Die schwedische Klima-Aktivistin Greta Thunberg hält es für falsch, die drei noch aktiven Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz zu nehmen und stattdessen verstärkt auf Kohlekraft zu setzen. "Wenn sie schon laufen, glaube ich, dass es ein Fehler wäre, sie abzuschalten und sich der Kohle zuzuwenden", sagt die Gründerin der Bewegung "Fridays for Future" in einem Interview mit ARD-Moderatorin Sandra Maischberger, das am Mittwochabend im Ersten ausgestrahlt wird.
AKW auch nach der aktuellen Krise? "Kommt drauf an"
Die Aufzeichnung des Gesprächs lag der Deutschen Presse-Agentur vorab vor, auch bei Twitter gibt es ein Video der entsprechenden Passage. Darin sagt Thunberg weiter, es sei eine schlechte Idee, auf Kohle zu setzen, solange "das andere" noch existiere. Auf die Frage, ob die deutschen Atomkraftwerke nach der aktuellen Krisenphase überhaupt abgeschaltet werden sollten, entgegnet Thunberg: "Kommt drauf an, was passiert."
Thunberg verweist aber auch darauf, dass es sich um eine "aufgeheizte Debatte" handele. Die Frage, ob Atomkraftwerke für den Klimaschutz aktuell die bessere Wahl wäre, beantwortet sie in der Video-Passage nicht klar.
Thunberg betont vor allem, wie wichtig erneuerbare Energien als Alternative zu Kohlekraftwerken seien. Sie warnt davor, weiter in fossile Energieträger zu investieren - auch wenn sie die Notwendigkeit verstehe, die Bürger vor zu hohen Energiekosten zu schützen. Die Menschen hätten sich aber auch "selbst abhängig gemacht und eine Gesellschaft geschaffen, in der wir nicht in der Lage sind, mehr als ein Jahr in die Zukunft zu schauen", sagt die 19-Jährige. "Das ist nicht nachhaltig."
Bundesregierung will zwei AKW als "Notreserve" bis Frühjahr 2023
Die Aktivistin bezieht sich auf die aktuelle Krisenstrategie der Bundesregierung, Kohlekraftwerke aus der Reserve zu holen, um die Stromerzeugung aus Gas zu reduzieren. Auch zwei der drei verbliebenen Atomkraftwerke sollen in Deutschland als Notreserve über den eigentlichen Abschalttermin Ende des Jahres am Netz bleiben - allerdings nur bis spätestens Mitte April 2023 und nur unter bestimmten Voraussetzungen.
Innerhalb der Ampel-Koalition gibt es dazu unterschiedliche Sichtweisen. Die FDP will eigentlich alle drei noch aktiven Atomkraftwerke länger am Netz lassen, nicht nur als Reserve. Auch in der Union werben viele dafür, die Kraftwerke bis mindestens 2024 laufen zu lassen.
Thunberg: Klimakrise muss als globale Notlage gelten
Thunberg kritisiert in dem "Maischberger"-Interview, dass die Klimakrise immer noch nicht wie eine globale Notlage behandelt werde. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass das möglich sei. Auch in Kriegszeiten dürften die Folgen der Klimakrise nicht aus dem Blick geraten: "Jeder Krieg ist ein Desaster. Auf ganz vielen Ebenen. Aber wir müssen in der Lage sein, uns mit verschiedenen Dingen zur selben Zeit zu beschäftigen."
- Zum Artikel: "Draußen brennt die Welt" - Lesch fordert Handeln in Klimakrise
In einem Interview mit der Zeitschrift "Stern" übt Thunberg derweil scharfe Kritik an bestimmten politischen und wirtschaftlichen Entscheidern. Klimasünder müssten zur Verantwortung gezogen werden, fordert die Trägerin des Alternativen Nobelpreises. Auf die Frage, ob es ein internationales Klimagericht geben müsse, antwortet Thunberg, die Menschen müssten sich klar machen, dass die wahre Verantwortung bei den Mächtigen liege. "Aus meiner Sicht müssen sie für das, was sie angerichtet haben, bezahlen."
(mit Informationen von dpa und KNA)
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