Legasthenie zeigt sich meist schon in der Grundschule (Symbolbild)
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Umstrittene Zeugnis-Vermerke: Gericht gibt Legasthenikern recht

Umstrittene Zeugnis-Vermerke: Gericht gibt Legasthenikern recht

Drei ehemalige Abiturienten aus Bayern sind wegen eines Zeugnisvermerks vor Gericht gezogen – mit Erfolg. Denn: Hinweise über Prüfungserleichterungen müssten nach Kriterien verfasst werden, die für alle gelten, und nicht nur für Legastheniker.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Das Bundesverfassungsgericht sieht die Schulen in der Pflicht, in Abiturzeugnissen eindeutig klarzumachen, wenn Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen oder Einschränkungen Prüfungserleichterungen erhalten haben. Aber: Eine solche Regelung dürfe nicht auf Fälle der Legasthenie – also einer Lese-Rechtschreib-Störung – begrenzt werden.

Drei Menschen aus Bayern klagten wegen Diskriminierung

Drei ehemalige Abiturienten aus Bayern hatten somit Erfolg mit ihren Verfassungsbeschwerden, weil es bei Schülerinnen und Schülern mit anderen Behinderungen keine Zeugnisvermerke gab, obwohl einzelne Teilleistungen nicht bewertet wurden.

Karlsruhe sah in ihren Abiturzeugnis-Vermerken aus dem Jahr 2010 eine Diskriminierung, weil nach dem damals in Bayern geltenden Schulrecht nur Hinweise auf Prüfungserleichterungen wegen Legasthenie, aber nicht wegen anderer Behinderungen aufgenommen wurden. Laut dem Urteil muss Bayern den drei Klägern daher ein neues Zeugnis ohne entsprechenden Hinweis ausstellen.

Die Kläger hatten sich durch die Vermerke im Abiturzeugnis diskriminiert gesehen und durch die Instanzen geklagt. 2015 erteilte ihnen das Bundesverwaltungsgericht eine Absage. Dagegen reichten sie Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe ein. Das höchste deutsche Gericht hob nun die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts auf. "Damit werden die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs rechtskräftig, wonach den Beschwerdeführern ein Abiturzeugnis ohne Zeugnisbemerkung auszustellen ist", urteilte das Verfassungsgericht am Mittwoch.

Zeugnishinweise auf Behinderung sind verfassungsgemäß

Der Hinweis auf ein Abweichen von allgemeinen Prüfungsmaßstäben, etwa wenn Rechtschreibfehler bei Legasthenikern nicht bewertet werden, diene der Transparenz über die tatsächlich erbrachte Leistung, so das höchste deutsche Gericht. Entsprechende Zeugnisvermerke seien verfassungsgemäß und stünden im Einklang mit der UN-Behindertenrechtskonvention.

Entscheidend sei ein "bezogen auf die Leistungsfähigkeit chancengleicher Zugang aller Abiturienten zu Ausbildung und Beruf", entschied der Erste Senat des Verfassungsgerichts. Das Recht der Betroffenen, ihre behinderungsbedingte Einschränkungen nicht offenzulegen, müsse dahinter zurücktreten.

Aber: Kriterien müssen für alle Schüler gelten

Die Bedingung für verfassungsgemäße Zeugnisvermerke ist laut dem Urteil aber, dass sie für alle Schüler nach gleichen Kriterien verfasst werden. Damit könnte es beispielsweise künftig auch vermehrt Zeugnisvermerke über Körperbehinderungen, Autismus oder andere Einschränkungen geben.

Etwa zwölf Prozent der Bevölkerung mit Beeinträchtigung

Menschen mit Behinderung bekommen in Schulprüfungen einen sogenannten Nachteilsausgleich. Das kann zum Beispiel bei Legasthenikerinnen und Legasthenikern bedeuten, dass sie mehr Zeit zum Schreiben bekommen. Außerdem gibt es in vielen Bundesländern – darunter Bayern – die Option auf "Notenschutz". Auf Antrag lassen Lehrkräfte die Rechtschreibung dann nicht in die Noten mit einfließen. Sie vermerken im Zeugnis bislang, dass sie die Leistung anders bewertet haben.

Dem Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie zufolge sind etwa zwölf Prozent der Bevölkerung in Deutschland von mindestens einer der Beeinträchtigungen betroffen. Bei Dyskalkulie oder Rechenstörung sind Rechenfertigkeiten beeinträchtigt, ohne dass das allein durch eine Intelligenzminderung oder unangemessene Beschulung erklärbar wäre.

Mit Informationen von dpa, AFP, KNA

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