25.04.2025, Indien, Kolkata: Eine Frau stellt eine Kerze und hält ein Transparent während eines Protest- und Solidaritätsmarsches gegen die Ermordung von Touristen durch Militante in der Nähe von Pahalgam im indisch kontrollierten Kaschmir. Foto: Bikas Das/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Gedenken in Indien nach einem Terroranschlag. Seitdem brodelt es zwischen Indien und Pakistan.

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Indien will Pakistan "keinen Tropfen Wasser" mehr überlassen

Indien will Pakistan "keinen Tropfen Wasser" mehr überlassen

Ein weiterer Schusswechsel an der Kaschmir-Grenze schürt Ängste vor einer Eskalation: Experten warnen, das Risiko sei enorm hoch – die Spannungen zwischen Indien und Pakistan verschärfen sich nach dem Terroranschlag dramatisch.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Die Spannungen zwischen Indien und Pakistan schaukeln sich weiter hoch. In der Nacht zu Freitag kam es zu einem Schusswechsel zwischen Grenzsoldaten beider Länder, wie es aus pakistanischen Geheimdienstkreisen hieß. Der Vorfall habe sich am faktischen Grenzverlauf zwischen den von beiden Ländern kontrollierten Teilen der umstrittenen Kaschmir-Region ereignet. Nach einem Terroranschlag im indisch verwalteten Teil der Region vor einigen Tagen wächst die Sorge vor einer gefährlichen Situation: Das Eskalationsrisiko sei "enorm hoch", sagte ein Experte. 

Ein Terroranschlag und die Folgen

Laut pakistanischem Geheimdienst gab es bei dem Vorfall in der Kaschmir-Region keine Toten oder Verletzten. Auch die indische Zeitung "The Indian Express" berichtete unter Berufung auf eine Militärquelle von Schüssen an der Kontrolllinie. In der Vergangenheit ist es in der Grenzregion häufiger zu Schusswechseln zwischen Soldaten gekommen, seit einigen Jahren war es dort jedoch vergleichsweise ruhig. 

Seit dem jüngsten Terroranschlag stehen jedoch die Zeichen im schwierigen Verhältnis der beiden Nachbarländer auf Konfrontation. Bewaffnete Angreifer hatten am Dienstag in einer beliebten Urlaubsgegend nahe der Stadt Pahalgam 26 Menschen getötet - vorwiegend indische Touristen. Eine islamistische Extremistengruppe hatte sich zu dem Anschlag bekannt. Die Regierung in Neu-Delhi wirft Pakistan eine Beteiligung an dem Terroranschlag vor, was der Nachbarstaat zurückweist. 

Südasien-Experte: Regierungen stehen unter Druck

Pakistan pflegt ein widersprüchliches Verhältnis zu islamistischen Gruppen. Während der Staat offiziell den Terror bekämpft, operieren islamistische Organisationen seit Jahren vom pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet aus. Besonders heikel: 2011 wurde Al-Qaida-Chef Osama bin Laden in der Garnisonsstadt Abbottabad getötet – nur wenige Kilometer von einer Militärakademie entfernt. Sein Aufenthalt dort wirft bis heute Fragen nach möglichen stillschweigenden Duldungen durch pakistanische Stellen auf.

Beide Atommächte überziehen sich seit dem jüngsten Anschlag gegenseitig mit Strafmaßnahmen, weisen Staatsbürger der jeweils anderen Seite aus und reduzieren ihre diplomatischen Beziehungen. "Die Welt sollte sehr besorgt über die derzeitige Indien-Pakistan-Krise sein", schrieb der renommierte Südasien-Experte Michael Kugelman auf der Online-Plattform X. Die Regierungen beider Länder stünden unter Druck.

Indien droht Pakistan

Indien droht nun dem Nachbarland mit Austrocknung. "Wir werden sicherstellen, dass nicht ein einziger Tropfen Wasser des Indus Pakistan erreicht", machte Indiens Wasser-Minister C.R. Paatil am Freitag im Kurznachrichtendienst "X" deutlich. Zuvor hatte Indien bereits die Kündigung des sogenannten Indus-Abkommens erklärt. Dabei geht es um die Nutzung des Indus und seiner Nebenflüsse, auf die beide Länder - besonders aber Pakistan - angewiesen sind. Der Indus entspringt in Tibet, fließt durch das indische Kaschmir-Gebiet und dann lange durch Pakistan bis zur Mündung ins Arabische Meer. Das Abkommen war 1960 geschlossen worden und hatte zwei Kriege zwischen den Nachbarstaaten überstanden.

Pakistan reagiert

Pakistan nannte die Aussetzung des Vertrags eine Kriegshandlung und drohte mit entsprechenden Gegenmaßnahmen. Islamabad schloss seinen Luftraum für indische Flüge und setzte den Handel mit dem Nachbarland aus. Auch erklärte Islamabad, es behalte sich das Recht vor, wichtige Vereinbarungen über eine Entspannung auszusetzen. Dazu gehört auch das Shimla-Abkommen von 1972, das die friedliche Bereinigung aller strittigen Fragen zwischen beiden vorsieht. 

Neue Eskalationsstufe?

Christian Wagner, Experte für Indien und Pakistan bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, spricht von einer "neuen Eskalationsstufe". Pakistan habe in der Vergangenheit angedeutet, dass mit der Reduzierung der Wasserzufuhr, die mit der Aussetzung des Indus-Wasservertrags drohe, eine rote Linie für den Einsatz von nuklearen Waffen überschritten sein könne. Dass Pakistan das Shimla-Abkommen infrage stelle, sei eine gefährliche Zuspitzung der Lage. 

Befürchtet wird, Indiens Militär könnte nach dem jüngsten Anschlag in Pakistan mutmaßliche Basen von Terrorgruppen oder andere Ziele angreifen. Pakistan könnte dann mit Gegenschlägen auf indische Ziele antworten. Schon kleinere Scharmützel am Grenzverlauf könnten rasch eskalieren - mit unübersehbaren Folgen. 

"Es ist leider davon auszugehen, dass wir noch mal eine militärische Eskalation sehen", so Wagner. Möglich wäre aber auch, dass militärische Reaktionen im begrenzten Rahmen folgen könnten, ohne den Konflikt vollständig aus dem Ruder laufen zu lassen. Eine Verschlechterung der ohnehin schon angespannten Beziehungen sei jedoch in jedem Fall zu erwarten.

Mit Informationen von dpa und Reuters

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