30.07.2024, Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf: Insgesamt sieben Angeklagte stehen  zum Prozessbeginn des Staatsschutzverfahren gegen sieben mutmassliche Gründer und Mitglieder einer inländischen terroristischen Vereinigung im Oberlandesgericht an der Anklagebank. Die Männer sollen den Überfall Russlands auf die Ukraine genutzt haben, um über die Ukraine nach Deutschland zu gelangen. In Deutschland angekommen sollen sie eine Terrorzelle des IS gegründet und Geld für die Organisation gesammelt haben. Foto: Roberto Pfeil/dpa - ACHTUNG: Angeklagte und Justizbeamte wurden auf Anweisung des Gerichts aus rechtlichen Gründen gepixelt +++ dpa-Bildfunk +++
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Beginn Staatsschutzverfahren in Düsseldorf

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Europa im Visier des IS: Auf den Spuren eines Terrornetzwerks

Europa im Visier des IS: Auf den Spuren eines Terrornetzwerks

Der IS verstärkt seine Anschlagspläne in Europa, auch Bayern ist betroffen. Sicherheitsbehörden verfolgen Spuren des IS bis nach Deutschland. Ermittlungen gegen mutmaßliche Terrorzellen verdeutlichen die anhaltende Gefahr, wie BR-Recherchen zeigen.

Über dieses Thema berichtet: Der Funkstreifzug am .

Offenbar schickt der sogenannte Islamische Staat seine Terroristen vermehrt nach Europa. Ein Beispiel findet sich wohl in Kaufbeuren. Dort wurde im Mai ein Iraker festgenommen, der seit Anfang 2023 in Deutschland lebte. Laut Bundesanwaltschaft war er bereit, Aufträge des sogenannten "Islamischen Staates" (IS) auszuführen und soll zuvor im Irak für eine Polizeieinheit des IS gearbeitet haben. Außerdem, so der Vorwurf der Ermittler, erhielt er nach seiner Einreise nach Deutschland 2.500 US-Dollar vom IS und pflegte Kontakte zu Gleichgesinnten.

Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen, es gilt die Unschuldsvermutung. Aber: Dieser Fall verdeutlicht, wie ernst die Sicherheitsbehörden die anhaltende Bedrohung durch den IS nehmen. Die Gefährdung durch IS-nahe Personen bleibt somit ein ernstzunehmendes Problem. Teile kommen aus Syrien oder dem Irak, aber auch in anderen Ländern ist die Terrororganisation aktiv.

ISPK: Der gefährliche IS-Ableger

Insbesondere der ISPK, der Islamische Staat Provinz Khorasan, ist ein bedeutender Akteur in der internationalen Terrorismuslandschaft. Mit seiner Basis in Afghanistan plant dieser IS-Ableger gezielt Anschläge in Europa. Das Netzwerk des ISPK erstreckt sich über zahlreiche Länder, und die jüngsten Ermittlungen zeigen, dass der ISPK weiterhin hochgefährlich ist. So soll dieser IS-Ableger für die Anschläge auf eine Konzerthalle bei Moskau mit mehr als 140 Toten verantwortlich sein.

Der leitende Kriminaldirektor Lars Rückheim, beim Bundeskriminalamt zuständig für die Zentralstelle zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus, geht im BR-Interview davon aus, dass trotz einiger Festnahmen "einige Personen oder Kleingruppen hier sind, die versuchen werden terroristische Aktivitäten umzusetzen."

Auffällig ist der ISPK vor allem mit seiner Propaganda, die auch den Freistaat betrifft. Bereits im Mai wies die Staatsregierung darauf hin, dass auch Bayern im Zielspektrum liege und verwies auf mehrere Drohbotschaften des ISPK, beispielsweise auf die Allianz-Arena.

Der Bayerische Verfassungsschutz warnt in seinem Jahresbericht 2023 ebenfalls vor der anhaltenden Gefahr durch den ISPK und betont, dass die Gruppe bereits mehrfach versucht hat, Anschläge in Europa durchzuführen.

Der Fall Raboni Z. und die Überwachung

Als Beispiel nennt der Verfassungsschutz Ermittlungen in Nordrhein-Westfalen (externer Link). Irgendwann zwischen Frühjahr und Sommer 2023 nehmen deutsche Sicherheitsbehörden Raboni Z., einen tadschikischen Staatsbürger, ins Visier. Sie haben offenbar sein Auto verwanzt. Das erfuhr der BR aus Kreisen, die mit den Ermittlungen vertraut sind.

Unter anderem soll Raboni Z. mit seiner Frau über den bewaffneten Kampf gesprochen und diesen gutgeheißen haben. Zudem sang er im Auto ein offenbar selbst getextetes Lied, in dem er mögliche Gewalttaten in Deutschland verherrlicht haben soll.

Der damals 27-jährige Raboni Z. ist Teil einer Gruppe sieben mutmaßlicher Terrorunterstützer. Sie wurden im Sommer 2023 festgenommen, weil sie Anschläge in Deutschland geplant haben sollen. Seit 30. Juli müssen sie sich in Düsseldorf vor dem Oberlandesgericht verantworten. Bis zum Abschluss des Verfahrens gilt auch hier die Unschuldsvermutung.

