Italien, Ravenna - 25. September: Gerettete Migranten verlassen ein Rettungsschiff.
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Italien, Ravenna - 25. September: Gerettete Migranten verlassen ein Schiff einer italienischen Hilfsorganisation.

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EU-Asylkompromiss: Was die Einigung bedeutet

EU-Asylkompromiss: Was die Einigung bedeutet

Die EU-Staaten haben sich nach langem Ringen auf die umstrittene Krisenverordnung geeinigt - ein zentrales Element der EU-Asylreform. Doch was heißt das genau: für die EU, für die Menschen auf der Flucht und für die Seenotretter?

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Die EU-Staaten haben sich auf den letzten Baustein der umstrittenen Asylreform verständigt. Vertreter der Mitgliedsländer machten am Mittwoch in Brüssel den Weg für die sogenannte Krisenverordnung frei. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von einem "historischen Wendepunkt". Die Bundesregierung habe "hart und erfolgreich darum gerungen, dass es nicht zu einer Aufweichung von humanitären Mindeststandards wie dem Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung kommt", sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Mit der Einigung sei sichergestellt, dass die Krisenverordnung "nur in sehr stichhaltig begründeten Fällen" zum Einsatz kommt. Deutschland hatte die Krisenverordnung wegen humanitärer Bedenken lange blockiert, Ende September dann aber einem ersten Kompromiss zugestimmt.

Doch was bedeutet die Einigung überhaupt? Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Was ist die Krisenverordnung?

Wenn die Aufnahmekapazität eines Landes an den EU-Außengrenzen erschöpft ist, soll es mehr Flexibilität in seinem Flüchtlingsmanagement bekommen. Beispielsweise soll es dann möglich sein, geltende Standards bei der Unterbringung und der Verpflegung der Ankommenden abzusenken. Gleichzeitig kann der Zeitraum verlängert werden, in dem Menschen unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden können. Ungarn und Polen stimmten gegen den Entwurf zur Krisenverordnung, ihnen sind die Vorschläge nicht scharf genug. Österreich, Tschechien und Slowakei enthielten sich. "Warum sollten wir uns dem Diktat aus Brüssel und Berlin beugen?", fragte der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki am Donnerstag bei einem gemeinsamen Fernsehauftritt mit Präsident Andrej Duda und nannte die Einigung ein "Diktat aus Brüssel und Berlin".

Wie dieser Krisenmechanismus genau aussieht, wird man nach den Verhandlungen wissen, die jetzt zwischen Kommission, Parlament und den 27 Mitgliedsländern beginnen und bei denen es um die gesamte Asylreform geht.

Um was geht es beim Asyl-Gesamtpaket?

Alle Menschen, die ankommen, sollen registriert werden und auch sicherheitstechnisch ein Screening durchlaufen. Zudem sollen Ankommende aus als sicher geltenden Staaten und aus Staaten, die nur eine geringe Anerkennungsquote haben, in streng kontrollierten Aufnahmeeinrichtungen unter haftähnlichen Bedingungen maximal zwölfwöchige Schnellverfahren durchlaufen. Im Fall einer Ablehnung ihres Antrags sollen sie unmittelbar in ihre Heimat oder einen anderen Drittstaat zurückgeführt werden – was Vereinbarungen mit diesen Ländern nötig macht. Wie schwierig das sein kann, zeigt sich gerade am Beispiel Tunesien.

Erst zu Wochenbeginn ließ der tunesische Präsident Kais Saied wissen, sein Land nehme "nichts an, was Gnaden oder Almosen ähnelt" und stellte die Vereinbarung über um 127 Millionen Euro an EU-Hilfe infrage. Für diese Finanzhilfe sollte er im Gegenzug Fluchtwillige an der Überfahrt über das Mittelmeer hindern. Als Grund wurde nicht "die geringe Summe" genannt, sondern, dass der Vorschlag im Widerspruch stehe zur zuvor unterzeichneten Absichtserklärung zwischen Tunesien und der EU. Worin Tunis genau einen Widerspruch sieht, wurde nicht genannt.

