Ein Ukraine-Hilfsverein wird mit vielen Hass-Nachrichten konfrontiert.
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Stimmungsmache gegen Ukrainehilfe

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Unter falschem Namen: Stimmungsmache gegen Ukrainehilfe

Unter falschem Namen: Stimmungsmache gegen Ukrainehilfe

Ein Ukraine-Hilfsverein erhält mehrfach hetzerische Nachrichten – die angeblichen Verfasser existieren nicht. Durch Fake-Identitäten soll so das politische Klima beeinflusst werden. Experten zeigen sich besorgt über aktuelle Entwicklungen im Netz.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Elisaveta Danyljuk, ist eine Ukrainerin, die mit ihren Kindern seit sechs Monaten im unterfränkischen Landkreis Bad Kissingen lebt, eine Ukrainerin, die in einem Brief schreibt, dass ukrainischen Geflüchteten Hilfe "aufgezwungen" wird, die sie "so gar nicht wollen" - eine Ukrainerin, die in Wahrheit gar nicht existiert.

Fragwürdige Kritik an Ukrainehilfe in Bad Brückenau

Zumindest ergaben das Nachforschungen von Dirk Stumpe vom Ukraine-Hilfsverein "Bad Brückenau hilft". An ihn war der Brief adressiert, in dem die vermeintliche Ukrainerin das humanitäre Engagement des Vereins infrage stellte und fehlende Hilfe innerhalb Deutschlands beanstandete. Schon mehrere solche Briefe haben Stumpe und sein Mitstreiter Christian Wirth bekommen – von angeblichen Ukrainerinnen oder anonym.

Die beiden organisieren seit Kriegsbeginn Hilfslieferungen in die Ukraine, fahren selbst regelmäßig in das Kriegsland, und unterstützen Geflüchtete vor Ort in Bad Brückenau. Die Menschen seien unglaublich dankbar für die Unterstützung, so Wirth. Dass nun durch Hetznachrichten versucht würde, das Engagement schlechtzureden, sei traurig.

Hass und Hetze durch erfundene Identitäten

Doch Fälle, in denen falsche Identitäten für Stimmungsmache verwendet werden, gibt es viele. Analog, aber noch häufiger im Netz: Mit Social Media hat sich die Reichweite von Hetznachrichten enorm vergrößert, so Jan Philipp Rudloff, Kommunikationspsychologe an der Universität Würzburg. Durch sogenanntes "Trolling" wird dort durch provokante und hetzerische Kommentare Stimmung gemacht. Zum Teil stecken strukturierte Netzwerke dahinter, die ganz gezielt Desinformationskampagnen organisieren, so Rudloff. Durch das Anlegen mehrerer Fake-Profile könnten jedoch auch bereits wenige Menschen Mehrheiten simulieren und so Einfluss auf die gesellschaftliche Stimmung nehmen.

Ukrainekrieg: False-Flag-Accounts machen Stimmung

Gerade im politischen Kontext werden dafür häufig ganz bestimmte Identitäten genutzt. Durch False-Flag-Accounts, also Accounts "unter falscher Flagge", wird beispielsweise in die Rolle eines Geflüchteten geschlüpft, um diesem dann überzogene Äußerungen in den Mund zu legen, die die Argumente von Gegnern bestätigen. Genauso kann laut Rudloff durch eine bestimmte Nationalität aber auch eine glaubwürdige Quelle erzeugt werden, deren Meinung dann mehr Gewicht hat – so wie im Fall Bad Brückenau: "Von einer Ukrainerin zu hören, dass unsere Hilfe so gar nicht erwünscht ist, hatte natürlich einen anderen Stellenwert, als wenn ein Deutscher mich angeschrieben hätte, der gar nicht persönlich involviert ist", bestätigt Dirk Stumpe.

Gerade im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine werden solche Mittel immer wieder eingesetzt, um ukrainische Geflüchtete abzuwerten und humanitäre Hilfe für die Ukraine zu diskreditieren, so das Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS).

Immer schwieriger, Fake-Profile zu entlarven

Falsche Erzählungen und Fake-Profile zu entlarven, sei jedoch immer schwieriger, so Rudloff. Viele Accounts seien gut angelegt. Noch immer stecken häufig reale Menschen und nicht Bots hinter den "Trolling"-Profilen. Warnsignale für gefälschte Profile sind kryptische Namen, eine geringe Anzahl an Followern oder Freunden sowie fehlende oder im Netz geklaute Profilbilder. Letzteres kann über eine Bilder-Rückwärtssuche überprüft werden. Auch wenn über ein Profil Inhalte nicht selbst erstellt, sondern nur geteilt werden, sollten Nutzer misstrauisch werden.

Medienanwalt Jun: Zu wenig juristische Ansatzpunkte

Juristisch gebe es nur wenig Möglichkeiten, gegen Fake-Profile vorzugehen, so der Würzburger Medienanwalt Chan-jo Jun. Solange keine bestimmte Person oder Personengruppe eindeutig denunziert wird, sei es nicht illegal, ein Fake-Profil zu betreiben und Falschnachrichten zu verbreiten. Für die Fälle, in denen durch Hetznachrichten tatsächlicher Schaden entstehen kann, brauche es dringend eine bessere gesetzliche Handhabe, fordert Jun. Umso mehr, da die Plattformbetreiber selbst ihrer Aufgabe, Hetze und Fake-Profilen vorzubeugen, nur unzureichend nachkommen würden. Besonders besorgniserregend seien hier die aktuellen Entwicklungen auf Twitter.

Letztlich liegt es also an den Nutzern, Meinungen kritisch zu hinterfragen und sich letztendlich eine eigene Überzeugung zu bilden. Die Ehrenamtlichen des Vereins "Bad Brückenau hilft" zumindest werden von ihrer Mission nicht abweichen, so Christian Wirth: "Ich würde sogar sagen, das spornt uns noch mehr an."

Der Ukraine-Hilfsverein "Bad Brückenau hilft" erhält immer wieder Hetznachrichten.
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Der Ukraine-Hilfsverein "Bad Brückenau hilft" erhält immer wieder Hetznachrichten.

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