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Es prägt auch die – teils abgelehnten – User-Kommentare bei BR24: Freund- und Feind-Denken in politischen Debatten, andere abwerten, sich selbst profilieren. Manche wie BR24-User "Slime" kommen zum Ergebnis: "Immer nur Lager gegen Lager kann nicht gut gehen." Doch "sprachliche Inzivilität", so stellte es 2022 der Deutsche Sprachrat (externer Link) fest, taucht überall auf: im Internet, in der politischen Kommunikation, im Parlament.
Und so ist auch immer wieder zu lesen, was etwa Userin "Eva_Maria" schreibt: "Wenn ein Ministerpräsident und sein Stellvertreter es vormachen, wie man gegen eine demokratische Partei hetzt, dann ist der Schritt für viele Hetzer und Hater sehr viel leichter geworden und sie fühlen sich legitimiert, nach dem Motto, was der eine kann, kann ich grad so gut."
Pablo Jost ist Gastprofessor am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung der HMTM Hannover. Er gibt im BR24-Gespräch zu bedenken, dass solche Aussagen teilweise instrumentell eingesetzt würden, um anderen Verantwortung zuzuschreiben. Eine 1:1-Übernahme von Politiker-Sprache durch die Gesellschaft finde nur selten statt. "Aber es werden durchaus immer wieder bestimmte Begrifflichkeiten von politischen Akteuren etabliert, die sich dann auch im Diskurs der Nutzer niederschlagen."
"Problematisch, wenn alle versuchen, sich zu überbieten"
Tabubrüche kenne man von der AfD, sagt Jost. Doch auch Politiker demokratischer Parteien in den Parlamenten lassen teils extreme Töne anklingen. Wenn dies der Fall ist, sei es "dem Diskursklima noch abträglicher, als wenn das randständige Parteien sagen, weil deren Normübertretungen mittlerweile weniger mediale Resonanz finden", so der Kommunikationswissenschaftler. "Ich glaube, dass es langfristig für den Diskurs problematisch werden kann, wenn alle versuchen, sich zu überbieten und immer an der Grenze zur Inzivilität lang schrammen."
Aber welchen Einfluss haben Politiker eigentlich? "Sie sind für die Menschen heute sicherlich keine Vorbilder mehr, doch haben sie durch ihre Medienpräsenz trotzdem einen großen Einfluss auf sie", teilt Henning Lobin, wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache, auf BR24-Anfrage mit. Man könne durchaus sagen, dass demokratische Parteien an der Ausweitung populistischer Redepraktiken teilhaben.
"Populisten sind im Zweifel die anderen"
Polarisierung führt zu Vorwürfen wie diesen – formuliert von einem User bei BR24, aber vom Community Management abgelehnt: "Wer heute nur einen Teil der damals völlig normalen Wörter (Scheinasylanten u. ä.) des Mainstreams verwendet, ist inzwischen Verfassungsfeind, Faschist, Nazi usw." Und User "Schlawiner" führte an anderer Stelle an: "Hass und Hetze kommen mit vielen Beleidigungen vor allem von links."
Auch die Populismus-Keule kommt immer schneller zum Einsatz. Der Begriff Populismus werde "fast inflationär verwendet", meint Professor Rudolf Stöber, Inhaber des Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaft an der Universität Bamberg. "Ich glaube, dass Populisten von links, von rechts und situationsbedingt auch immer mal wieder in Wahlkämpfen in der Mitte zu finden sind, zumindest einzelne populistische Aussagen." Das Problem: "Im Zweifel ist die Beantwortung, wer ein Populist ist, ganz einfach: Es sind die anderen."
Die Welt ist komplex, doch Medien verlangen kurze Statements: "Jeder Politiker ist gezwungen, zu vereinfachen", sagt Stöber. "Die Frage ist, wie weit geht das mit der Vereinfachung? Und: Sind wir vielleicht empfindlicher geworden?" Darüber hinaus müsse beachtet werden: "In welcher Situation wird gesprochen? Wenn ich mir zum Beispiel Wahlkampfsituationen vorstelle, dann neigen selbst demokratische Politiker zu einem 'wir gegen die'."
Die Rahmenbedingungen seien entscheidend: "Inhalte wirken sehr langfristig, durch wiederholte Benutzung bestimmter Begriffe." Und noch wichtiger: "Vielleicht ändert sich die Debattenkultur viel stärker in Folge der Veränderungen in den Medien als durch Veränderungen in der politischen Sprache."
Soziale Medien verändern den Ton
Jörg Haßler, Kommunikationswissenschaftler an der LMU München, sagt dazu: "Soziale Medien verändern auf jeden Fall den Ton in politischen Debatten." Statistische Modelle zeigten, dass emotionale und negative Postings mehr Aktionen und Interaktionen durch User auslösten. Dadurch könne bei den Parteien zunehmend der Eindruck entstehen, dass sich ein solches Negative Campaigning nicht nur für die Wahlkampagne im Netz, sondern insgesamt auszahlt. Eigens dazu erhobene Daten hat Haßler zwar nicht - es gebe aber Hinweise, dass diese Annahme für Deutschland falsch sein könnte.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erklärte auf den Medientagen in München, er sei nicht bereit, "radikalen Kräften neue Technologien allein zu überlassen" und sprach dabei auch über Social-Media-Plattformen. Müssen also Politiker zuspitzen, um mitzuspielen? Dem stimmt Haßler so nicht zu und merkt an: "Emotionalisierung funktioniert gut, das muss aber nicht immer Negativität und Polarisierung sein."
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