Radio Salzburg, ORF-Verkehrsfunk: Kein "guter Morgen" nach einem langen Wochenende. Die Musik treibt den hellwachen Früh-Moderator zu steilen Thesen zum Thema des Tages. drei Stunden Stau diesmal, auf der Tauernautobahn – "nicht die große Überraschung", bläst er ins Mikro, "wirklich Stillstand", aber, nicht nur die Urlauber seien schuld, sondern auch die "verschärften deutschen Grenzkontrollen".
Es brauchte ein langes Ausflugswochenende also, um endlich mit dem Finger auf die "Piefkes", die Deutschen, zeigen zu können: Kilometerlange Grenz-Staus, auch wegen Alexander Dobrindts neuer "Aktion scharf" – so nennen sie das in Österreich, wenn schärfer kontrolliert wird.
Faktencheck und Wahlversprechen
Es geht um Zahlen. Es geht um Wahlversprechen. Es geht um einen neuen Bundesinnenminister, der Tat- und Schlagkraft demonstrieren will. Schon nach einer Woche im Berliner Amt ein erstes Heimspiel, am Grenzübergang Kiefersfelden, Oberbayern, nahe dem eigenen Wahlkreis. Alexander Dobrindt (CSU) meldet satte 45 Prozent mehr Zurückweisungen an den Grenzen, nicht nur zu Österreich.
"739 Versuche illegaler Einreise" wurden "zurückgewiesen", zählt er auf. Meistens fehlten nötige Visa, Pässe waren abgelaufen, Dokumente nicht mehr gültig. Asylbewerber? Waren auch dabei: 32 wurden zurückgeschickt, oft nur bis zur nächsten Bushaltestelle. 19 durften weiter nach Deutschland: Schwangere, Kinder, Kranke – besonders Schutzbedürftige, "vulnerable Gruppen", wie Dobrindt die Ausnahmen angekündigt hatte.
Kontrollen wie bisher?
Staus, Stillstand vor den Grenzkontrollposten? Gab’s in den ersten Wochen kaum, melden österreichische Medien aufmerksam, nicht viel mehr Probleme als sonst auch. Eigene Stichproben bestätigen das: Gelangweilt durchwinkende Bundespolizistinnen nach der Innbrücke bei Braunau. Autos mit Balkankennzeichen und Kleintransporter wurden auch schon vor Dobrindts Amtsübernahme rausgewunken.
Und in den Zügen zwischen Freilassing und Rosenheim? Auch wenn die Bundespolizisten, die durch die Waggons gingen, in der ersten Woche wirklich jeden Ausweis überprüften, in Woche drei nach der neuen Dobrindt-Verordnung blieb es bereits wieder bei Stichproben – wie zuvor.
Seit 2015 wird an den deutschen Grenzen zu Österreich bereits kontrolliert. Die neue "Aktion scharf" deshalb eine "lächerliche, kostspielige Kraftmeierei", so jedenfalls lässt sich Lukas Gahleitner-Gerz zitieren, Sprecher der Asylkoordination Österreich, die den abgewiesenen Asylsuchenden gerne helfen möchte, aber: Es kommt niemand. Es gebe keine "Anlassfälle", sagt er.
Parteienfamilie statt scharfer Worte
Verflogen auch die scharfen Worte des österreichischen Innenministers Gerhard Karner (ÖVP), man werde rechtswidrige Zurückweisungen der Deutschen nicht dulden. Stattdessen beim Antrittsbesuch des deutschen Amtskollegen aus dem Nachbarland Bayern die trockene Bemerkung, mit der Karner nicht mal was zurücknehmen muss: "Es gibt überhaupt keine Indizien dafür, dass es illegale Zurückweisungen gegeben hätte."
Die beiden Innenminister demonstrieren engsten Schulterschluss. Sie sind ja auch Parteienfamilie, sowohl CSU als auch ÖVP gehören zur EVP, der Europäischen Volkspartei. Deren Vorsitzender: Manfred Weber (CSU). Neue Bündnisse formieren sich da, seit Österreich und Deutschland neue Regierungen haben, eine neue deutsch-österreichische Freundschaft.
Mit der fast wortgleichen Begründung, mit der Deutschland die Zurückweisungen rechtfertigt, will Österreich den Familiennachzug stoppen. Deutschland wie Österreich seien überfordert durch Migration, bei der Unterbringung der Menschen, bei der Integrationsfähigkeit in Kitas, Schulen und Gesundheitswesen.
Ein neues, magisches Kraftdreieck
Österreichs neuer Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) zeichnet im Gespräch mit der Wiener Auslandspresse das Bild eines neuen magischen Kraftdreiecks, mit dem er die Migrationspolitik auch auf EU-Ebene verschärfen will, die Regeln möglichst so ändern, dass es keine "Notverordnungen" mehr braucht, die dann nicht nur von deutschen Amtsgerichten ausgehebelt werden können. Die beiden Innenminister, der Österreicher Karner und der Deutsche Dobrindt sollen es bewegen, gemeinsam mit dem EU-Migrationskommissar Parteifreund Magnus Brunner von der ÖVP.
Rund vier Wochen "Aktion scharf": Die Bilanz
Rund vier Wochen "Aktion scharf", das sind die Zahlen des deutschen Innenministers, für den Zeitraum 8. Mai bis 4. Juni: Insgesamt wurden inzwischen 3.278 Personen zurückgewiesen, an allen deutschen Außengrenzen. Eine Tendenz aber blieb: Nur ein Bruchteil suchte Asyl und wurde trotzdem abgewiesen: 160. 46 Asylsuchende wurden durchgelassen. Die bekannten Ausnahmen, besonders Schutzbedürftige. Erwähnenswert eher der "Beifang", 139 Schleuser wurden festgenommen bei den verschärften Kontrollen.
Dieser Artikel ist erstmals am 8. Juni 2025 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel aktualisiert und erneut publiziert.
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