Auf der Intensivstation eines Krankenhauses (Symbolbild)
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Wie viel Gesundheit steckt in den Wahlprogrammen?

Wie viel Gesundheit steckt in den Wahlprogrammen?

Corona hat Deutschland seit eineinhalb Jahren fest im Griff. Welche Konsequenzen ziehen die Parteien aus der Pandemie für den Gesundheitsschutz? Was planen sie bei Gesundheit und Pflege im Allgemeinen sowie in der Drogenpolitik? Eine Übersicht.

Die Gesundheitspolitik könnte bei der Bundestagswahl unter dem Eindruck der Corona-Pandemie eine wichtige Rolle spielen. Alle Parteien gehen in ihren Programmen auf den Umgang mit der Pandemie ein und setzten dabei unterschiedliche Akzente. Das gilt auch für andere Bereiche der Gesundheitspolitik.

CDU/CSU: Wenig Änderungen geplant - Fokus auf Digitalisierung

Für die Union hat Corona gezeigt, "wie stark unser Gesundheitssystem ist und wie wichtig die Frauen und Männer sind, die in Krankenhäusern, Pflegeheimen […] ihren mitmenschlichen Dienst tun". Man habe aber auch gesehen, dass man mehr tun müsse, um Deutschlands Gesundheitswesen auch weiterhin zu den besten der Welt zählen zu können.

Ändern wollen CDU und CSU aber am bestehenden System kaum etwas. Ganz nach dem Motto: Ist doch gut so, wie es ist. Dennoch gibt es ein paar Punkte, bei denen das Gesundheitssystem verbessert werden soll: Entbürokratisierung und Digitalisierung sind hier die Stichworte, bei der Elektronischen Patientenakte etwa dringt die Union darauf, dass dort bald die gesamte Krankengeschichte des Patienten an einem Ort datensicher gespeichert werden soll.

Im Pflegebereich soll ebenfalls mehr auf Digitalisierung, Smart-Home-Technologien und Robotik gesetzt werden: 500 Millionen Euro soll der Bund nach dem Willen der Union für eine Innovationsoffensive bereitstellen.

Bei der Finanzierung setzen CDU und CSU weiterhin auf das bestehende System von gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Paritätische Beiträge, also Arbeitgeber und Arbeitnehmer zahlen gleich viel, dazu kommt ein Steueranteil für versicherungsfremde Leistungen, das sind Leistungen der Krankenversicherung, die familienpolitisch motiviert sind, also etwa die beitragsfreie Mitversicherung von Lebenspartnern sowie Kindern.

Was nicht kommen soll: eine Europäische Gesundheitsversicherung und die Legalisierung von Cannabis. Beides lehnt die Union strikt ab.

SPD: "Kommerzialisierung im Gesundheitswesen beenden"

Für die SPD ist Gesundheit neben Klima, Mobilität und Digitalisierung eine ihrer vier Zukunftsmissionen: Sie will ein "Update für die Gesundheit". Auch hier ist die Rede davon, dass Deutschland nach Corona seine Innovationskraft wiederfinden müsse. Vor allem bei der Arzneimittelforschung. Konkret werden die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten allerdings nicht. Immerhin schreiben sie: "Wir wollen die Kommerzialisierung im Gesundheitswesen beenden." Das richtet sich vor allem auf den Krankenhaussektor und den Bereich der Pflege: "Gewinne, die aus Mitteln der Solidargemeinschaft erwirtschaftet werden, sollen verpflichtend und weitestgehend wieder in das Gesundheitssystem zurückfließen."

Im Pflegebereich ist die SPD zurückhaltend, was den Einsatz von Digitalisierung und Robotern betrifft. Hinter guter medizinischer und psychotherapeutischer Versorgung und Pflege stünden immer Menschen. Daher setzt die SPD in ihrem Programm auf Weiterbildungsangebote. Und sie will dem Schutz der Patientendaten höchste Priorität einräumen. Damit schwinden die Aussichten, dass die Digitalisierung schnell umgesetzt wird.

Bei der Finanzierung bleibt die SPD sich treu. "Wir werden eine Bürgerversicherung einführen. Das bedeutet: Gleich guter Zugang zur medizinischen Versorgung für alle, eine solidarische Finanzierung und hohe Qualität der Leistungen." Sprich: ein Ende der Trennung von Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung. Die Bürgerversicherung sollte bereits in der Amtszeit von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt eingeführt werden, das war 2005. Es blieb ein Traum.

Bei Cannabis setzt die SPD auf kontrolliertes Kiffen. "Eine regulierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene soll in Modellprojekten von Ländern und Kommunen erprobt werden können, begleitet durch Maßnahmen der Prävention, Beratung und Behandlung im Jugendbereich."

Bündnis90/Die Grünen: Cannabiskontrollgesetz geplant

Für die Grünen hat die Corona-Krise gezeigt, dass das Gesundheitssystem für künftige Pandemien besser gewappnet sein muss. Sie regen eine Analyse des Pandemie-Managements an, wollen die Krankenhausversorgung und die Notfallversorgung reformieren und – ganz wichtig – unter anderem die Digitalisierung in den Gesundheitsämtern "beherzt vorantreiben".

