein paar Prozentpunkte auseinandergelegen. 98 Prozent der Eltern gaben demnach an, einen Kita-Platz zu wollen. Die Betreuungsquote habe 2022 aber nur bei 92 Prozent gelegen.

Mögliche Übergangslösung: Kürzere Kita-Öffnungszeiten

Bis 2030 könne sich die Lücke mit den entsprechenden Bemühungen um neues Personal schließen, sagt Bock-Famulla. In der Zwischenzeit müsse aber über eine Übergangslösung nachgedacht werden. Die Stiftung schlägt dafür auch kürzere Öffnungszeiten in den Kitas vor. Eine Verkürzung auf sechs Stunden am Tag könnte dazu führen, dass schon 2025 alle Eltern bei Bedarf einen Platz bekämen. Ein Teil der Eltern wünsche sich ohnehin die Option, kürzere Betreuungszeiten buchen zu können. Die Arbeitszeiten der Eltern müssten aber dann an die Öffnungszeiten der Kitas angepasst werden.

Außerdem fordern die Autoren der Studie, weiter Quereinsteiger für die Arbeit in den Kitas zu gewinnen. Diese müssten sich dann aber durch eine berufsbegleitende Ausbildung qualifizieren. Auch zusätzliche Mitarbeitende in der Verwaltung und in der Hauswirtschaft könnten die Erzieherinnen und Erzieher entlasten, schlägt die Stiftung vor.

Bildungsauftrag aktuell nicht erfüllt?

Bei den bestehenden Kita-Plätzen werden nach Einschätzungen der Stiftung 61 Prozent der Kinder wegen des Personalmangels nicht kindgerecht betreut. "Es ist davon auszugehen, dass die Kitas in Bayern aktuell ihren Bildungsauftrag für die Mehrheit der Kinder nicht erfüllen können", sagte Bock-Famulla.

Die Empfehlung der Experten für den Betreuungsschlüssel in einer Krippengruppe lautet 1 zu 3. Im Kindergarten solle eine Fachkraft dann im Schnitt 7,5 Kinder betreuen. In Bayern liegen die Betreuungsschlüssel nach der Auswertung aber bei 1 zu 3,6 in der Krippengruppe beziehungsweise 1 zu 8 im Kindergarten. Die Situation stelle sich noch schlechter dar, wenn Urlaubs- und Krankheitstage oder auch Teamgespräche abgezogen werden würden, sagt Bock-Famulla. Demnach stehen dann nur zwei Drittel der Arbeitszeit für die Betreuung der Kinder zur Verfügung.

Sozialministerin Scharf: "Absolut realitätsfremd"

Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) sieht nach eigenen Angaben die Herausforderungen. "Mir ist der stetig wachsende Bedarf an qualifiziertem Personal und Betreuungsplätzen sehr bewusst", teilt Scharf mit. Sie habe deshalb alle Hebel für mehr Fachkräfte in Bewegung gesetzt. Den Vorschlag der Studienautoren, die Betreuungszeit für alle Kinder erstmal zu begrenzen, nennt Scharf allerdings absolut realitätsfremd. "Der Vorschlag widerspricht unserer modernen Arbeitswelt, in der Frauen und Männer gleichberechtigt Familie und Karriere verbinden."

Scharfe Kritik an der Kita-Situation im Freistaat kommt von der bayerischen FDP. "Seit Jahren ist die immense Anzahl fehlender Kita-Plätze bekannt", sagt FDP-Landeschefin Katja Hessel. "Anstatt wirksame Maßnahmen zur Reduzierung des Mangels zu ergreifen, ist die Lücke größer geworden." Für die Bildungschancen vieler Kinder und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei das ein riesiger Hemmschuh. Hessel fordert: "Mindestens sollten eine bessere Bedarfsanalyse geschaffen, mehr Quereinsteiger angeworben und die Anerkennung ausländischer Qualifikationen vereinfacht werden."

Überblick: Personalmangel in Kitas in Ihrem Landkreis

Unvollständiger Daten-Überblick

BR24 hatte Mitte November eine Datenanalyse zum Personalmangel in Kitas veröffentlicht. Wir wollten wissen: Wie häufig waren Kitas in Bayern im vergangenen Kita-Jahr, von August 2022 bis Juli 2023, von Personalengpässen betroffen, die dazu führten, dass die vereinbarte Betreuung nicht mehr sichergestellt werden konnte? Die Träger der Kitas sind dazu verpflichtet, solche Fälle, in denen Kinder früher nach Hause geschickt werden müssen, oder ganze Gruppen schließen, an ihre Aufsichtsbehörde zu melden. In der Regel handelt es sich dabei um die örtlichen Jugendämter, bei kommunalen Kitas um die Bezirksregierungen.

