Symbolbild: Zollbeamte bei einer Kontrolle.
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Ein Zollbeamter aus Unterfranken wurde wegen "Verletzung des Dienstgeheimnisses " zu 90 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt (Symbolbild)

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Zollbeamter gab gesperrte Adresse an Neonazi weiter

Zollbeamter gab gesperrte Adresse an Neonazi weiter

Ein Zollbeamter aus Franken hat einem Neonazi die amtlich gesperrte Adresse eines kritischen Journalisten weitergegeben. Das zeigen BR-Recherchen. Der Beamte ist weiter im Dienst. Der Journalistenverband fordert harte Konsequenzen.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Mainfranken am .

Für Betroffene kann es gefährlich werden, wenn sensible Daten aus den Behördencomputern an Dritte geraten. So geschehen in Unterfranken. Angefangen hat alles im Januar 2021. Der freie Journalist Timo Büchner berichtete für ein Nachrichtenportal von Zeit Online über die rechtsextreme Szene im Nordosten Baden-Württembergs an der Grenze zu Bayern. Dort inszenierten sich Neonazis um die Gruppen Nord Württemberg Sturm (NWS) und Junge Revolution (JR) mit Propaganda-Aktionen. Die Kriminalpolizei des Polizeipräsidiums Heilbronn schätzt beide Gruppen als "rechtsextreme, neonationalsozialistisch geprägte" Vereinigungen ein. Das geht aus internen Unterlagen der Kripo hervor, die der Bayerische Rundfunk einsehen konnte.

  • Zum Artikel: Verfassungsschutzbericht: Hohe Zahl an Extremisten in Bayern

Nach Berichterstattung folgten Hausdurchsuchungen

Nach der Veröffentlichung des Textes von Büchner kam es zu Hausdurchsuchungen bei Neonazis, unter anderem bei Simon H. (Name geändert). Der Mitte Zwanzigjährige ist seit mehreren Jahren in der rechtsextremen Szene aktiv. Die Polizisten beschlagnahmten bei H. unter anderem dessen Mobiltelefon und werteten dieses aus. Weil der Neonazi laut Ermittlern zur Hooliganszene des Schweinfurter FC gehört, war er Mitglied einer verschlüsselten Chatgruppe des Messengeranbieters Threema. Vierzehn Mitglieder zählt die Gruppe "Green Boyz" nach BR-Recherchen. Diese wird von den Sicherheitsbehörden als "gewaltorientierte Ultrafangruppierung des 1. FC Schweinfurt" eingestuft. Das geht aus internen Unterlagen der Kriminalpolizei hervor, die der BR einsehen konnte. Neben Simon H. ist auch der unterfränkische Zollbeamte Andreas M. (Name geändert) in der Gruppe aktiv gewesen. Der Ende 20-Jährige wird von Polizeibehörden ebenfalls den "Green Boyz" zugerechnet.

Zollbeamter nutze Behördensystem zur Daten-Abfrage

Schon im September 2020 schrieb der Zöllner in der Gruppe der Green Boyz: "Ich habe gerade rausgefunden, dass ich zum Adresse abfragen nur Name und Vorname brauche, wenn er keinen Allerweltsnamen wie Meier, Müller, Schmidt hat", notierten die Ermittler. Laut den Akten fragte der Neonazi Simon H. den Zollbeamten Andreas M. in einem privaten Chat nach den Hausdurchsuchungen, ob dieser für ihn die Adresse des Journalisten Büchner aus dem Behördensystem abfragen könne. So erkundigte sich Simon H. in einem Chat mit dem Zollbeamten: "Ahoi Andreas, könntest du für mich evtl. über eine Person in Erfahrungen bringen, wenn ich dir einen Namen gebe?"

Auch Daten von verfeindetem Ultra-Anhänger weitergegeben

Der Zollbeamte antwortete: "normal schon, ja". Der Neonazi übermittelte daraufhin den Namen des Journalisten, seinen ursprünglichen Wohnort und eine frühere Adresse von Büchner. Der Beamte suchte daraufhin im Behördencomputer die aktuelle Adresse des Journalisten und das genaue Geburtsdatum heraus und gab auch diese Informationen an den Neonazi weiter. Den Akten zufolge hat der Zollbeamte auch eine weitere Adresse eines jungen Mannes aus Würzburg aus der Behördendatenbank herausgesucht und dessen Daten an Simon H. weitergeleitet. Es ist die private Anschrift eines jungen Mannes, den die Behörden als Anhänger der Ultra-Fanszene der Würzburger Kickers einstufen. Die Ultragruppierungen der Würzburger und Schweinfurter sind verfeindet.

