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In Bayern ist das Gymnasium die am meisten besuchte weiterführende Schulform. Laut der jährlich erscheinenden Dokumentation "Bayerns Schulen in Zahlen" (externer Link) besuchten im vergangenen Schuljahr rund 322.000 Schüler das Gymnasium. Bayerns Realschulen verzeichneten rund 216.000, die Mittel- und Hauptschulen rund 203.000 Schüler.
BR24-User: Wir brauchen Handwerker, nicht nur Studierte
BR24-User sehen das als Problem, auch weil gerade im Handwerk immer wieder Arbeitskräfte fehlen. So schrieb etwa "a64ger" in der BR24-Kommentarspalte: "(...) Wir brauchen gut ausgebildete Handwerker in unserem Land und nicht nur 'Studierte'! Ein Studierter repariert kein Auto, baut kein Haus und backt auch kein Brot!"
Verantwortlich für die Popularität der Gymnasien sind laut Ansicht mehrerer Nutzer die Eltern. "Georg_es_reicht" kommentierte: "Der Wunsch nach höherer Schulbildung ist letztendlich auch dem Wunsch nach hohem Wohlstand geschuldet. Vielen Eltern ist klar, dass der Lebensstandard, welchen sie ihren Kindern bieten (oder zumindest bieten wollen) nur mit relativ hohem Einkommen realisierbar ist. (...)"
Alles fürs Gymnasium: Nachhilfe in der dritten Klasse
In den Grundschulen herrsche daher bei Eltern vor dem Übertritt häufig eine hohe Nervosität, ob ihr Kind die erforderlichen Noten schreibt, sagt Angela Wanke-Schopf, stellvertretende Landesvorsitzende des Bayerischen Elternverbands im BR24-Gespräch. "Eltern hoffen, dass ihr Kind es auf das Gymnasium schafft. Manche melden ihr Kind deshalb schon in der dritten Klasse zur Nachhilfe an. Wir sollten wirklich mal darüber nachdenken, was wir unseren Kindern damit antun."
Bildungssoziologin Sibylle Schneider von der Universität Augsburg erklärt, dass es verständlich sei, dass Eltern für ihre Kinder das Beste wollen. Mit einem Abitur stünden den jungen Menschen beruflich erstmal die meisten Türen offen. Außerdem schätzten viele Eltern, insbesondere in Städten, das Konfliktpotenzial an Mittel- und Hauptschulen höher ein. Sie befürchteten dabei mehr Unruhe, Auseinandersetzungen und in höheren Stufen auch Gewalt oder Drogen, so Schneider.
Mittelschule nur noch "Restschule" für viele Eltern
Bis zur Jahrtausendwende war die Mittel- bzw. Hauptschule noch die am meisten besuchte weiterführende Schulform im Freistaat. Mit der Einführung der sechsstufigen Realschule habe sich das geändert. Damit musste die für die Bildungskarriere wegweisende Entscheidung eher getroffen werden.
Für die Hauptschulen sei das ein tiefer Einschnitt gewesen, weil ab diesem Zeitpunkt viele Eltern die Schule nur noch als eine Art "Restschule" ansahen. In vielen Gesprächen von und mit Eltern habe sie seitdem den Satz gehört: "Zumindest die Realschule soll es für mein Kind schon sein." Das Gymnasium bleibe für viele aber das eigentlich angestrebte Ziel.
Ohne Abitur keine Chance auf dem Arbeitsmarkt?
Das liege auch am Arbeitsmarkt, denn viele Jobs setzen ein Abitur voraus. Eltern hätten daher die Befürchtung, dass ihre Kinder mit einem Hauptschulabschluss beruflich keine Chance haben würden, so Wanke-Schopf. Abschlüsse wie die Mittlere Reife oder der qualifizierende Hauptschulabschluss müssten wieder mehr Wertigkeit bekommen.
Auch BR24-User "Arancia" kommentierte: "Wenn wir nicht entweder die Dreigliederung aufgeben oder wenigstens alternativ offensiv wieder damit anfangen, einen Real- oder Mittelschulabschluss wertzuschätzen und diesen Schulformen Respekt und Ressourcen zukommen lassen, werden wir noch viel stärker soziale Spaltung, Ungerechtigkeit, Demotivation und unglückliche Kinder, Eltern und Lehrende produzieren."
Ein Grund dafür, dass das Abitur für viele Berufe Grundvoraussetzung ist, liege im technologischen Wandel, sagt Corinna Kleinert, stellvertretende Direktorin des Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe in Bamberg. Dieser habe in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass es immer mehr Jobs mit hohen Anforderungen gebe, für die ein Studium gute Voraussetzungen biete. "Umgekehrt gibt es immer weniger einfache Jobs in der Fertigung, Industrie und in Büros, weil diese Aufgaben häufig von Computern übernommen werden könnten."
Gymnasium: "Nicht für jedes Kind die richtige Schule"
All das führe dazu, dass so manche Eltern ihre Söhne und Töchter schon in der ersten Klasse darauf trimmen wollen, später unbedingt an das Gymnasium gehen zu wollen. Auch wenn das für ihr Kind möglicherweise nicht die richtige Schulart sei, erklärt Wanke-Schopf.
Diesen Eindruck scheinen auch BR24-Nutzer zu haben. "GeiselDesZeitgeists" argumentierte: "(...) Würden Eltern mal realistisch betrachten, auf welche Schule ihr Kind gehört, wären alle glücklicher. (...)"
"Wenn ein Kind sich zum Beispiel schwertut, sich länger hinzusetzen und zu lesen oder zu lernen, dann mag das Gymnasium vielleicht nicht die richtige Schulart für das Kind sein", sagt Wanke-Schopf. Für Kinder sei es nämlich unglaublich frustrierend, wenn sie das Gymnasium nicht schaffen, insbesondere in den unteren Klassenstufen, in denen man sich oft und gerne mit Freunden misst. "Viele fühlen sich dann als Versager. Außerdem werden sie aus dem Klassenverband gerissen. Das ist keine schöne Erfahrung."
Für sie steht fest: "Es braucht Reformen. Schulen müssen so gestaltet werden, dass sie für unsere Kinder passen. Es soll nicht so sein, dass unsere Kinder in das vorhandene Schulsystem hineingepresst werden."
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