Ünsal Arık vor einigen seiner Gürtel
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Ünsal Arık kämpft im Ring – und gegen Erdogan

Ünsal Arık kämpft im Ring – und gegen Erdogan

Der in Parsberg geborene Boxer Ünsal Arık teilt gerne aus – auch gegen den türkischen Präsidenten Erdogan. Dafür wird er gefeiert und gehasst. Kurz vor der Wahl in der Türkei erhebt er wieder seine Stimme. Und zahlt dafür einen hohen Preis.

Im Wohnzimmer von Ünsal Arık läuft der kemalistische, türkische Fernsehsender Halk TV. Seit dem schweren Erdbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion mit mindestens 50.000 Toten schaut der gebürtige Parsberger Boxer ständig türkische Nachrichten. Die vielen Opfer, die unglaubliche Zerstörung erschüttern ihn. Und die Berichte über die verschwundene und falsch eingesetzte Erdbebensteuer und zu späte Hilfe im Katastrophengebiet machen ihn wütend.

Um den Überlebenden zu helfen, verkauft der 42-Jährige, der für die Türkei boxt, seine Gürtel für je 5.000 Euro. Darunter sind auch Gürtel der Weltverbände IBF und WBC. "Die Leute brauchen immer noch Hilfe, auch wenn kaum mehr darüber gesprochen wird", sagt der Profiboxer in Berlin im Gespräch mit BR24. Den Erlös spendet er an die nichtstaatliche, gemeinnützige Hilfsorganisation Ahbap.

In der Türkei laufen 26 Verfahren gegen Ünsal Arık

Im Fernsehen läuft inzwischen eine Diskussionsrunde über die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 14. Mai. Hat die Opposition eine Chance gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan? Arık hofft, dass die Ära Erdogan nach zwei Jahrzehnten bald zu Ende ist.

Seit Jahren nennt er Erdogan einen "Diktator" und "Hitler 2.0". Er kann deshalb nicht mehr in die Türkei reisen. Nach seinen Angaben laufen derzeit 26 Verfahren gegen ihn, unter anderem wegen eines vor Jahren auf Youtube veröffentlichten Rap-Videos mit dem Titel "Ben seni yok edeceğim" – was soviel heißt wie "Ich werde Dich zerstören". In dem Video stupst Arık im Ring einen Papp-Erdogan um, nennt ihn einen "Dieb" und "Feind der Republik", dem er "ein Grab schaufeln" werde. "Das ist die heikelste Anklage, bei einer Verurteilung gibt es zwischen fünf und 15 Jahren Haft", erzählt er. "Wenn Erdogan die Wahl gewinnen sollte, dann ist die Türkei für mich für immer zu. Es zerreißt mich, dass ich nicht einreisen kann. Ich kann das Grab meiner Mutter nicht besuchen."

Arık wird gelobt, aber auch bedroht

Für seine lautstarke Kritik wird Arık, der einen türkischen und einen deutschen Pass hat, gefeiert und gehasst. "Wir sind stolz auf Dich" und "Du bist unser Mann", schreiben die Fans des Boxers unter seinen Posts. Seine Gegner beschimpfen ihn dagegen als "Landesverräter" und "Hurensohn". Für seine offene Kritik zahlt der Sportler einen hohen Preis: Er wurde - wie er erzählt - schon in der Nähe seiner Wohnung mit einem Messer angegriffen und verletzt. An seinem Auto hing ein Umschlag mit Patronenhülsen. Seine Autoreifen wurden zerstochen.

Zeitweise stand er unter Polizeischutz. Arık: "Wenn ich auf die Straße gehe, habe ich überall meine Augen. Manche Menschen sind bereit, für Erdogan zu sterben und auch zu töten. Ich will noch ein bisschen länger leben und mich für gute Sachen einsetzen." Zu Auftritten geht er inzwischen nur noch mit Security.

"Dieses Land gehört Atatürk, nicht Tayyip"

Trotz der Angriffe und Drohungen tritt er weiter selbstbewusst und lautstark auf, teilt in Talkshows gegen Erdogan und "dumme" Türken aus und trägt bei Boxkämpfen T-Shirts mit Aufschriften wie "Dieses Land gehört Atatürk, nicht Tayyip" (Erdogan) oder "Wer die Wahrheit kennt, kennt auch die Lüge".

Nun hat er eine Biografie mit dem Titel "Alman vs. Kanake – Der Kampf gegen Deutsche, Türken und mich selbst" veröffentlicht. Darin kritisiert er auch die Deutschen. "Wir wurden hier immer zweitklassig behandelt", sagt er. Während seiner Schulzeit in der Oberpfalz sei er von Lehrern beleidigt worden. Auch bei der Wohnungs- und Jobsuche hätten er und seine Freunde immer schlechtere Chancen gehabt. "Briefe mit türkischen Namen landen erst mal auf der Seite. Und ich konnte auch nie mit türkischen Freunden in die Disko gehen. Keine Chance. Du musstest immer einen Helmut oder einen Tobias mitnehmen. Da hat sich nicht viel geändert, solche Diskriminierungen gibt es immer noch", sagt Arık. Er schaut müde aus.

In der Türkei der "Alman", in Deutschland der "Scheißtürke"

Er erzählt von Rassismus, Beleidigungen, Ablehnung, Frust und aufsteigender Wut. Immer wieder habe er als Kind gehört: "Aus dir wird nichts", schreibt er in seinem Buch. "Wenn du das immer wieder hörst, dann glaubst du es irgendwann." Den Hauptschulabschluss schaffte er gerade so. "Die Lehrer haben uns bessere Noten gegeben, damit wir endlich von der Schule weg sind." Als Jugendlicher musste er nach einer Schlägerei einmal für zwei Wochen in den Jugendarrest.

Arık war leidenschaftlicher Fußballer. Noch heute bekommt er glänzende Augen, wenn er von dieser Zeit spricht. Er spielte unter anderem in der A-Jugend bei Fenerbahçe. Doch im Fußballinternat in Istanbul machte er als Teenager die bittere Erfahrung, dass ihn die Türken in der Türkei als "Alman" und "gottverdammten deutschen Hurensohn" beschimpften. "Ich weiß noch, wie ich meinen Vater angerufen und gesagt habe: 'Papa, die hassen uns hier.' In der Türkei war ich der Alman, in Deutschland der 'Scheißtürke'. Das macht dich krank."

"Ich spreche für die, die sich nicht trauen"

Nach einem Schien- und Wadenbeinbruch, der das Aus für seine Fußballkarriere bedeutete, verschiedenen Jobs und einem Sorgerechtsstreit rutschte er ab. Er nahm Kokain und Speed, radikalisierte sich fast, wurde depressiv und schlief in Berlin zeitweise unter der Brücke – bis er mit 27 Jahren das Boxen für sich entdeckte. "Ich boxe nicht gerne, aber das Boxen hat mich gerettet." Anfang dieses Jahres sagte Ünsal Arık einen Kampf ab. "Ich habe eine depressive Phase, mir fehlt das Feuer."

Im April will er aber wieder in den Ring steigen, will weiter mit Fäusten und auch mit Worten kämpfen. Immer wieder wird ihm von Kritikern vorgeworfen, dass er nur aus PR-Gründen so laut ist. Und er gibt zu: "Ich brauche die Medien und die Medien brauchen mich." Aber er sagt auch: "Ich spreche für die, die sich nicht trauen. Wenn man nichts sagt, ändert sich nie was."

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