Ermittler: Zollbeamter wusste von Gewaltbereitschaft des Neonazis

Dem Zollbeamten dürfte "die Gewaltbereitschaft des Simon H. bekannt sein", notierte die Kriminalpolizei in einem internen Bericht. Dem Neonazi wiederum war laut Ermittlungen bekannt, dass Andreas M. "Zollbeamter ist und Zugriff auf entsprechende Auskunftssysteme hat." Nach dem die Kriminalbeamten den Chatverlauf auf dem Smartphone des Neonazis fanden, leitete die Polizei ein Ermittlungsverfahren gegen Andreas M. ein und durchsuchte die Wohnung und die Dienststelle des Zolls im Landkreis Kitzingen, die zum Hauptzollamt Schweinfurt gehört und bei der Andreas M. als Beamter im mittleren Dienst tätig ist.

Zollbeamter zu Ermittlern: "Das war dumm"

Der Zollbeamte gab später in seiner Vernehmung an, er könne sich selbst nicht erklären, warum er die Adresse des Journalisten an den Neonazi weitergegeben habe: "Eigentlich wollte ich das nicht machen", sagte er laut Protokoll der Kriminalpolizei in Würzburg, die in dem Fall ermittelte. Auch diese Unterlagen konnte der BR einsehen. Es sei ihm "vermutlich um Anerkennung" gegangen, so der Zollbeamte weiter und meinte dann: "Das war dumm". Er selbst habe eine politisch neutrale Einstellung, sei "auf Seite der Regierung" und habe keine Kontakte zu rechtsextremen Gruppierungen – mit der Ausnahme des Neonazis Simon H. – den kenne er "vom Fußball".

Rechtsextremer profilierte sich mit seinem Kontakt zum Zoll

Neonazi Simon H. schwärmte zuvor innerhalb der rechtsextremen Szene von seinem Kontakt zum Zoll. Als ihn ein anderer Neonazi aus dem Raum Schwäbisch Hall fragte, ob dieser einen Polizisten kenne, der "Abfragen im System" durchführen könne, antwortete Simon H. laut den Unterlagen der Kriminalpolizei: "Nein, keinen Polizisten, aber jemanden vom Zoll, der macht das jetzt für mich".

Brisant an dem Vorgang ist zudem, dass der Journalist Timo Büchner im Bereich Rechtsextremismus recherchiert. Seine Adresse sei laut seinen Angaben auch aufgrund seiner Tätigkeiten für die Amadeu Antonio Stiftung gesperrt. Die Stiftung will die Zivilgesellschaft in Deutschland gegen Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus stärken. Das heißt, die Meldebehörden dürfen die private Wohnanschrift des Journalisten nicht an Dritte weitergeben. Nur bei einer "Gefahr für Leben, Gesundheit und persönliche Freiheit" kann man bei den Einwohnermeldeämtern eine Auskunftssperre beantragen, so steht es im Bundesmeldegesetz.

Journalist: "Vertrauen in die Sicherheitsbehörden ist gesunken"

Ein "einschneidendes Erlebnis" nennt der Journalist Büchner den Vorfall, der sich anfangs dazu nicht äußern wollte. Im ersten Moment sei er entsetzt gewesen, sagte er auf BR-Anfrage. Später wurde ihm klar: "Das ist schockierend, aber kein Einzelfall. Die Sicherheitsbehörden, offenbar auch der Zoll, haben ein Problem. Ich erinnere an den 'NSU 2.0' und an rassistische, NS-verherrlichende Polizeichats", sagte er im Gespräch mit dem BR. Obwohl er sich "weitestgehend sicher" fühle, sei sein "Vertrauen in Sicherheitsbehörden leider gesunken".

