Postpatin Elisabeth Träder liest Thomas Höllriegel die Post vor. Der 51-Jährige ist seit Geburt komplett blind.
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Postpatin Elisabeth Träder liest Thomas Höllriegel die Post vor. Der 51-Jährige ist seit Geburt komplett blind.

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Wenn der Blindenbescheid per Brief kommt – Postpaten helfen

Wenn der Blindenbescheid per Brief kommt – Postpaten helfen

In München gibt es ein besonderes Projekt: Ehrenamtliche "Postpaten" helfen, wenn Menschen ihre Briefe und Postsendungen alleine nicht bewältigen können. Mittlerweile wollen auch andere Städte und Landkreise die Idee übernehmen.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 am Samstagvormittag am .

"So, da habe ich einen Brief vom Zentrum Bayern Familie und Soziales, Region Oberbayern. Du kannst dir ja vorstellen, was das sein könnte…". Elisabeth Träder ist gerade bei Thomas Höllriegel in München-Giesing. Zusammen gehen sie die Post der letzten Woche durch. Zufälligerweise ist vor ein paar Tagen der Bescheid über das angepasste Blindengeld gekommen. Die ehrenamtliche Postpatin liest nun vor, wieviel Thomas Höllriegel künftig ausgezahlt bekommt.

Der 51-jährige Münchner ist seit Geburt komplett blind und arbeitet als Systemadministrator. Im Grunde kann er fast alles selbstständig erledigen - nur eben bei der Post braucht er ein bisschen Hilfe.

Postpaten helfen beim Öffnen, Vorlesen, Sortieren und Ablegen der Post - aber nicht nur

Deshalb ist heute wieder Elisabeth Träder da: 71 Jahre alt, ehemalige Verwaltungsleiterin in einem Forschungsinstitut und jetzt Rentnerin und ehrenamtliche Postpatin. Einmal in der Woche besucht sie Thomas Höllriegel. "Also, ich habe schon acht verschiedene Klienten gehabt und bei jedem dieser Klienten ist man in einer ganz anderen Welt", erzählt sie. "Aber alle brauchen Hilfe bei der Post, weil sie sie entweder körperlich oder geistig nicht erledigen können.“

Elisabeth Träder ist eine von rund 65 Postpatinnen und Postpaten in München. Das Projekt der Stadt gibt es seit 2018. Vermittelt werden die Ehrenamtlichen dann von sozialen Einrichtungen wie dem Rotes Kreuz, der Caritas oder Diakonie. Postpaten helfen beim Öffnen, Vorlesen, Sortieren und Ablegen der Post. Aber nicht nur, erzählt Thomas Höllriegel: "Elisabeth hat mir auch geholfen bei Bedienungsanleitungen. Dann erklärt sie mir zum Beispiel auch die Knöpfe. Sie hat mir auch die Funktionsweise von Geräten erklärt und dann haben wir gemeinsam 'nen Plan erarbeitet: Wie kann ich was barrierefrei bedienen, wenn beispielsweise kein akustisches Feedback ist?". Deshalb sei es sehr "abenteuerlich", so der Klient, für was das Projekt dann genutzt werden könne.

Ein Gewinn für beide Seiten

Helfen bei der Post und bei Bedienungsleitungen – das ist bei Elisabeth Träder noch nicht alles. Da die studierte Betriebswirtin sich zufällig auch mit Vertrags- und Mietrecht auskennt und eine juristische Grundbildung hat, kann sie bei Bedarf auch noch behördliche Schreiben in eine leichtere Sprache übersetzen. Thomas Höllriegel braucht das zwar nicht, dafür aber andere – vor allem ältere – Klienten.

Das Projekt ist ein Gewinn für beide Seiten: Das ehrenamtliche Engagement macht der Rentnerin großen Spaß, schließlich hat sie auch in ihrem früheren Beruf viel mit Verwaltung und Bürokratie zu tun gehabt. Auf der anderen Seite wird durch die Hilfe den Betroffenen die Scheu vor behördlichen Schreiben genommen. Und das war ursprünglich auch die Idee hinter dem Projekt, so Münchens Sozialreferentin Dorothee Schiwy: "Ich glaube, wir alle kennen die Situation, dass uns Briefe, die wir bekommen, gerade wenn es um Behördenbriefe geht, wirklich überwältigen und man Schwierigkeiten hat, das schon als junger, agiler Mensch zu bewältigen und zu verstehen, was da eigentlich gefragt ist". Die Idee der Postpaten sei deshalb, da anzusetzen, Unterstützung zu leisten und den Leuten damit die Angst zu nehmen, so die Sozialreferentin.

