Es ist eine inzwischen typische Situation, die Bergsteiger immer wieder erleben: Der vermeintlich sichere Wanderweg zur Kemptener Hütte im Allgäu bricht plötzlich fünf Meter tief in eine Schuttrinne ab. Nach dem letzten Unwetter hat sich eine Mure, also ein Schuttstrom, tief durch den Berghang gefressen und den Weg durchtrennt.
Hangrutsch: Ganze Wanderwege verschwunden
An der Muren-Stelle auf dem Weg zur Kemptener Hütte ist es nicht besonders schwierig, den Abbruch zu umgehen. Aber: Immer öfter rutschen ganze Hänge ab und nehmen den Wanderweg mit. So war das nach schweren Unwettern im vergangenen Juli entlang des Lechtaler Höhenwegs der Fall. Oder im September am Untersberg bei Berchtesgaden: Nach schweren Schneebrüchen blieb der Stöhrweg wochenlang gesperrt, weil umgestürzte Bäume kreuz und quer durcheinanderlagen.
Den oft ehrenamtlichen Wegebauteams ist es nicht möglich, schwere Schäden innerhalb kurzer Zeit zu beheben. Also ist die Eigenverantwortlichkeit der Bergtouristen gefragt.
Tourenplanung nach Unwetter: Sind Wege begehbar?
Die Vorbereitung auf eine Tour ist mit das Wichtigste. Dazu gehört, Webseiten der Hütten oder die Touristeninformation im Talort oder auch die Hüttenwirte zu konsultieren, besonders wenn schwere Unwetter noch nicht lange zurückliegen. Im Gelände ist dann eine gute Selbst- und Gefahreneinschätzung gefragt.
Gerade die oft festgebackenen Flanken der Schuttrinnen sind schwierig zu gehen, ein Ausrutscher kann dort aber ebenso wie in einer Bergflanke, wo der Weg weggerissen wurde, schwere Folgen haben. Die Entscheidung zur Umkehr ist hier das Richtige. Immer häufiger müssen Bergtouristen mit solchen Situationen rechnen, wo der vermeintlich sichere Weg zeitweise unpassierbar ist.
Wettergefahren für Wanderer
Früher kamen Wanderinnen und Wanderer oft unversehens in schwere Unwetter, weil die Wettervorhersage längst nicht so gut entwickelt war wie heute. Dazu gehört aber immer noch die eigene Beobachtung des Wettergeschehens. Gerade die sehr lokalen, aber heftigen Unwetter kann selbst der neueste Wetterradar oft nicht genau vorhersagen.
Nicht nur Blitze oder heftige Windböen sind eine Gefahr. Wildbäche verwandeln sich in unüberwindbare Hindernisse. Schluchten werden zur Falle, wenn der heftige Regen auch Steine und Geröll in Bewegung setzt. Auch hier gilt, Gefahrenstellen durch eine gute Vorbereitung zu kennen und zu meiden.
Stärkere und intensivere Niederschläge im Alpenraum erwartet
Auf einem "Alpenklimagipfel" vor kurzem auf der Zugspitze mahnte der Augsburger Klimaforscher Harald Kunstmann an, dass "wir weit vorsichtiger sein müssen, weil wir mit immer stärkeren und intensiveren Niederschlägen im Alpenraum rechnen und entsprechend werden die Risiken in der freien Natur größer".
In größeren Höhen kommt die Steinschlaggefahr hinzu, die durch das Auftauen des Permafrosts, des gefrorenen Gesteins, ausgelöst wird. Felsen werden brüchiger, wer dort unterwegs ist, muss besonders auf die Stabilität des Gesteins und eventuelle Steinschlaggefahr von oben achten, die häufig von Mitwandernden verursacht wird. Ein Steinschlaghelm ist daher bei vielen Felstouren notwendig; Trittsicherheit und Übung beim Gehen ist nicht nur für die eigene Sicherheit, sondern auch für die der anderen Berggeher wichtig, damit keine Steine losgetreten werden.
"Mehr Bescheidenheit im Umgang mit der Natur"
Die neue Situation verlangt, die Erwartungen an den Komfort zurückzuschrauben, sagt Christine Busch, Geschäftsführerin der Alpenschutzkommission Cipra Deutschland. Fortbewegungsmittel wie Seilbahnen oder E-Bikes transportieren Alpentouristen schnell in Gefilde, in denen sie weder das Gelände noch die Gefahren kennen.
Auch die Tourismuswirtschaft müsse deshalb runter vom Gas und nicht ständig neue Erwartungen und Ansprüche erzeugen. Bilder und soziale Medien stimulierten ständig neue Bedürfnisse. Stattdessen fordert auch Christine Busch mehr Eigenverantwortung und eine Rückkehr zu mehr Bescheidenheit im Umgang mit der Natur.
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