Eigentlich sollte es Mitte Juni dieses Jahres zum öffentlichen Prozess gegen Andreas M. vor dem Amtsgericht Kitzingen kommen. Weil der Zollbeamte Andreas M. jedoch einen Strafbefehl akzeptierte, wurde der Prozess abgesagt. "Wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses in zwei tatmehrheitlichen Fällen" ist der Beamte zu 90 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden. Das bestätigte die Staatsanwaltschaft Würzburg dem Bayerischen Rundfunk auf Anfrage. Damit entging der Ende Zwanzigjährige nur knapp einer Vorstrafe. "Wenn ein Zollbeamter zum Handlanger eines militanten Neonazis wird, sind deutliche Konsequenzen gefordert", kommentierte Büchner das Urteil. Deutliche Konsequenzen seien ihm zufolge ausgeblieben. "Das Urteil ist ein Skandal, ein handfester Justizskandal", stellt der Journalist fassungslos fest. Der Anwalt des Zollbeamten reagierte auf mehrere Anfragen des BR nicht – der Zollbeamte verwies im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk allerdings auf seinen Anwalt und wollte sich nicht äußern.

Kontrollmechanismus soll illegale Datenabfragen verhindern

Wenn Beamte aus dem Bereich der Sicherheitsbehörden nicht-gesperrte und gesperrte Adressen an militante Neonazis weitergeben und damit das Dienstgeheimnis nicht wahren, dann liegt der Fehler offenbar im System. Denn solche Vorgänge sind keine Einzelfälle. In Hessen beispielsweise wurde laut Frankfurter Rundschau nach einem Konzert der Schlagersängerin Helene Fischer deren private Wohnadresse mehr als achtzig Mal im Polizeicomputer abgefragt. Daraufhin zog der Landespolizeipräsident Konsequenzen. Nun muss in Hessen bei jeder 200. Abfrage des Polizeiauskunftssystems der Grund für die Abfrage eingetragen werden.

Auch beim Zoll gibt es laut eigenen Angaben Kontrollmechanismen. Sobald derartige schutzwürdige Daten über die zollinternen Informationssysteme abgerufen werden, müssen die Beamten laut Zoll "regelmäßig Grund und/oder Zweck der Abfrage zu dokumentieren". Die Angaben würden regelmäßig durch den zuständigen Datenschutzbeauftragten geprüft.

Konsequenzen: Von Disziplinarverfahren bis zur Kündigung

Doch wie will der Zoll den Missbrauch von Dienstgeheimnissen in Zukunft verhindern? Das Hauptzollamt Schweinfurt will sich zum konkreten Fall nicht äußern. Generell werde laut Hauptzollamt bei nachgewiesenen Dienstpflichtverletzungen ein Disziplinarverfahren gegen den Beamten eröffnet. Je nach Schwere des Dienstvergehens könnten Disziplinarmaßnahmen von einer Geldbuße, über eine Kürzung der Dienstbezüge bis zur Entlassung aus dem Beamtenverhältnis reichen. Der Zollbeamte Andreas M. ist nach BR-Informationen weiter im Dienst.

Der Bayerische Journalistenverband (BJV) ist wegen des Falls alarmiert. "Gewaltbereite Rechtsextreme bedrohen regelmäßig Journalisten, die über deren Szene recherchieren", teilte BJV-Geschäftsführer Dennis Amour auf Anfrage mit.

Journalistenverband fordert weitere Sicherheitsmaßnahmen

Wer die Privatadresse von Journalisten an Neonazis weitergebe, begehe keine Bagatelle: "Er gefährdet die Arbeit und Gesundheit von Reportern oder zwingt sie zum Umzug", so Amour. Eine Auskunftssperre beim Einwohnermeldeamt soll einen höheren Schutz für Personen gewährleisten, die Gefahren ausgesetzt sind. "Wenn allerdings Zollbeamte ihre Privilegien nutzen, um illegal Journalisten-Daten an Neonazis weiterzugeben, zerstören sie damit das Vertrauen in den Staat", meint Amour und fordert: "So jemand sollte nicht mehr in einer Position arbeiten dürfen, die Zugriff auf Meldedaten erlaubt. Es muss allen Beamten klar sein, dass in einem solchen Fall ernsthafte Konsequenzen drohen."

Der BJV fordert daher weitere Sicherheitsmechanismen: "So könnte es zum Beispiel ein Vier-Augen-Prinzip oder eine Autorisierung durch Vorgesetzte bei der Abfrage der Adressdaten von besonders gefährdeten Personen geben." Dadurch könnte ein einzelner Beamter keinen größeren Schaden für Betroffene anrichten, meint Amour.

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