Des Weiteren sollen nach der Reform Solidaritätsmechanismen gegenüber dem Mitgliedstaat greifen, der mit der Ankunft der Flüchtlinge konfrontiert ist. Das bedeutet, dass andere EU-Länder dem Staat in der "Krise" finanziell beispringen oder ihm Migranten abnehmen müssen.

Was ist noch offen?

Es sind noch viele Details unklar, wie zum Beispiel, wo die regulären Verfahren stattfinden und wer das Personal dafür stellen soll. Geklärt werden muss auch noch, wie man mit Familien mit Kindern und allein reisenden Jugendlichen umgeht. Unklar ist auch noch, ob es im Krisenfall eine obligatorische Umverteilung von Migranten in der gesamten EU geben könnte, wie es das Parlament fordert. Einige Länder stellen sich aber auf diesem Ohr völlig taub. Beobachter erwarten bei den Verhandlungen, hitzige Debatten und lange Nachtsitzungen. Die seit der Flüchtlingskrise 2015 umkämpfte Asylreform soll bis zur Europawahl im Juni 2024 stehen.

Wie beurteilen Hilfsorganisationen die Einigung?

Die Auswirkungen der Reform des gemeinsamen, europäischen Asylsystems (GEAS) sind nach Ansicht der Regensburger Seenotrettungsorganisation Sea-Eye für die Rechte schutzsuchender Menschen verheerend. Die Reform stelle grundsätzlich infrage, ob alle Menschen auf europäischem Boden die gleichen Rechte haben. "Die universelle Gültigkeit der Menschenrechte soll offenbar nur noch für Menschen mit einem europäischen Pass bestehen", sagte der Vorsitzende Gorden Isler gegenüber BR24. Besonders besorgniserregend sei, dass auf Druck der rechten Regierung in Rom ein Absatz aus dem Gesetzestext genommen worden sei, der zivile Seenotrettungsorganisationen eindeutig vor Kriminalisierung schützt. "Wir müssen alle in großer Sorge sein, wenn es eine Zukunft geben soll, in der humanitäre Arbeit in Europa systematisch kriminalisiert werden kann", so Isler.

Streit um Rolle privater Seenotrettungs-Organisationen

Streit gab es zuletzt zwischen Deutschland und Italien um die Rolle privater Seenotrettungs-Organisationenen im Mittelmeer. Mit dem Kompromiss hat sich nun Italien weitgehend durchgesetzt: Auf Drängen der Regierung in Rom wurde nach Diplomatenangaben ein Absatz aus dem Gesetzestext genommen, der sich auf die Einsätze der Seenotretter bezog. Er besagte, dass die Folgen dieser Rettungseinsätze nicht für die Feststellung des Krisenfalls herhalten dürften. Der Absatz steht nun nur noch als Zusatzklausel in dem Entwurf.

Nach Ansicht von Sea-Eye wird die Reform die Situation in den Herkunftsländern nicht verbessern. Die Zahl der Ankünfte werde sich deshalb nicht reduzieren. Man werde nur "viel mehr Leid an den Grenzen sehen".

Scharfe Kritik vom Bayerischen Flüchtlingsrat

Ähnlich argumentiert der Bayerische Flüchtlingsrat: "Das Leid an den europäischen Außengrenzen wird nicht weniger, wenn schutzsuchende Menschen in Lagern festgehalten und je nach politischer Laune oder Quote in vermeintlich sicherere Drittstaaten abgeschoben werden", sagte Johanna Böhm BR24. Die Krisenverordnung sowie die komplette Reform eines gemeinsamen europäischen Asylsystems werde schutzsuchende Menschen weiter entrechten, für Chaos an den Außengrenzen sorgen und mitnichten Menschen von einer Flucht abhalten. "Wir erwarten, dass eine Flucht zukünftig noch tödlicher verlaufen wird und Regierungen schutzsuchende Menschen verstärkt als Spielball geopolitischer Machtinteressen nutzen", so Böhm.

Mit Informationen von AFP und dpa

Dieser Artikel ist erstmals am 5. Oktober 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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