"Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass die von ihnen angestrebte Position zwischenzeitlich besetzt werden konnte. Wir wünschen Ihnen für die Zukunft und den weiteren Berufsweg alles Gute.“ Wenn Lea Schneider diese Sätze vorliest, kann sie es nur noch mit einem gewissen Sarkasmus in der Stimme tun. Denn: Das war nicht Absage Nummer 1, sondern circa die Vierzigste.
Absagen über Absagen, auch mit Einser-Schnitt
Seit einem halben Jahr sucht die 25-Jährige einen Job. Das Masterstudium im Bereich Personalmanagement hat sie erfolgreich absolviert, sogar mit einer Eins vor dem Komma. Aber Stand jetzt haben 115 Bewerbungen bisher nicht zum Erfolg geführt. "Ich wurde bisher zu sechs Bewerbungsgesprächen eingeladen, in einem ist es dann auch in die zweite Runde gegangen, aber trotzdem waren es dann leider in allen am Ende Absagen.“
Bis zu 20 Bewerbungen pro Monat versendet Lea seit Monaten im Schnitt, alles auf ausgeschriebene Stellen, die sie in Jobportalen sucht und findet. Die 25-Jährige hat ihren Schreibtisch provisorisch in einer Küche in ihrem Elternhaus, in einem Dorf in der Nähe von Dachau, aufgestellt. "Ich will eigentlich raus von zuhause“, sagt Lea. Aber: Ohne einen Job kann sie sich einen Auszug nicht leisten. Also muss Lea Schneider weitersuchen und sich bewerben, inzwischen auch in Hamburg und anderen Städten, die weit weg sind.
Expertin: Einstellungsrückgang trifft Berufseinsteiger hart
Damit ist sie nicht allein, denn die Lage am Arbeitsmarkt sei gerade für junge Menschen extrem angespannt, erklärt Anja Warning vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im Interview mit der Münchner Runde: "Die aktuelle Zurückhaltung der Unternehmen bei den Einstellungen betrifft diejenigen, die neu in den Arbeitsmarkt reinkommen, also Berufseinsteiger, mit am stärksten. Weil sie noch nicht über ausreichend Expertise verfügen und weil es bei diesen Personen den Unternehmen besonders schwerfällt, einzuschätzen, wie gut sie ins Unternehmen passen.“
Lea zeigt uns ihr E-Mail-Postfach mit den zahlreichen Absagen. "Da sind nicht mehr alle drin“, sagt sie entschuldigend, „bei manchen Stellen, die ich wirklich gerne haben wollte, habe ich die Absagen aus Frust direkt gelöscht.“ Dokumentiert sind sie trotzdem – in einer eigenen Tabelle mit bisher 115 Zeilen. Weißes Feld heißt: gar keine Rückmeldung, die Absagen sind rot hinterlegt. Der Anteil an weißen Feldern ist hoch.
"Ich würde sagen, dass gerade Anfang dieses Jahres die Quote Absage und Rückmeldung und keine Rückmeldung Hälfte-Hälfte war. Also dass sich die Hälfte der Firmen überhaupt gar nicht mehr zurückgemeldet haben auf eine Bewerbung.“
Eine Einladung zum Bewerbungsgespräch war bei Leas Bewerbungen bisher eine Seltenheit. Meistens kommen Absagen - wenn überhaupt.
Antwort: Wenn überhaupt bis zu drei Monate später, Feedback? Gar nicht
Das frustriert Lea besonders, dass sie Zeit in Bewerbungen stecke und dann nichts zurückkommt, oder erst viel zu spät: "Manchmal kommt dann auch drei Monate später was, aber oftmals kommt einfach gar nichts mehr.“ Feedback, warum es nicht geklappt hat, gab es bis auf eine Ausnahme nie.
Ihre Mitstudierenden und Bekannte hätten es zurzeit ähnlich schwer, einen Job zu bekommen, erzählt Lea. "Noch vor einem Jahr, als ein paar von meinen Kommilitonen angefangen haben, war es anders, hatte ich das Gefühl. Aber jetzt ist es sehr schwierig. Auch von Bekannten aus anderen Branchen und Bereichen, bekomme ich mit, dass es sehr schwierig ist und dass sie lange nach Jobs suchen.“
In der Küche in ihrem Elternhaus hat Lea ihren Schreibtisch vorübergehend stehen. Von hier aus verschickt sie deutschlandweit ihre Bewerbungen.
Unsicherheiten durch Regierungswechsel und Trumps Zölle
Diese Situation könne sich aber auch wieder ändern. Expertin Anja Warning vom IAB geht davon aus, dass sich der Arbeitsmarkt mittelfristig wieder erhole. Zum Beispiel, wenn klar ist, wie es mit der neuen Bundesregierung und vor allem mit den Zöllen aus den USA weiter geht, die gerade für große Unruhen am Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft sorgen würden – branchenübergreifend.
Warning beobachtet, dass sich das Einstellungsverhalten der Unternehmen in letzter Zeit geändert habe. Ausbildungs- oder Studienabschlüsse seien nach wie vor wichtig, aber: "Kenntnisse, die nicht im eigentlichen Sinne Sach- und Fachwissen sind, gewinnen immer mehr an Bedeutung. Etwa die Lernbereitschaft, Flexibilität im Hinblick auf Themen oder die Fähigkeit, sich eigenständig fehlendes Wissen anzueignen oder die Teamarbeit in multikulturellen Teams."
Leas zweite Chance?
Die Stellen, auf die sich Lea beworben hat, sind Vollzeitstellen und werden nur noch online ausgeschrieben. Genau wie eine ihrer Traum-Stellen im Münchner Umland, wo das Verfahren gerade offen ist. Lea hat sich dort schon mal ohne Erfolg beworben, jetzt hofft sie auch eine zweite Chance. Noch diese Woche könnte die Nachricht kommen, dass es für sie im Bewerbungsverfahren weiter geht. Das Unternehmen hatte sich extra bei ihr gemeldet, dass wieder etwas ausgeschrieben ist. Lea hofft jetzt, ausnahmsweise, mal auf gute Neuigkeiten.
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