Außerdem wollen sie dem Bund in der Gesundheitsversorgung und bei der Krankenhausplanung mehr Kompetenzen einräumen. Im Programm schreiben sie: "Welche Angebote [Krankenhäuser, Anm. d. Red.] es vor Ort gibt, darf nicht davon abhängen, was sich rentiert oder was sich Träger noch leisten können, sondern muss sich danach richten, was nötig ist." Auch die bessere Versorgung psychischer Erkrankter haben sich die Grünen auf die Fahne geschrieben – außerdem setzen sie sich energisch für ein Ende der Diskriminierung von LSBTIQ*-Menschen im Gesundheitsbereich ein, wollen medizinische Maßnahmen für trans- und intergeschlechtliche Menschen gesetzlich verankern.

Im Pflegebereich wollen sie "bessere Arbeitsbedingungen, mehr Personal, Sicherheit für Menschen, die Pflege benötigen und für diejenigen die Angehörige oder Freund*innen pflegen" – Sätze, die sicherlich jede und jeder unterschreiben wird, die aber wenig konkret sind.

Bei der Finanzierung setzen die Grünen auf eine "solidarisch finanzierte Bürgerversicherung, in der jede*r unabhängig vom Einkommen die Versorgung bekommt, die er oder sie braucht". Auch Beamte, Selbständige, Unternehmer und Abgeordnete sollen sich mit einkommensabhängigen Beiträgen beteiligen – zum Einkommen zählen die Grünen auch Kapitaleinkommen.

Die Grünen wollen grundsätzlich einen Wechsel in der Drogenpolitik, denn "das derzeitige Verbot von Cannabis verursacht mehr Probleme als es löst". Die Lösung der Grünen heißt: Cannabiskontrollgesetz.

FDP: Digitalisierung und Entbürokratisierung

Für die FDP braucht es in der Gesundheitspolitik nach der Pandemie einen Neustart. "Während andere Staaten ihr Gesundheitssystem digitalisiert haben, haben sich unsere Gesundheitsämter gegenseitig Faxe geschickt", heißt es polemisch im Wahlprogramm. Digitalisierung Total ist daher das Mittel der Wahl der Freien Demokraten. Daneben lautet das zweite Zauberwort: Entbürokratisierung – auch das ist wenig überraschend. Der Ausbau von Hightech-Gesundheitsmedizin steht ebenso auf der Agenda wie die Förderung von Innovationsfreudigkeit: Vor allem im Bereich der Biomedizin, zum Beispiel bei Gentherapien oder regenerativer Medizin, sieht die FDP großes Potential.

Für das Robert-Koch-Institut hat die FDP auch eine Idee: Es soll weisungsunabhängig und politikfern aufgestellt werden – nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank.

Im Pflegebereich setzen die Freien Demokraten ebenfalls auf Bürokratieabbau und die Nutzung digitaler Potentiale. Außerdem fordern sie die Abschaffung von reinen Pflegepersonal-Untergrenzen, sie wollen mehr Flexibilität. Eine weitere Idee der FDP: ein monatliches Pflegebudget, in das die Leistungsansprüche der jeweiligen Pflegegrade überführt werden. Eine Art Pflegesparbüchse.

Bei der Finanzierung möchte die FDP, dass so gut wie alles beim Alten und das duale System erhalten bleibt. Richten soll es grundsätzlich der Markt: "Mehr Wettbewerb zwischen Krankenkassen ermöglichen" ist eine der Überschriften. Außerdem wollen die Liberalen den Wechsel zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung vereinfachen. Wobei nicht klar wird, in welche Richtung dieser Wechsel bevorzugt erfolgen soll.

Es ist wenig überraschend, dass Freie Demokraten die kontrollierte Freigabe von Cannabis fordern: "Wir setzen uns dafür ein, den Besitz und Konsum für volljährige Personen zu erlauben."

Linke: "Gewinnverbot" für Krankenhäuser

Für die Linke heißt es grundsätzlich "Menschen vor Profite" – das gilt auch und erst recht im Gesundheitsbereich. Die Corona-Pandemie habe die soziale Spaltung verschärft, der bestehende Pflegenotstand habe sich dramatisch zugespitzt: "Auf Kosten der Gesundheit der Patient*innen und der Beschäftigten, während Krankenhaus- und Pflegekonzerne Profite für die Aktionäre erwirtschaften", heißt es im Programm. Die Linke will daher Krankenhäuser und Pflegekonzerne "sofort von der Börse nehmen" und an Bedarf und Gemeinwohl orientieren. Auch schwebt der Linken ein "Gewinnverbot" für Krankenhäuser vor: "Wenn keine Gewinnerzielung mit Krankenhäusern mehr möglich ist, verlieren private Konzerne den Anreiz, Krankenhäuser zu betreiben."

