Hofeinfahrt der ehemaligen Niederlassung der Zwölf Stämme in Klosterzimmern.
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Zwölf-Stämme-Kind: Was den Fall für die Justiz schwierig macht

Zwölf-Stämme-Kind: Was den Fall für die Justiz schwierig macht

Seit Mitte Oktober 2021 ist ein elfjähriges Mädchen aus Holzheim verschwunden. Seine Eltern gehören der Glaubensgemeinschaft "Zwölf Stämme" an. Die Behörden gehen davon aus, dass die Familie in Tschechien lebt. Und das macht die Sache kompliziert.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Schwaben am .

Wo sie wirklich sind, ist nicht bekannt. Die Behörden gehen davon aus, dass die vermisste Elfjährige bei ihren leiblichen Eltern ist und die Familie in einer Niederlassung der "Zwölf Stämme" in Tschechien lebt. Und das erschwert das Einschreiten der deutschen Behörden.

Dass das Mädchen bei ihren Eltern sei, teilten Mitglieder der Glaubensgemeinschaft bereits wenige Stunden nach dem Verschwinden des Kindes per Mail mit. Ihr Anwalt hat außerdem angegeben, die Familie würde in Tschechien leben. Ob er gegen die Entscheidung des Familiengerichts Beschwerde einlegt, steht nach Angaben der Kanzlei noch nicht fest.

Antrag der Eltern auf Sorgerecht abgelehnt

Das Gericht hatte den Antrag der Eltern abgelehnt: Sie wollten das Sorgerecht für ihre Tochter zurück. Der zuständige Familienrichter in Dillingen begründete seine Ablehnung damit, dass die Eltern sich nicht von den in Deutschland verbotenen Erziehungsmethoden der "Zwölf Stämme", wie etwa Schläge, distanziert hätten.

Eigentlich, so der Richter, hätte er von dem Mädchen persönlich hören wollen, was sein eigener Wille ist. Weil die Eltern jedoch nicht vor Gericht erschienen waren, war eine Anhörung nicht möglich. Deshalb musste der Richter seine Entscheidung in Abwesenheit der Betroffenen treffen.

Tschechisches Gericht entscheidet über Rückführung des Kindes

Unterdessen beschäftigt sich auch ein Gericht in Tschechien mit dem Fall: Die Zuständigkeit der deutschen Behörden endet nämlich an der deutschen Grenze. Aus diesem Grund hat das Dillinger Jugendamt bereits kurz nach dem Verschwinden des Mädchens einen Antrag auf ein Rückführungsverfahren beim Bundesamt für Justiz eingeleitet.

Mit dem beschäftigt sich jetzt ein tschechisches Gericht. Das muss zunächst feststellen, ob die Familie auch wirklich in seinem Zuständigkeitsbereich gemeldet ist. Wenn das der Fall ist, wird das Gericht in Tschechien über die Rückführung entscheiden. Noch hat das Dillinger Jugendamt keine Rückmeldung bekommen.

Ohne rechtmäßigen Beschluss keine Handhabe der Behörden

Wenn das Gericht in Tschechien der Rückführung des Mädchens zustimmt, dann gäbe es einen rechtmäßigen Beschluss und die Behörden wären befugt, das Kind wieder nach Deutschland zu bringen. Nur so, sagt ein Sprecher des Dillinger Landratsamts, könne man auch die "Herausgabe" des Kindes fordern.

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Eltern

Unterdessen gibt es in der Sache noch eine dritte Komponente: Nach den Eltern des Mädchens wird europaweit gefahndet und zwar wegen des Verdachts der Kindesentziehung. Diese Fahndung wird laut Polizei weiter aufrechterhalten. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die leiblichen Eltern ihre Tochter im Oktober 2021 einfach mitgenommen haben.

Ihnen war das Sorgerecht bereits vor acht Jahren größtenteils entzogen worden. Damals wohnte die Familie mit anderen Mitgliedern der Glaubensgemeinschaft "Zwölf Stämme" in Klosterzimmern im Landkreis Donau-Ries. Wegen Prügelvorwürfen wurden im Jahr 2013 etwa 40 Kinder vom Jugendamt in Obhut genommen und kamen zu Pflegeeltern oder in Kinderheime.

Die Mitglieder der urchristlichen Glaubensgemeinschaft verließen in den folgenden Jahren sowohl Klosterzimmern als auch Deutschland. Viele von ihnen leben in Tschechien. Dort dürfen Eltern ihre Kinder zu Hause unterrichten. Auch das Schlagen von Kindern ist nicht grundsätzlich untersagt.

Bruder des Mädchens durfte zurück zu den Eltern

Die meisten Kinder sind unterdessen wieder zurück bei ihren leiblichen Eltern: Entweder, weil sie volljährig wurden, oder weil sie die Gerichte davon überzeugen konnten, dass das ihr ausdrücklicher Wille sei. So auch der Bruder des vermissten elfjährigen Mädchens aus Holzheim. Er war aus einer Jugendhilfeeinrichtung weggelaufen.

Wenig später meldeten sich die Eltern beim Jugendamt, ihr Sohn sei bei ihnen. Er war damals allerdings schon älter. Grundsätzlich sollen die Kinder bei den "Zwölf Stämmen" nach ihrem dreizehnten Lebensjahr nicht mehr geschlagen werden. Das vermisste Mädchen ist aber erst elf Jahre alt. Deshalb hatte auch der Richter am Amtsgericht Dillingen den Antrag der Eltern auf Rückübertragung des Sorgerechts abgelehnt.

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