Streuobstwiesen sind Juwelen in der Landschaft. Nirgends in Mitteleuropa ist die Artenvielfalt höher als auf einer Streuobstwiese mit alten Bäumen. Damit die Bäume alt werden, muss man sie pflegen, schneiden und beernten. Für die Verwertung des Obsts braucht es neue Lösungen, denn die alten funktionieren nicht mehr.
Mit Streuobstschorle ins Deutsche Theater
Familie Stöckl aus Rohr in Niederbayern hat vor rund 30 Jahren angefangen, den Bio-Streuobstanbau zum Geschäftsmodell auszubauen. Im Herbst hat sie zum ersten Mal Streuobstschorle aus dem selbstproduzierten Saft machen lassen: Sie heißt Lilo und kommt modern daher. Eine Brauerei in der Region füllt sie in 0,3-Liter-Flaschen. Der erste und wichtigste Abnehmer: Das deutsche Theater in München, ein Glücksfall. Inzwischen haben sie 30 weitere Wiederverkäufer gefunden und die Akquise geht weiter, sagt Georg Stöckl: "Wir überlegen uns halt, wo könnte das passen, erst mal in der Region: Biergarten, Kino oder Golfstüberl".
Die Hoffnung: Mehr Streuobstschorle, weniger Limo
Biobäuerin Lucia Gruber aus Schöfthal bei Rohr betreibt zusammen mit ihrer Schwester ein Seminarhaus, in dem man auch feiern kann. Statt wie bisher Apfelsaft von Stöckls kauft Lucia Gruber jetzt die Streuobstschorle Lilo für ihre Gäste. "Ich glaube, dass der eine oder andere, statt vielleicht nochmal ein alkoholfreies Bier oder eine sehr süße Limo zu trinken, lieber zur Schorle greift." Streuobstschorlen konkurrieren vor allem mit der Apfelschorle aus Konzentrat, das aus Apfelplantagen kommt. Streuobstschorle ist teurer, weil die Herstellung mehr Arbeit macht. Sie enthält in der Regel keine Zusätze wie Zitronensäure und Aromen.
Apfelsaft auf dem Weg zum Nischenprodukt?
Das neue Produkt – es war nötig. Denn Streuobst zu vermarkten, ist kein Selbstläufer. Die schönsten Äpfel und Birnen, rund zehn Prozent der Gesamternte, können Stöckls als Tafelobst direkt ab Hof verkaufen. Übers Schulobstprogramm oder den Bioladen wird das schon schwierig, weil die Verbraucher nur makellose Früchte wollen, sagt der Biobauer. 90 Prozent des Obstes landet deshalb als selbstgepresster Saft im Karton. Aber während seine 1.500 Obstbäume heranwachsen und immer mehr Ertrag liefern, geht es mit dem Saftabsatz nicht aufwärts, so Georg Stöckl. Und damit ist er kein Einzelfall: Bundesweit hat sich der Pro-Kopf-Absatz von Apfelsaft in den letzten 20 Jahren ungefähr halbiert. Der Most ist schon lang ein Nischenprodukt und auch Obstler trinken die Leute immer weniger. Cider oder Cidre machen Stöckls bisher nur versuchsweise im kleinen Edelstahlfass, den gibt es nicht in Flaschen.
Spezialitäten: Trockenobst und Fruchtaufstrich
Im Hofladen gibt’s getrocknete Apfelringe, eher eine Spezialität als ein Massenprodukt. Die Firma Saftliebe in Beratzhausen macht Aufstriche und Punsch aus Streuobst. Apfelradler aus Streuobst kann man in Thüringen kaufen. So gibt es etliche Ideen, aber bislang keine Verwertungslösung für den Großteil des Streuobstes. Es gehört meist Privatleuten, die ein paar Bäume haben.
Immer mehr Mostereien in Bayern
Die Anzahl der Saft-Mostereien in Bayern nimmt zu. Die Anschaffung von Saftpressen wird unter Umständen auch vom Freistaat gefördert. "An der Verarbeitung scheitert es nicht. Aber eben an der Nachfrage", sagt Michael Böhm, Experte für die Vermarktung von Ökolebensmitteln bei der Firma Ecozept in Freising und selbst Streuobstbauer. Wie könnte man die Nachfrage steigern? Mit Schorle? Eine Anlage, die sprudelige Getränke abfüllen kann, kostet mehrere hunderttausend Euro, viel zu teuer für einen kleinen Safthersteller. Deswegen müssten die Safthersteller mit regionalen Brauereien zusammenarbeiten.
Ein eigenes Siegel fürs Streuobst?
Und es braucht auch mehr Informationen, so Michael Böhm. Denn "Streuobstäpfel haben ganz andere Qualitäten als ein Spalierobstapfel. Diesen Unterschied am Regal zu erkennen, das ist nach wie vor schwierig". Deswegen plädiert er für ein Streuobstsiegel. Bereits ans Werk gemacht hat sich der Verein "Hochstamm e.V." mit dem geplanten Vermarktungs-Label "100 Prozent Streuobst".
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