Noch keine konkreten Anschlagspläne

Entlastend könnte sich auswirken, dass die mutmaßlichen Anschlagspläne nicht zur Ausführung kamen. Teile der Verteidigung sehen darin einen wesentlichen Beweis, dass ihre Mandanten vor allem viel geredet hätten. Auch die Bundesanwaltschaft sagt, dass es noch keinen konkreten Anschlagsplan gab.

So hatte einer der Angeklagten offenbar Kontakt zu einem Sprengstoffexperten des ISPK und soll mit ihm in den Iran geflogen sein. Vermutet wird, dass sie es unter anderem auf die liberale Ibn-Rush-Goethe-Moschee in Berlin abgesehen hatten, die sich für LGBTQ-Rechte stark macht. So sollen die Angeklagten Fotos von der Moschee ausgetauscht haben.

Alle Angeklagten stammen aus ehemaligen Sowjetrepubliken: Kirgisistan, Turkmenistan und Tadschikistan. Alle Beschuldigten eint, dass sie ihre zentralasiatischen Heimatländer vor vielen Jahren verlassen haben. In der Ukraine fanden sie über Umwege eine neue Heimat.

Die Männer konnten sich mutmaßlich als Flüchtlinge tarnen – und fielen so zunächst nicht auf, als es ihnen im Frühjahr 2022 gelang, nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine über Polen nach Deutschland einzureisen.

"Sie haben den dann einsetzenden massiven Flüchtlingsstrom aus der Ukraine heraus genutzt, um in den Schengenraum zu gelangen. Sobald man in Polen ist, finden dann keine weiteren Grenzkontrollen statt. Und in der Situation, in der in der Ukraine Krieg ist, ist es natürlich sehr viel einfacher, eine Handvoll von Personen in diesen Flüchtlingsstrom einzufügen, ohne dass es einer großartig merkt", sagt Hans-Jakob Schindler, Seniordirektor der internationalen gemeinnützigen Organisation "Counter Extremism Project".

Die Ukraine als Durchgangsstation

Laut Schindler ist die Ukraine kein Rückzugsort für Islamisten. Trotzdem sieht er eine große Gefahr, "dass dieser Konflikt gerade auch durch die islamistischen Netzwerke genutzt wird, um in dem Chaos, den dieser Krieg in der Ukraine verursacht, durchzuschlüpfen."

Das Bundesinnenministerium bestätigt auf BR-Anfrage, dass seit Beginn des Ukraine-Kriegs eine mittlere zweistellige Zahl von Personen mit Verbindungen zum islamistischen Terrorismus nach Deutschland eingereist ist. Konkrete Maßnahmen gegen diese Bedrohung werden aus Sicherheitsgründen nicht detailliert veröffentlicht.

Der ISPK und die Verbindungen nach Europa

Der ISPK hat schon länger Anschlagsziele in Europa im Visier. Nach BR-Informationen spielte das auch bei den Ermittlungen gegen die mutmaßliche Terrorzelle in Nordrhein-Westfalen eine Rolle. Weitere Recherchen zeigen, dass es schon 2020 einen Informationsaustausch zwischen europäischen Sicherheitsbehörden gab. Bei diesem Austausch ging es wohl darum, dass die Anführer des Islamischen Staates ihre Befehlshaber im Ausland dazu aufgefordert haben sollen, in Europa Anschläge durchzuführen. Als Ziele sollten offenbar Wohnhäuser, einschließlich Mehrfamilienhäuser, und stark belebte Plätze dienen.

Der Name von Abdusamad A., dem mutmaßlichen Kopf der in Düsseldorf Angeklagten, soll bei dem Informationsaustausch gefallen sein – als wichtiges Verbindungsglied des ISPK nach Europa. Der Tadschike agierte von den Niederlanden aus – er soll mit den in Düsseldorf Angeklagten über Anschläge in Deutschland kommuniziert haben.

Vorwurf: Hass auf Kinder von Nichtmuslimen

Seit 2023 wurden europaweit mehrfach mutmaßliche Terrorunterstützer festgenommen, darunter auch jener Abdusamad A. aus den Niederlanden. Das Verfahren gegen ihn ist noch nicht abgeschlossen. Abdusamad A. werden nach BR-Informationen Äußerungen zugeschrieben, die auf einen tiefen Hass gegen Nichtmuslime und deren Kinder hinweisen.

Die Anschlagsgefahr ist trotz der Festnahmen aber nicht gebannt. "In den Fällen, in denen wir die Personen festnehmen konnten, haben wir das mutmaßlich unterbunden", sagt Lars Rückheim, der beim Bundeskriminalamt für islamistischen Terrorismus zuständig ist, "aber wir dürfen uns doch gleichzeitig nicht der Illusion hingeben, dass wir immer rechtzeitig tatsächlich alles aufdecken können." Nach BR-Informationen befinden sich noch Teile aus dem Umfeld des Terror-Netzwerks in Europa auf freiem Fuß.

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