Interesse an dem Projekt auch in anderen Landkreisen und Städten

Mittlerweile hat auch der Landkreis München das Postpaten-Projekt nach dem Vorbild der Stadt München eingeführt. "Wir (Beratungsstellen, Münchner Bildungswerk und Fachsteuerung) haben die Kolleginnen bei der Konzeptentwicklung unterstützt, ihnen unter anderem grundlegende Unterlagen zukommen lassen und unsere Erfahrungen mitgeteilt", so Hedwig Thomalla vom Sozialreferat München.

Außerdem habe sich letztes Jahr ein Herr aus Neustadt an der Aisch gemeldet, der ebenfalls mehr über das Projekt erfahren wollte. "Und aktuell hat die Kollegin eine Nachfrage aus Regensburg".

Blindenbund: Digitale, barrierefreie Lösungen wären hilfreich

Die ehrenamtlichen Postpaten in der Stadt München betreuen seit 2018 vor allem ältere Menschen bei dem Projekt. Bei Thomas Höllriegel liegt die Herausforderung woanders: Durch seinen Beruf kennt er sich richtig gut mit Computern und digitaler Technik aus. Dennoch stößt er durch das fehlende Augenlicht beim Bearbeiten der analogen Post regelmäßig an seine Grenzen. Und damit ist er nicht alleine.

Eine gut gemachte, digitale und barrierefreie Lösung würde hier für viele blinde Menschen Abhilfe schaffen, sagt dazu Aleksander Pavkovic vom Blinden- und Sehbehindertenbund: "Viele haben die Möglichkeit, sich am Computer oder Smartphone gedruckte Texte vorlesen zu lassen. Das Problem ist dann aber, auf Post zu reagieren, also zum Beispiel etwas handschriftlich auszufüllen oder unterschrieben zurückzusenden. Da braucht der blinde Mensch dann Assistenz."

Rechtsanspruch auf barrierefreie behördliche Briefe

Blinde Menschen haben einen Rechtsanspruch auf barrierefreie behördliche Briefe. Den aktuellen Bescheid über das Blindengeld zum Beispiel hätte sich Thomas Höllriegel auf Antrag auch in Brailleschrift oder sogar als Tonträger zuschicken lassen können.

Doch warum wird ein Bescheid über das Blindengeld eigentlich nicht automatisch auch digital verschickt, damit beeinträchtigte Menschen sich die E-Mail ohne zusätzliche App auf dem Handy vorlesen lassen oder das Schreiben unkompliziert an Helferinnen und Helfer, Freunde oder Verwandte weiterleiten können?

Das Zentrum Bayern Familie und Soziales antwortet auf BR-Anfrage: "Die Digitalisierung in unserer Landesbehörde schreitet voran, jedoch wird es noch einige Zeit dauern, bis auch das Blindengeldverfahren umgestellt wird. Da es sich im Blindengeldverfahren überwiegend um einen älteren Personenkreis handelt, welcher mit den modernen Medien nicht sehr vertraut ist, ist (zum aktuellen Zeitpunkt) die analoge Form des Schriftverkehrs dem Personenkreis anmessen."

"Ein Stück Freiheit"

Auch wenn es Möglichkeiten gibt, sich auf Antrag das Schreiben in Brailleschrift oder als Audio zukommen zu lassen: Der blinde Münchner ist dankbar, dass es das Postpaten-Projekt gibt und dass ihn seine Patin einmal in der Woche besucht. Schließlich liest sie ihm ja nicht nur behördliche Briefe vor, sondern hilft beim Ausfüllen von Fragebögen oder entziffert unleserliche Handschriften. Das können Vorlese-Apps nicht.

Und manchmal bringt Postpatin Elisabeth Träder auch einen Kaffee mit oder bleibt einfach noch ein bisschen länger zum Ratschen. "Man könnte wirklich sagen, die gute Elisabeth hat der Himmel geschickt", sagt Thomas Höllriegel. "Das ist im Endeffekt auch für mich ein Stück Freiheit. Weil ich in der Lage bin, mit Hilfe, Dinge selbst zu erledigen und es ist halt auch immer wichtig im Leben, selbstständige Entscheidungen zu treffen."

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