Demo-Plakate gegen Antisemitismus an Deutschlands Unis
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Was bayerische Unis tun, um jüdische Studierende zu schützen

Was bayerische Unis tun, um jüdische Studierende zu schützen

Die Kultusministerkonferenz hat die Universitäten bereits im Herbst aufgefordert, mehr gegen Judenfeindlichkeit zu unternehmen. Das ist längst nicht überall umgesetzt. Jüdische Studierende fürchten derweil eine weitere Zunahme des Antisemitismus.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Anti-Israelische Proteste und Ausschreitungen an Universitäten in den USA und zuletzt auch in Berlin, Bremen, Leipzig. Jüdische Community und Bildungspolitiker sind aufgeschreckt. Sie befürchten, dass Antisemitismus und Israelfeindlichkeit an den Unis auch in Bayern weiter zunehmen könnte. Vladimir Sukhoi vom Verband jüdischer Studenten in Bayern konstatiert, Antisemitismus habe "in Deutschland und an den Universitäten wieder einen Platz".

Jüdische Studierende haben Angst vor Diskriminierung

Ein Drittel der jüdischen Studierenden hat in einer Schnell-Umfrage des Bundesbildungsministeriums bereits im März angegeben, schon einmal Diskriminierung erlebt zu haben. Vladimir Sukhoi berichtet, seine jüdischen Kommilitoninnen und Kommilitonen hätten mehr denn je im Hinterkopf, "wie wir uns unterhalten, in welcher Sprache wir telefonieren". Und er stelle sich die Fragen: "Trage ich den Davidstern über oder unter dem Pulli, wo betrete ich die Uni, um nicht womöglich in eine antisemitische Aktion hineinzugeraten?"

Besondere gesellschaftliche Verantwortung der Unis

Die Auswirkungen der Eskalation im Nahen Osten sind auch eine Herausforderung für die Universitäten und Hochschulen. Die Universität Augsburg sowie die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) haben schon vor dem 7. Oktober, dem Tag des Hamas-Terrorakts, spezielle Anlaufstellen mit Sonderbeauftragten gegen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit geschaffen.

FAU-Präsident Joachim Honegger erklärt, er habe dem gesellschaftlichen Trend der letzten Jahre etwas entgegensetzen wollen. "Besonders, als seit 2021 antisemitische Straftaten zugenommen haben, wurde uns klar, dass dieses Thema uns weiter begleiten wird." Und Honegger betont, als Universität habe man auch "eine besondere gesellschaftliche Verantwortung".

Kaum Sonderbeauftragte gegen Antisemitismus an bayerischen Unis

Damit sind die FAU und die Augsburger Uni einem Beschluss der Kultusministerkonferenz von Bund und Ländern vom Herbst zuvorgekommen, der genau das empfiehlt: Eine eigene Anlaufstelle, einen eigenen Sonderbeauftragten explizit für das Thema.

Das aber ist längst nicht überall umgesetzt: An kleineren Universitäten und Hochschulen gibt es kaum eigens geschulte Antisemitismusbeauftragte. Bei Vorkommnissen müssten sich Studierende oder Mitarbeiter dann in der Regel an die Hochschulleitung wenden, teilt das Bayerische Wissenschaftsministerium mit. Auch die Universitäten Würzburg, Regensburg, die TU München und die LMU in München haben bislang keinen Sonderbeauftragten. Ihr Argument: Sie hätten ohnehin schon Anti-Diskriminierungsbeauftragte. Die seien auch bei Antisemitismus zuständig.

Spezielles Wissen ist gerade bei Antisemitismus wichtig

Vladmir Sukhoi will den meisten Unis nicht absprechen, bemüht zu sein. Vielerorts gebe es Projekte. Die Uni Regensburg nennt zum Beispiel den guten Kontakt zu jüdischen Gemeinden hierzulande, sowie zu Wissenschaftseinrichtungen in Israel. In Würzburg gibt es laut Universität zwei Einrichtungen, die Aufklärungsarbeit über Antisemitismus leisten. Die Uni lässt aber durchblicken, dass es häufig an Ressourcen fehle, die Angebote weiter auszubauen.

Die jüdischen Studierenden sind davon überzeugt, dass es bessere Strukturen gegen Antisemitismus an den Universitäten braucht. Und dazu zählten eben auch eigene fakultätsunabhängige Sonderbeauftragte.

Denn, so Vladimir Sukhoi, Antisemitismus zeige sich in unterschiedlichsten Formen und in den verschiedensten gesellschaftlichen Milieus. Viele Menschen seien aufgrund der Komplexität des Themas "nicht in der Lage, bestimmte Ausprägungen zu erkennen". Deswegen brauche es eben Experten, "die Antisemitismus erkennen, geschult sind, diesen zu bekämpfen und Aufklärungsarbeit zu betreiben", so der Sprecher des Verbands jüdischer Studenten in Bayern.

