Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales, Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, und Lisa Paus (Grüne), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
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Familienministerin Paus (r.) veranschlagt zwölf Milliarden Euro. Finanzminister Lindner (m.) verfolgt aber einen strikten Haushaltskurs (Archiv)

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Ampel-Koalition: Krach über Kosten der Kindergrundsicherung

Ampel-Koalition: Krach über Kosten der Kindergrundsicherung

Die Grünen halten an ihrem Herzensprojekt, der Kindergrundsicherung fest – die FDP mit Finanzminister Lindner ist skeptisch: Statt zwölf Milliarden soll das Familienministerium dafür nur zwei Milliarden Euro erhalten. Es knirscht in der Regierung.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 1 am Nachmittag am .

Es galt als das zentrale sozialpolitische Vorzeigeprojekt der Ampel: die Kindergrundsicherung. Leistungen für Familien sollen damit gebündelt und unbürokratischer werden, um die Kinderarmut im Land zu senken. Nur: Die Kindergrundsicherung avanciert zu einem Gesetzesvorhaben der Ampel-Regierung, bei denen die Interessen der Parteien auseinandergehen. Im Mittelpunkt der Debatte: die Finanzierung – der Streit zwischen FDP und Grüne.

  • Zum Artikel: "Kindergrundsicherung: Wie werden Familien bisher gefördert?"

Haushaltsplan: Vorerst zwei statt zwölf Milliarden Euro für Kindergrundsicherung

Familienministerin Lisa Paus (Grüne) veranschlagte für ihr Herzensprojekt zwölf Milliarden Euro. Aus dem Finanzministerium heißt es, dass die Kindergrundsicherung als "Merkposten" – also als Platzhalter – mit zwei Milliarden Euro ab 2025 jährlich im Haushaltsplan vorgesehen ist. Das heißt: Es könnte noch mehr Geld für die Kindergrundsicherung geben, muss es aber nicht – nichts ist in Stein gemeißelt.

Grüne: "Investition in Zukunftsfähigkeit unseres Landes"

Innerhalb der Regierung wird gerungen, es knirscht: Wie es von den Grünen heißt, laufen die Verhandlungen zur Kindergrundsicherung. "Die Gespräche laufen intensiv unter der Federführung des Bundeskanzlers", so Andreas Audretsch, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen, auf BR24-Anfrage. Für die Grünen sei nicht hinnehmbar, dass jedes fünfte Kind in Deutschland in Armut aufwachse. "Die Kindergrundsicherung ist für ein gutes Aufwachsen und gute Bildungsmöglichkeiten von zentraler Bedeutung. Sie ist eine Investition in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes", so Audretsch weiter.

Unterstützung erhalten die Grünen von der Opposition: Für die Bundesparteivorsitzende der Linken, Janine Wissler, opfere Lindner das wichtigste sozialpolitische Vorhaben der Ampel-Regierung. Für Wissler habe die FDP kein Herz für Kinder. Sie bezeichnete den Finanzstreit um die Kindergrundsicherung als "würdeloses Geschacher um die Grundsicherung, die benachteiligte Kinder mehr Teilhabe ermöglichen sollte".

FDP: Kritik an intransparenter Summe für Kindergrundsicherung

Bijan Djir-Sarai, FDP-Generalsekretär, kritisiert hingegen die von Paus veranschlagte Summe von zwölf Milliarden Euro für die Kindergrundsicherung: "Wir haben sie damals darum gebeten zu erklären, wofür die zwölf Milliarden Euro sind. Bis zum heutigen Tag konnte sie eine Erklärung dafür nicht geben." Unstrittig sei hingegen die grundsätzliche Einführung der Kindergrundsicherung, "eine Verwaltungsreform vorzunehmen", wie der FDP-Generalsekretär es bezeichnete. Das habe sich die Koalition als Ziel genommen – nur die Finanzierung sei noch nicht finalisiert.

Strikter Haushaltskurs: Sparen und priorisieren

Generell verfolgt Finanzminister Christian Lindner (FDP) einen strikten Haushaltskurs: Nach teuren Jahren bedingt durch die Corona-Pandemie und der Energiekrise, will er wieder zur "finanzpolitischen Normalität" zurückkehren. Steuern sollten dabei nicht erhöht, die Schuldenbremse eingehalten werden. Das bedeutet aber auch: sparen – und zwar in allen Ressorts. Außerdem: Prioritäten setzen. In den nächsten Jahren werden die Bereiche Verteidigung, Digitalisierung und Klimaschutz priorisiert.

Steht der Bundeshaushalt auf der Kippe?

Fraglich ist, ob der Bundeshaushaltsplan für 2024 diesen Mittwoch im Kabinett verabschiedet wird. Denn: Wie es aus Grünen-Kreisen heißt, wollen die Ministerinnen und Minister von den grün-geführten Ressorts dem Haushaltsplan nicht zustimmen, sollte die Kindergrundsicherung nicht geklärt werden.

Für den Haushalt 2024 ist die Kindergrundsicherung zwar noch kein Thema, weil sie erst 2025 ausbezahlt werden soll. Jedoch müsste das Geld dafür in der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes berücksichtigt werden. Diese Planung soll ebenfalls am Mittwoch vom Kabinett beschlossen werden.

Bundeskanzler Scholz: Einigung bis Ende der Sommerpause

Sollte am Plan festgehalten werden, die Kindergrundsicherung 2025 einzuführen, drängt die Zeit aber schon jetzt: Vor allem die Grünen wollen die Zusicherung, dass das Projekt kommt, um den genauen Gesetzentwurf zu formulieren. Hinzu kommt: Die Familienkassen der Bundesagentur für Arbeit sollen die neuen Leistungen der Kindergrundsicherung auszahlen – und müssten sich darauf vorbereiten.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich im ARD-Sommerinterview optimistisch: Eine Einigung über die Kindergrundsicherung erwarte er bis zum Ende der Sommerpause. Als Sozialdemokrat dürfte Scholz die Kindergrundsicherung wichtig sein – doch er wird auch Lindner bei der Einhaltung der Haushaltsregeln unterstützen.

Klar ist: Die Einführung der Kindergrundsicherung ist die gemeinsame Vereinbarung und das Ziel aller Ampel-Parteien, festgehalten im Koalitionsvertrag. Das Projekt steht nicht grundsätzlich auf der Kippe – aktuell wird um die Finanzierung gerungen.

Im Video: Ulrike Scharf im Interview

Bayern lehnt das Konzept der Kindergrundsicherung ab.
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Bayern lehnt das Konzept der Kindergrundsicherung ab.

💡 Was ist Kindergrundsicherung?

Mit der Kindergrundsicherung sollen Kindergeld, Kinderzuschlag sowie Bürgergeld für Kinder und Teile des Bildungs- und Teilhabepakets zu einer einheitlichen Leistung zusammengefasst werden.

Geplant wird eine Auszahlung in zwei Komponenten: Ein Teil soll für jedes Kind garantiert gleich hoch sein (rund 250 Euro), der zweite Teil wird nach dem Einkommen der Eltern gestaffelt. So sollen vor allem einkommensschwache Familien unterstützt werden. Zudem sollen Familien die Kindergrundsicherung möglichst einfach und unbürokratisch über ein digitales Kindergrundsicherungsportal beantragen und erhalten können. Bisher müssen sich Familien mit Kindern durch einen Bürokratie-Dschungel aus verschiedenen Angeboten und Behörden durchschlagen, um Zuschüsse für ihre Kinder zu erhalten. Bürokratische Hürden sowie Unkenntnis über Zuschüsse führe nach Familienministerin Paus zu verdeckter Armut.

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