Für den Pflegebereich kommen ebenfalls markante Forderungen: "100.000 Pflegekräfte mehr in den Krankenhäusern und 100.000 Pflegekräfte mehr in den Pflegeheimen und 500 Euro mehr Grundgehalt!", steht im Wahlprogramm.

  • Zum Artikel: Koalition streitet über bessere Bezahlung von Pflegekräften

Bei der Finanzierung setzt die Linke auf eine solidarische Gesundheitsvollversicherung, in die alle einzahlen. Sie verspricht: "Die Beiträge für die meisten Versicherten sinken, die Versorgung für alle wird besser." Die bisherige Trennung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung soll fallen. Auch die Pflegeversicherung soll von einer Teilkasko- zu einer Vollversicherung umgebaut werden, die alle Leistungen übernimmt. Eigenanteile für Versicherte oder ihre Angehörigen sollen gestrichen werden.

In der Drogenpolitik geht die Linke ebenfalls einen radikalen Weg: "Schluss mit der Kriminalisierung der Drogen" fordert das Programm. Cannabis soll legal erworben und konsumiert werden können.

AfD: Forderung nach Ende der Corona-Maßnahmen

Für die AfD müssen die "unverhältnismäßigen Corona-Maßnahmen unverzüglich" beendet werden. Außerdem fordert sie einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der die Corona-Politik der Bundesregierung unter die Lupe nimmt.

Im Gesundheitswesen soll eine "leistungsgerechte Bezahlung der Mediziner" dafür sorgen, dass sich Wartezeiten, Bürokratie und vorzeitige Praxisschließungen verringern. Krankenhäuser sollen ein Individualbudget bekommen, außerdem will die Partei die privaten Träger im Krankenhausbereich auf maximal 60 Prozent beschränken.

Ganz im Sinne Donald Trumps nimmt sich die AfD die WHO vor: Sollte Deutschland nicht an einer Reform der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mitwirken, beziehungsweise die WHO nicht grundlegend reformiert werden, spricht sich die AfD für einen Austritt aus der WHO aus.

Für den Pflegebereich trommelt die AfD für die häusliche Pflege. Im Programm "Deutschland. Aber normal." steht daher: "Über 70 Prozent der Pflegebedürftigen bevorzugen die Unterbringung zu Hause. Sie ist nicht nur aus sozialen, sondern auch aus finanziellen Gründen vorzuziehen. Die stationäre Pflegebedürftigkeit ist soweit wie möglich hinauszuschieben."

Bei der Finanzierung ist lediglich zu lesen, dass etliche Deckelungen und Budgetierungen fallen sollen. Konkrete Aussagen zur Zukunft der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung finden sich nicht.

Bei Cannabis ist die AfD der Meinung, dass es "nur in der Medizin" zur Verfügung stehen soll: "Wir befürworten den Ausbau der suchtpsychiatrischen Versorgung für eine dauerhafte Abstinenz von Drogen."

Freie Wähler: Kritik an "kaputtgespartem Gesundheits- und Pflegesystem"

Harter Tobak von den Freien Wählern. In ihrem Wahlprogramm sprechen sie von einem "kaputtgesparten Gesundheits- und Pflegesystem", das habe Corona schonungslos vor Augen geführt. Weil die Freien Wähler vor allem auf dem Land viel Rückhalt haben, ist ihnen eine flächendeckende und wohnortnahe medizinische Versorgung ein besonderes Anliegen. Außerdem machen sie sich zu Fürsprechern von freien Berufen wie Apothekern oder Hebammen.

Bei der Pflege fordern sie eine "Bundesoffensive für Pflegekräfte": mehr Personal, besonders in der Altenpflege und eine Aufwertung des Berufes. Helfen soll hier ein "Gesellschaftsjahr für alle": Eine Grundausbildung für den Pflegedienst soll Pflegeberufe für Berufseinsteiger attraktiver machen. Ein Nachbarschaftsnetzwerk nach niederländischem Modell soll Pflegende und Angehörige vor Ort besser mit Ärzten und Therapeuten verzahnen.

Wie die Linke und die SPD lehnen auch die Freien Wähler eine Gewinnmaximierung der Krankenhäuser auf Kosten der Patienten ab – und, das ist wenig überraschend, wenn man die Äußerungen des Vorsitzenden Aiwanger kennt, sie sprechen sich gegen angebliche Überlegungen eines "Impfzwanges" aus.

Bei der Finanzierung der Krankenkassen wollen sie das bestehende System beibehalten, die Freien Wähler sprechen etwas nebulös von einer "sozialen Gesundheitsversicherung". Gemeint ist eine Versicherungspflicht für alle Bewohner und Bewohnerinnen Deutschlands.

Bei Cannabis ist die Linie der Freien Wähler klar: "Wir sehen Sucht nicht als Laster, sondern als Krankheit an". Einer Legalisierung von Cannabis stehen sie offen gegenüber.

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