Zündschnur anzünden, Deckung suchen und die Ohren zuhalten. Die Polizisten des bayerischen Landeskriminalamts demonstrieren die Gefahren von illegalen Feuerwerkskörpern aus dem Ausland für eine Gruppe von Journalisten. Die Sprengkraft ist immens. Ein Böller der Kategorie F4, genannt "Cipolla", Italienisch für "Zwiebel", wird auf eine Bierbank gestellt und angezündet. Was bleibt, ist ein Fall für den Sperrmüll. Feuerwerkskörper der Klassen F3 und F4 sind hierzulande nur für professionelle Pyrotechniker mit einer entsprechenden Lizenz erwerblich.
Große Sprengkraft von Böllern - und kaum Kontrolle
Die große Gefahr geht neben der enormen Sprengkraft auch von den verbauten Materialien beim Zündapparat aus, sagt Bayerns LKA-Pressesprecher Fabian Puchelt: "Das Problem ist, die Leute wissen nicht, was sie da in der Hand haben. Sie unterschätzen das und gerade, wenn man auch illegales Material kauft, was jetzt keiner Zertifizierung irgendwie unterliegt, wissen sie letzten Endes nicht, was sie da in der Hand halten. Sie können es eigentlich "Russisch Roulette" nennen, weil Sie nie wissen, was am Ende passiert."
Bei Böllern der Kategorie F3 und F4 sind meist sogenannte Blitzknallsätze verbaut. Diese chemisch hochexplosiven Mischungen gepaart mit Zündschnüren, auf die oftmals kein Verlass ist, sorgt für die Gefahr, dass der Feuerwerkskörper direkt beim Anzünden in die Luft gehen kann. Die LKA-Beamten verlängern deshalb bei jedem Demonstrationsversuch die Zündschnüre und mischen ein Treibladungspulver bei, um genug Zeit zu haben, um in Deckung zu gehen.
Einfuhr über tschechische Grenze
Laut Bundespolizei Waidhaus wurden 2024 in der Oberpfalz an der tschechischen Grenze 1,2 Tonnen an verbotener und erlaubnispflichtiger Pyrotechnik beschlagnahmt. Dieses Jahr waren es bis Dezember, kurz vor der Hochsaison, schon 800 Kilogramm. Die Bundespolizei geht deswegen von einer ähnlichen Menge wie vergangenes Jahr aus. Ein Effekt der Einführung des Verkaufsverbots an Märkten und mobilen Verkaufsständen in Tschechien zum 1. Dezember sei bisher nicht spürbar, könne sich über einen längeren Zeitraum aber noch einstellen, so Polizeihauptkommissar und Pressesprecher der Bundespolizei Waidhaus, Tobias Pfeiffer.
Im Zuge der Grenzkontrollen führen die Grenzbeamten täglich stichprobenartige Kontrollen durch und fahnden dabei nicht nur an den Hauptverkehrsrouten, wie der A6, sondern auch an kleineren Grenzübergängen nach illegaler Pyrotechnik. Aber auch herkömmliche Böller der Klasse F2, die in Deutschland frei verkäuflich sind, können gefährlich sein. Der Kohlkopf, der für den Test mit einem legalen Böller der Feuerwerksklasse 2 verwendet wurde, hat nach der Zündung ein großes Loch. Unter anderen Umständen hätten es Amputationen der Hand oder des Arms sein können, genau wie Verbrennungen im Gesicht bis hin zum Verlust des Augenlichts mögliche Folgen sein können.
Augenärzte fordern Verbot von Privatfeuerwerk
Die enorme Sprengkraft und die Ungewissheit, wann und wie die Böller explodieren, machen auch Ärzten Sorgen, denn sie lösen eine vermeidbare Belastung der Krankenhäuser aus. Laut Studie der Fachgesellschaft für Augenheilkunde, DOG, hatten die notdienstleistenden Augenkliniken zum Jahreswechsel 2024/2025 insgesamt 905 Personen mit feuerwerksbedingten Verletzungen dokumentiert, so viele wie noch nie seit Beginn der Datenerfassung. In einem besonders tragischen Fall verstarb der Patient in Folge einer Kopfverletzung.
Die DOG fordert deshalb ein Verbot von privatem Feuerwerk in Deutschland. Im BR-Interview mahnt Ameli Gabel-Pfisterer stellvertretend für die DOG vor den möglichen Folgen von Böllern, "weil das eben langfristige Folgen sind bei Leuten, die vorher komplett gesund gewesen sind. Wir sehen, dass sehr, sehr viele Kinder verletzt sind."
Viele verletzte Kinder - lebenslange Folgen möglich
Zudem seien laut ihrer Studie in 60 Prozent der Fälle Unbeteiligte und Passanten von den Verletzungen betroffen, die das Feuerwerk selbst gar nicht gezündet hatten, so die leitende Oberärztin für Augenheilkunde am Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam weiter. Besonders besorgt seien sie und ihre Ärztekollegen der Arbeitsgruppe "Feuerwerksverletzung" um den hohen Anteil an Kindern unter den Verletzten: "Viele davon sind jünger als zwölf Jahre und haben bei schweren Verletzungen lebenslang mit funktionellen und kosmetischen Folgen zu kämpfen".
Die Verletzungen seien ausdrücklich nicht allein die Folge von illegalen Silvesterböllern – auch frei verkäufliche Böller hätten ein Verletzungspotenzial.
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