11.5.20223: Katrin Göring-Eckardt (Bündnis90/Grüne) spricht im Deutschen Bundestag
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Göring-Eckardt: Ostdeutsche teils nicht in Demokratie angekommen

Göring-Eckardt: Ostdeutsche teils nicht in Demokratie angekommen

Aus Sicht von Bundestagsvizepräsidentin Göring-Eckardt verherrlichen einige Ostdeutsche noch immer die SED-Diktatur. Die Grünen-Politikerin aus Thüringerin kann verstehen, dass Leute sich überfordert fühlten. Doch dies sei kein Grund, AfD zu wählen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Infoblock am .

Aus Sicht von Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) sind einige Ostdeutsche auch mehr als 30 Jahre nach der Wende nicht in der Demokratie angekommen. "Vielleicht sind die irgendwo in der Diktaturverherrlichung hängengeblieben, weil dort jemand anderes für sie alles lösen musste", sagte Göring-Eckardt dem Berliner "Tagesspiegel". Göring-Eckardt sagte, sie habe kein Verständnis für AfD-Wählerinnen und AfD-Wähler, aber sie habe "Verständnis dafür, dass Leute sich überfordert fühlen, deswegen muss man aber keine rechtsradikale Partei wählen".

Göring-Eckardt sieht keine Schuld der Grünen am AfD-Aufstieg

Göring-Eckardt sagte, sie habe auch Verständnis dafür, wenn Menschen sich fragten, warum in der Politik nur gestritten werde. "Dazu tragen wir ja selbst bei", sagte die 57 Jahre alte Thüringerin mit Blick auf den andauernden Streit in der Ampel-Koalition. Eine Schuld der Grünen am Aufstieg der AfD wies sie dagegen zurück. "Man kann uns wirklich viel zuschreiben", sagte Göring-Eckardt. "Ich bin Protestantin und immer bereit, Schuld auf mich zu nehmen. In dieser Frage sage ich: 'Nein, wirklich nicht.'"

Laut ARD-DeutschlandTrend erreichte die AfD zuletzt mit 20 Prozent einen neuen Höchstwert. Auch auf kommunaler Ebene verbuchte die AfD kürzlich Erfolge: Ihr Kandidat gewann die Stichwahl um das Bürgermeisteramt in Raguhn-Jeßnitz in Sachsen-Anhalt. Zuvor hatten die Rechtspopulisten die Wahl des bundesweit ersten AfD-Landrats im thüringischen Landkreis Sonneberg gefeiert.

Sie und andere seien Ende der 80er Jahre für "Freiheit auf die Straße gegangen", sagte Göring-Eckardt. Wer damit nichts anfangen könne, solle sich fragen, wie sein Leben "ohne diese Freiheit" wäre. "Zum Teil wollen sie aber einfach eine starke Führungsperson. Die sagt, wo es hingeht, und wohinter man sich einsortieren kann", sagte sie.

Soziologe kritisiert mangelnde Beteiligung der Menschen

Der Soziologe Kiess, stellvertretender Direktor des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts für Demokratieforschung an der Universität Leipzig, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), nicht überall in Ostdeutschland habe sich die Vorstellung durchgesetzt, dass Demokratie aktiv gelebt werden müsse.

Die Transformationen in der Nachwendezweit hätten sowohl den wirtschaftlichen als auch den politischen und sozialen Bereich betroffen. Der Institutionenaufbau sei vielfach durch westdeutsche Eliten übernommen worden: "Eine echte Beteiligung der Menschen gab es nach den Runden Tischen aber schnell nicht mehr."

Viele Ostdeutsche sehen keinen Sinn im politischen Engagement

In der Fläche fehlten im Osten des Landes bis heute Verbände- und Parteistrukturen. Laut einer Umfrage des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts zu Demokratieeinstellungen halten es knapp zwe Drittel der Ostdeutschen für sinnlos, sich politisch zu engagieren. Und mehr als ein Drittel hat den Eindruck, ihre Rechte als Bürger stünden nur auf dem Papier. Kiess plädierte dafür, auch künftig zivilgesellschaftliches Engagement öffentlich zu fördern. Das sei "unverzichtbar, um zumindest einen Grundstock an bürgerschaftlicher und politischer Teilhabe zu erhalten".

Das reiche aber nicht aus, "gerade wenn die Menschen tagtäglich im Arbeitsleben das Gegenteil von Demokratie, Anerkennung und Fairness erfahren". Untersuchungen zeigten, "dass positive Erfahrungen von Mitbestimmung, Anerkennung und Solidarität im Betrieb mit demokratischen Einstellungen zusammenhängen". Insofern seien die Stärkung der Tarifbindung, faire Löhne und die Einbindung der Menschen in Prozesse, die sie unmittelbar betreffen, auf jeden Fall demokratierelevant, sagte Kiess.

Göring-Eckardt: "Reichtum besser teilen"

Göring-Eckardt regte in dem Interview mit dem "Tagesspiegel" zudem an, über die Verteilung des Vermögens in der Gesellschaft zu diskutieren. "Wir müssen perspektivisch unseren Reichtum besser teilen", sagte sie. "Menschen mit sehr hohen Vermögen können und sollen sich stärker an unserer solidarischen Gesellschaft beteiligen."

Sie finde es falsch, wenn jemand sehr hohe Summen auf der "hohen Kante hat, ohne, dass sie für die Gesellschaft wirken", sagte Göring-Eckardt. Es gehe auch um den Zusammenhalt der Gesellschaft. "Wir müssen sie mehr beteiligen, um die Einnahmesituation des Staates zu verbessern einerseits, aber auch, um dem Gerechtigkeitsempfinden der Mitte Rechnung zu tragen."

"Gerechtigkeitsgipfel" gefordert

Göring-Eckardt forderte in diesem Zusammenhang einen "Gerechtigkeitsgipfel". Dort solle über die richtigen Instrumente für ein stärkeres Heranziehen der Reichen beraten werden. Teilnehmen sollten "alle demokratischen Parteien, der Bund, die Länder und Kommunen, die Gewerkschaften, die Arbeitgeber, die Kirchen", schlug die Grünen-Politikerin vor.

Mit Informationen von epd, AFP, KNA

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