Wo hingeschaut wird, wird Judenfeindlichkeit auch gesehen

Das Interessante: Tatsächlich ist die FAU, die eine eigene Beauftragte gegen Antisemitismus ernannt hat, auch die einzige größere bayerische Universität, die auf Anfrage bestätigt, dass es dort immer wieder Fälle von Judenfeindlichkeit gebe: antisemitische Inhalte in Chatgruppen, entsprechende Schmierereien, zerstörte Israelflaggen, anonyme Anrufe bei jüdischen Studierenden, und auch schon mal eine verbale Auseinandersetzung. Seit dem 7. Oktober 2023 sei in vier Fällen aus dem Umfeld der Universität von Privatpersonen Anzeige erstattet worden.

Keine Konsequenzen nach judenfeindlicher studentischer Demo?

An den Unis in Regensburg, Würzburg und München heißt es jeweils aus den Pressestellen, es sei kein Vorfall bekannt. Vladimir Sukhoi zweifelt das an. Zumal auch die bayerischen Ermittlungsbehörden bestätigen: Seit dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel würden verstärkt Vorfälle aus dem universitären Bereich gemeldet.

Sukhoi verweist auf studentisch organisierte pro-palästinensische Demonstrationen in München. Diese seien auch "für judenfeindliche Parolen missbraucht" worden. Konsequenzen habe es seitens der Universität keine gegeben.

Die Ludwig-Maximilians-Universität entgegnet, dass die Demonstrationen nicht auf dem Universitätsgelände stattgefunden hätten. Und, dass man eine Erklärung online gestellt habe, mit der man sich klar von Antisemitismus distanziere. Solidaritätsbekundungen in Richtung jüdischer Community und ein Bekenntnis zum Existenzrecht Israels haben inzwischen fast alle Universitäten in Bayern formuliert. Doch reicht das?

Nein, findet der Antisemitismusbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung Ludwig Spaenle (CSU). Er fordert zusätzlich den Ausbau von Israelstudien, eine Anpassung des Hochschulrechts, um Studierende ggf. schneller exmatrikulieren zu können, und eben auch einen eigenen Antisemitismusbeauftragten für jede Universität und Hochschule. Als Vorbild nennt Spaenle explizit die FAU Erlangen-Nürnberg.

Studierendenverband spricht sich für Auflösung von Protestcamps an Hochschulen aus

Der Studentenverband Freier Zusammenschluss von Student*innenschaften (fzs) hält derweil die Auflösung pro-palästinensischer Protestcamps an deutschen Hochschulen für notwendig, warnt aber vor einer Radikalisierung durch ein hartes Vorgehen der Polizei. "Auch wenn wir die Auflösung dieser stark radikalisierten und antisemitischen Camps für gerechtfertigt und notwendig halten: Ein unrechtmäßig brutales Vorgehen der Polizei ist nie zu entschuldigen", erklärte Sascha Wellmann vom fzs-Vorstand. Eine weitere Radikalisierung der Proteste sei so nicht auszuschließen.

Der fzs fordert die Hochschulleitungen weiter zu konkreten Maßnahmen auf, um jüdische Studierende effektiv vor antisemitischen Vorfällen zu schützen. Sie sollen von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und aggressiv auftretende antisemitische Gruppierungen und Einzelpersonen des Campus verweisen.

Blume: KMK-Aktionsplan "zuverlässig umsetzen"

Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) sagte dem BR, er werde sich kommende Woche mit jüdischen Studierenden treffen, um die aktuelle Lage zu besprechen. Auch er fordert, der Aktionsplan der Kultusministerkonferenz müsse "zuverlässig und entschlossen an allen deutschen Hochschulen umgesetzt werden". Allerdings sind Universitäten und Hochschulen autonom – sie müssen die Forderungen aus der Politik nicht umsetzen.

Bei Vladmir Sukhoi und seinem Verband der jüdischen Studierenden bleibt die Angst, dass angesichts der Bilder aus den USA, aber auch aus den ersten deutschen Städten, die Hemmschwelle bei bayerischen Studierenden sinkt, Antisemitismus und Israelfeindlichkeit offen zu zeigen und zu leben. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Politik von Israels Regierungschef Netanjahu, so Sukhoi, müsse natürlich möglich sein. Doch auch im Umfeld bayerischer Universitäten und Hochschulen werde das häufig nicht sauber unterschieden.

Mit Informationen von dpa und AFP

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