Die ausgewilderten Bartgeier aus dem oberbayerischen Berchtesgaden haben Fans in aller Welt. Seit sie ihre ersten Flügelschläge getan haben, ist das Interesse riesig. Ihre Entdeckungstouren wurden eine Zeit lang per GPS-Tracking verfolgt. Zum Jahreswechsel jedoch heißt es warten, auf Sonne und ein Lebenszeichen der zwei Jungvögel. Die Nische im Fels jedenfalls ist schon wieder parat. Denn das Bartgeier-Projekt geht auch 2022 weiter. Aber der Reihe nach:
Ankunft im neuen Zuhause
Es sollte der Beginn des spektakulärsten Artenschutzprojekts in Deutschland werden. Doch bis wenige Monate vorher stand es auf der Kippe. Denn bis dahin war nicht gesichert, ob die Bartgeier-Paare im internationalen Zuchtprogramm beim Brüten Erfolg haben werden.
Schließlich sollten es zwei Weibchen aus dem andalusischen Guadalentin werden. Anfang Juni wurden die zwei Jungvögel im Nürnberger Zoo auf die Auswilderung vorbereitet und Mitte Juni unter großer Medienpräsenz im Nationalpark Berchtesgaden empfangen. Die beiden Weibchen wurden am selben Tag auf Bavaria und Wally getauft und von einem Trägertrupp in ihr neues Zuhause gebracht. Eine Felsnische nahe der Reiteralm im Nationalpark Berchtesgaden. Dort sollten sich die beiden in den darauffolgenden Wochen weiter entwickeln und wurden keine Minute vom Projektteam des Nationalparks und des Landesbund für Vogelschutz (LBV) aus den Augen gelassen.
Streit und Harmonie in der Felsnische
Ein paar Zankereien bei der Eingewöhnung blieben nicht aus. Doch umso unzertrennlicher sollten sie künftig werden. Der Projektleiter beim LBV, Toni Wegscheider beobachtete die Vögel beim gemeinsamen Fressen, auch ihre Schlafplätze wählten sie in der Nähe der Ziehschwester. Das Monitoring-Team beobachtete ihre Verhaltensweisen rund um die Uhr über mehrere Webcams und per Fernglas an einer speziell dafür eingerichteten Beobachtungsstelle.
Die Geier-Weibchen waren mit drei Monaten zwar schon beinahe ausgewachsen, konnten aber noch nicht fliegen, und deshalb auf Futter angewiesen. In den Sommermonaten perfektionierten sie stetig ihre Flugübungen. Als die Flügelschläge immer mehr wurden, stand der Tag des ersten Flugversuchs kurz bevor. Es war Bavaria, die sich Anfang Juli als erste in die Luft schwang.
Die ersten Erkundungstouren der Bartgeier
Wenige Tage später folgte auch Wally. Die ersten Flüge dauerten nicht lange. Nach etwa 100 Metern landeten die beiden im Gelände nahe der Felsnische. Doch diese Entwicklungsstufe läuteten eine neue Phase im Bartgeier-Projekt ein. Für die Projektmitarbeiter wurde es jetzt komplizierter, die Vögel zu überwachen, da sie nun mobil waren.
Die Jungvögel waren immer noch verletzlich, konnten etwa im offenen Gelände dem Steinschlag zum Opfer fallen oder mussten sich in der Luft gegen die Steinadler behaupten. Auch Naturfotografen und Fans mussten immer wieder angehalten werden, die Vögel nicht zu stören. Die Futterplätze variierten nun, je nach Aufenthaltsort. Bis heute bleibt die Umgebung der Reiteralm das Basislager, wo sie weiterhin ihre gewohnten Schlaf- und Fressplätze beibehalten.
Spritztour nach Wien und GPS-Ausfall
Inzwischen fliegen die beiden Weibchen weite Strecken von 100 bis mehreren hundert Kilometern am Tag. Durch GPS-Sender lassen sich ihre Flugrouten verfolgen. Bavaria flog bereits im Oktober 2021 fast bis nach Wien.
Für einen Schock sorgte Bavaria Ende November, als das Projekt keine Signale mehr von ihrem GPS-Sender empfing. Wenig später wurde sie allerdings wieder im Salzburger Land gesichtet. Seitdem gibt es keine neuen GPS-Signale mehr. Im trüben Winterwetter komme es laut LBV aber schon mal vor, dass der solarbetriebene GPS-Sender erschöpft ist.
Deshalb bittet das Projekt momentan alle Wandernden darum, sich beim LBV zu melden, falls die eine oder alle beide Weibchen gesichtet werden. Sie sind durch ihre individuellen Flügelmarkierungen mit dem Fernglas gut zu erkennen. Bavaria hat an ihrer linken Flügelspitze und in den rechten Schwanzfedern helle Stellen, Wally an zwei Stellen in ihrer rechten Schwinge.
Warum die Bartgeier in die Alpen zurückkehren sollen
Vor mehr als 100 Jahren wurde der ungefährliche Aasfresser in Deutschland ausgerottet. Inzwischen nehmen die Bestände der Bartgeier dank vieler Artenschutzprojekte in Europa wieder zu. Bereits seit 1986 werden einzelne Vögel in den vor allem in den West- und Zentralalpen ausgewildert, zum Beispiel in Österreich, wo sie sich auch selbstständig fortpflanzen.
Doch weil die gefiederten Giganten oft gezielt vergiftet oder gejagt werden, schwinden in vielen Regionen der Welt die Bartgeier-Zahlen weiter. Laut LBV haben die Bartgeier nur dann eine Chance, wenn Jäger grenzübergreifend auf bleihaltige Munition verzichteten. In freier Natur kann der der majestätische Greifvogel mit einer Spannweite von knapp drei Metern bis zu 45 Jahre alt werden.
Abendschau-Video: So lief die Auswilderung der beiden Bartgeier
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