Im Kita-Jahr 2022/2023 gab es insgesamt mindestens 3.957 solcher Meldungen in Bayern. Einzelne Städte und Landkreise verzeichneten mehr als 100 einzelne Vorkommnisse in diesem Zeitraum. Die Folgen waren in vielen Fällen eine Verkürzung der Betreuungszeiten, Teil- oder Gruppenschließungen oder komplette Schließungen von Einrichtungen. Häufig meldete eine Kita mehrmals. Nur neun bayerische kreisfreie Städte und Landkreise gaben an, keine einzige solche Personalausfall-Meldung im vergangenen Kita-Jahr erhalten zu haben.

Das alles ist aber nur die Spitze des Eisbergs – die tatsächlichen Zahlen liegen vermutlich deutlich höher: Für 21 von 96 kreisfreien Städten und Landkreise in Bayern konnten überhaupt keine Daten übermittelt werden. Die Behörden gaben als Gründe unter anderem an, dass es keine gesetzliche Verpflichtung gebe, die Meldungen statistisch auszuwerten – oder dass es ihnen an personellen Ressourcen fehle.

Grafik zur Datenlage: Wie viele Landkreise lieferten keine Statistik?

Studie des Sozialministeriums sieht Bayern zuletzt auf gutem Weg

Bayerns Sozialministerin Scharf sah Bayern bei der Kinderbetreuung zuletzt im Sommer noch auf einem guten Weg. Eine von ihr in Auftrag gegebenen Studie hatte im Juli festgestellt, dass der Bedarf in Kitas und Horten bis zum Jahr 2028 gedeckt sein könnte. "Für den Hortbereich und Kitabereich gehen wir fest davon aus, dass wir bis 2028 Platzbedarf, aber auch Personalbedarf schaffen werden", hatte Scharf bei der Präsentation der Studienergebnisse gesagt.

Die Ministerin begründete die positive Prognose damit, dass die Anzahl der Fachakademien für Sozialpädagogik in Bayern in den vergangenen gut zehn Jahren von 49 auf 73 gestiegen sei, weitere seien in Planung. Außerdem habe man den Meisterbonus für Erzieherinnen und Erzieher von 2.000 auf 3.000 Euro erhöht.

Die Vorsitzende des Verbands "Kita-Fachkräfte Bayern" zweifelte diese Prognose jedoch an. Sie geht davon aus, dass nicht alle Auszubildenden auch tatsächlich in der Kinderbetreuung bleiben. Aufgrund der hohen Belastung und den fehlenden Perspektiven gebe es immer mehr sehr kurz ausgebildete Kräfte in den Kitas, wodurch die Qualität sinke. Eine angemessene Bezahlung sei notwendig. Auch die Opposition fordert insgesamt mehr Geld im System.

Bedarf an Betreuungsplätzen steigt kontinuierlich

Bundesweit fehlen nach Berechnungen der Bertelsmann-Stiftung aktuell mehr als 400.000 Kita-Plätze. Zwar habe es in den vergangenen Jahren erkennbare Fortschritte beim Ausbau von Kita-Angeboten gegeben, teilte die Stiftung in Gütersloh mit. Doch zugleich sei der Bedarf kontinuierlich gestiegen. Denn immer mehr Eltern wünschten sich eine Betreuung – insbesondere für ihre jüngeren Kinder.

"Der Fachkräftemangel erschwert es zunehmend, die Rechtsansprüche zu erfüllen und in den Kitas den Bildungsauftrag umzusetzen", erklärte die Expertin der Stiftung für frühkindliche Bildung, Anette Stein. "Die Situation ist für Kinder und Eltern wie auch für das vorhandene Personal untragbar geworden."

Schlechterer Betreuungsschlüssel in Ostdeutschland

Seit 2013 gibt es einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für Kinder, die älter als ein Jahr alt sind. Für die Über-Dreijährigen gilt der Rechtsanspruch schon seit 1996.

Der Stiftung zufolge ist der Platzmangel in den westdeutschen Bundesländern besonders hoch. In Ostdeutschland liege der Betreuungsschlüssel weit hinter den wissenschaftlichen Empfehlungen zurück. Dort würden fast 90 Prozent der Kita-Kinder in Gruppen betreut, bei denen eine Fachkraft für deutlich mehr als drei Kinder unter drei Jahren oder mehr als 7,5 Kinder über drei Jahren verantwortlich sei. In Westdeutschland sei dies bei gut 60 Prozent der Gruppen der Fall.

Mit Informationen von dpa und KNA

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