dpatopbilder - 13.02.2023, Berlin: Kai Wegner (CDU, r), Spitzenkandidat seiner Partei bei der Berliner Wahl zum Abgeordnetenhaus, und Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender, stehen am Tag nach der Wahl im Konrad-Adenauer-Haus bei einer Pressekonferenz auf dem Podium. Foto: Axel Heimken/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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In Berlin eine Protestpartei: 50 Prozent wählten die CDU allein "aus Enttäuschung".

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Berlin nach der Wiederholungswahl: Keine Gewissheit, nirgends

Berlin nach der Wiederholungswahl: Keine Gewissheit, nirgends

Die CDU wird Protestpartei, die SPD abgestraft und die FDP fliegt aus dem Abgeordnetenhaus: Nach der Wahl ist die Lage unübersichtlich. Das dürfte auch in der Bundesregierung spürbar werden. Eine Analyse.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Protestwähler – bisher war diese wütende Spezies für die CDU vor allem Grund zum Gruseln: CDU-Wähler geben aus Frust zum Beispiel der AfD ihre Stimme. Und zwar nicht, weil sie Programm oder Kandidat besser finden, sondern einfach nur zum Denkzettelverpassen. In Berlin, der Stadt, in der oft andere Gesetzmäßigkeiten gelten als im Rest der Republik, wird die CDU selbst zur Protestpartei.

Merz: CDU kann Großstadt

Der große Gewinner dieses Protests heißt Kai Wegner, 50 Jahre alt, Versicherungskaufmann. Wer Wegner charakterisiert, landet irgendwo zwischen Zurückhaltung und Nüchternheit. Kritiker werfen ihm fehlendes Charisma vor. Am Montagmittag steht ein nach der ersten Berlinwahlniederlage 2021 in der CDU viel belächelter Wegner als Sieger im Konrad-Adenauer-Haus. Er lächelt. Neben ihm CDU-Parteichef Friedrich Merz der ausführlich betont, wie eng Wegner den Wahlkampf mit seiner Bundespartei abgestimmt hätte. Merz freut sich sichtbar, mal nicht nur anzuprangern, was die Ampel-Koalition falsch, sondern was die CDU richtig gemacht hat: "Die CDU hat gestern gezeigt, dass sie Großstadt kann."

  • Zum Artikel: CDU gewinnt Berlin-Wahl - SPD nur 105 Stimmen vor den Grünen

50 Prozent wählten die CDU allein "aus Enttäuschung"

Immer wieder kommt Merz auf diesen Satz zurück. Einzig er steht auf tönernen Füßen, denn so richtig Zutrauen haben die Berliner auch nicht in die CDU: 52 Prozent glauben in infratest-Befragungen, dass auch diese Partei die Probleme der Stadt nicht lösen kann. Nur 20 Prozent der Berliner halten Wegner für überzeugend. Viel weniger als Franziska Giffey von der SPD (38 Prozent). 50 Prozent wählten die CDU allein "aus Enttäuschung". Zum Vergleich: Bei der protestwahlaffinen AfD waren es nur 47 Prozent. Und die Wahlkarte der Großstadt zeigt sich in der Mitte überwiegend grün, mit schwarzem Gürtel drumherum.

FDP: Fünf Niederlagen in Folge

Mit dem zahlenmäßig großen Erfolg der CDU (28 Prozent, +10 Prozentpunkte) ist der große Misserfolg der FDP direkt verbunden. In der Zentrale der Bundespartei steht am Morgen ein übernächtigter, zerknirscht wirkender FDP-Spitzenkandidat Sebastian Czaja. Es habe eine Wechselstimmung in der Stadt gegeben, sagt Czaja, aber die Berliner FDP habe davon nicht profitieren können. Neben ihm steht FDP-Chef Christian Lindner. Er wirkt beinahe gleichgültig. Vielleicht ist es die Gewöhnung an Wahlniederlagen: Seit 2022 ist es nun die fünfte bei Landtagswahlen. Die FDP flog aus zwei Landtagen und zwei Regierungen und ist bundesweit nur noch an zwei Regierungen beteiligt: in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt.

Lindner will an Strategie festhalten…

Den Spitzenkandidaten sieht Lindner dafür nicht in der Verantwortung, sondern die "Konstellation", wie er sagt. Gemeint ist auch die FDP in der Ampel-Koalition im Bund. Aus Lindners Sicht hat die zwar eine "klare Strategie", die habe sich aber bei der Berlin-Wahl noch nicht ausgezahlt. Sehr ähnlich hörte sich seine Begründung an, um die verlorene Niedersachsenwahl im Oktober zu erklären. Die große Frage ist an diesem Montag wieder einmal: Haut die FDP jetzt auf den Putz, um ihr Profil im Bund zu schärfen? Um in den drei Landtags- und Bürgerschaftswahlen in diesem Jahr in Bremen, Bayern und Hessen zu reüssieren. Lindner sagt: "Wir halten an der bisherigen Strategie fest."

...und liberale Kernanliegen umsetzen

Aber dass es so einfach nicht ist, zeigt sich, als Lindner über Lehren aus der Berlin-Wahl redet: Die hätte gezeigt, dass eine Politik "gegen das Auto" offensichtlich "nicht im Interesse der Menschen" sei. Im Bund gibt es nach wie vor Streit mit den Grünen über die Planungsbeschleunigung: Soll die nur für Windkraftausbau oder auch für Autobahnneubau gelten? Linderns FDP wird offensichtlich bei den Autobahnen nicht nachgeben. Und auch Lindners Punkt, dass sich viele Menschen ihre Beobachtungen misslungener Integration nicht mit "politisch korrekten Argumenten" ausreden lassen wollten, könnte in Sachen Migration für Ampel-Diskussionen sorgen.

SPD-Chefin: Zwischen Bedauern und Warnung

Bei der SPD sorgen diese Aussagen für eine Mischung aus Mitleid und Besorgnis. Parteichefin Saskia Esken kann verstehen, dass die Niederlage bei der FDP "zu Schmerzen" führt. Sie habe sich gewünscht, dass der FDP der Einzug gelinge. Allerdings: "Ständig nach Profil, Profil zu rufen wird nicht helfen." Es gehe vor allem um die verantwortungsvolle Zusammenarbeit für das Wohl des Landes, sagte sie.

Zum Wahlergebnis in Berlin sagt Esken, das Wahlergebnis zeige, dass die Wähler "sich Verbesserungen und Veränderungen" wünschten. Darüber werde es nun Gespräche geben, die auf Seiten der SPD von Franziska Giffey geführt würden. Das kann man als Unterstützung für die Noch-Regierende-Bürgermeistern werten, auf die nun harte Tage zukommen könnten. Giffey will die Koalition aus SPD, Grünen, Linken fortsetzen. Auch wenn das den Wahlgewinner CDU ausschließen würde. Den eigenen Führungsanspruch hatte sie dabei bekräftigt. Dabei wurde sie in ihrem eigenen Wahlkreis nicht wiedergewählt und SPD und Grüne liegen fast gleichauf bei 18,4 Prozent. Die SPD hat einen kaum messbaren Vorsprung von 105 Stimmen gegenüber den Grünen.

Grüne: Keine Anzeichen auf Entspannung im Bund

Die Grünen geben sich entspannt. Ihre Verluste bei der Wahl hielten sich in Grenzen, nun werde mit allen Parteien gesprochen, sagt Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch. Aber am liebsten würde sie mit SPD und Linken weiterregieren. Die gebürtige Augsburgerin, die zum Studium nach Berlin gekommen war, erhebt keinen Anspruch selbst die Regierung zu führen. Der Blick von Parteichefin Ricarda Lang, die neben Jarasch steht, geht Richtung Koalitionspartner im Bund. Die Fragen in der Verkehrs- und Migrationspolitik müssten nun gemeinsam gelöst werden. Und wohl Richtung FDP gewandt: "Wir werden unsere Arbeit innerhalb der Bundesregierung nicht von Landtagswahlergebnissen abhängig machen, sondern von den Herausforderungen, vor denen dieses Land steht." Auch das spricht nicht für ein schnelles Ende des Streits auf Bundesebene.

Merz poltert, Wegner gibt sich konziliant

In der CDU-Zentrale erpoltert Parteichef Merz seiner Partei den Regierungsanspruch in Berlin: "Der jetzige Senat mag noch über eine rechnerische Mehrheit im Abgeordnetenhaus verfügen, politisch hat er die Mehrheit gestern verspielt." Kai Wegner gibt sich dagegen konziliant: Wegner hebt seine Kompromissbereitschaft hervor und die Vorteile eines Zweierbündnisses, einer einfacheren Regierungsform, die sich viele in Berlin gar nicht mehr vorstellen könnten. Möglich wären Schwarz-Grün oder Schwarz-Rot. Noch am Montagabend will Wegner die Sondierungseinladungen an SPD und Grüne verschicken. Berlin-Kenner rechnen jedoch nicht mit einer schnellen Regierungsbildung.

Wie geht es jetzt weiter in Berlin? CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner ist jedenfalls fest entschlossen, eine neue Koalition zu schmieden.
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Wie geht es jetzt weiter in Berlin? CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner ist jedenfalls fest entschlossen, eine neue Koalition zu schmieden.

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