Die Operation "Midnight Hammer" sollte dem iranischen Atomprogramm ein Ende bereiten. Drei Atomanlagen – Fordo, Natans und Isfahan – wurden angegriffen, unter anderem mit 14 GBU-57, sogenannte bunkerbrechenden Bomben. US-Präsident Donald Trump sprach anschließend von einem "spektakulären Erfolg".
Doch ein fünfseitiger Geheimbericht des Pentagons, der New York Times und CNN vorliegt, nährt Zweifel an dieser Einschätzung. Demnach ist das iranische Atomprogramm nicht zerstört, sondern lediglich um maximal sechs Monate zurückgeworfen. Zwar zerstörten die Bomben oberirdische Gebäude, Eingänge und Stromversorgung, die unterirdischen Anlagen seien jedoch nicht eingestürzt.
Experte: Kaum Informationen verfügbar
"Was man auf den Satellitenbildern sehen kann ist, dass die Anlage in Isfahan bereits durch die israelischen Luftangriffe sehr stark in Mitleidenschaft gezogen wurde", erklärt Ulrich Kühn im BR24-Interview, er ist Leiter des Forschungsbereichs Rüstungskontrolle und neue Technologien am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH). Inwiefern das für die darunterliegenden Anlagen gelte, wisse man nicht.
Und bei Fordo, der wichtigsten Anlage, wisse man noch weniger. "Wir sehen da einige Stellen, wo scheinbar in die Ventilationsschächte die entsprechenden Bomben der Amerikaner abgeworfen worden sind." Aber wie der Schaden in 100 Metern Tiefe unter Felsgestein aussehe, sei unklar. Lediglich der Standort Natans, der an der Erdoberfläche liegt, sei "wahrscheinlich zu 100 Prozent" zerstört. Aber insgesamt wisse man "zum jetzigen Zeitpunkt man nicht so viel", bilanziert Rüstungsexperte Kühn. Iran selbst sprach von Schäden, gab aber keine Details bekannt.
Wo ist Irans Uran?
Zudem soll Iran laut dem Bericht große Teile seines angereicherten Urans zuvor in Sicherheit gebracht haben, sodass der Angriff nur einen geringen Teil des nuklearen Materials zerstört habe. Insgesamt soll Iran in Besitz von über 400 Kilogramm Uran sein, das es auf einen Reinheitsgrad von 60 Prozent angereichert hatte. Um es atomwaffenfähig zu machen, braucht es 90 Prozent. Wo Irans Uran ist, wie viel davon zerstört wurde - unklar.
Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, erklärte jüngst, dass er davon ausgehe, dass Iran Material weggeschafft haben soll. Kühn hält das ebenfalls für möglich: "Wenn ich für das iranische Atomprogramm zuständig gewesen wäre, hätte ich dafür gesorgt, dass ich jederzeit a) schnell mein Material verlegen kann und b) sicherstelle, dass es noch weitere geheime Anlagen gibt, die nicht deklariert sind, wo ein Teil dessen sowieso lagert." Doch wissen tue man das nicht. "Vor den Angriffen hatten wir mittels der Inspektoren der IAEA Einblick, zumindest in Teile des iranischen Nuklearprogramms", sagt Kühn. Aktuell befinde man sich "komplett im Blindflug".
"Komplett falsch": Trump-Regierung kritisiert Bewertung
Das Weiße Haus bestätigte die Existenz des Berichts, die Trump-Regierung widersprach der Beurteilung jedoch vehement. Verteidigungsminister Pete Hegseth erklärte: "Basierend auf allem, was wir gesehen haben – und ich habe alles gesehen – haben unsere Bombenangriffe Irans Fähigkeiten, Nuklearwaffen zu bauen, zerstört." Trumps Sprecherin Karoline Leavitt nannte den Bericht "komplett falsch" und sah in der Tatsache, dass er an die Medien durchgestochen wurde, einen "klaren Versuch, Präsident Trump zu erniedrigen".
"Da prallen zwei Interessen aufeinander", erklärt Ulrich Kühn vom IFSH. Das eine sei PR und das andere Analyse. "Die PR sagt: Natürlich war das alles wunderbar, Programm vernichtet, Krieg beendet, Frieden sichergestellt." Allerdings schränkt Kühn auch bei der Analyse des Berichts ein. "Dass das Programm nur um vielleicht zwei Monate zurückgeworfen sei, da wäre ich sehr vorsichtig." So wie Trumps Aussage wahrscheinlich übertrieben war, könne das auch beim Inhalt des Berichts der Fall sein.
Trump in Zwickmühle
Für Trump ist die Lage schwierig: Stimmen aber die Informationen aus dem Geheimbericht, muss er entweder seine ursprüngliche Sieges-Rhetorik einkassieren und über weitere Schläge entscheiden – oder hinnehmen, dass Iran womöglich schon bald weiter an Nuklearwaffen arbeitet.
Was wird er tun? "Das kann ich nicht vorhersagen, denn Donald Trump ist eine Loose Cannon", sagt Ulrich Kühn vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik. "Was aus meiner Sicht clever wäre: Wenn er jetzt die diplomatischen Verhandlungen, die die USA ja mit dem Iran geführt hatten und die Benjamin Netanjahu bewusst unterminiert hat, durch seinen Angriff auf den Iran, dass er diese Verhandlungen so schnell wie möglich wieder aufnimmt." Das Einzige, das Iran wahrscheinlich am längsten vor dem Bau einer Atombombe abhalten könne, sei Diplomatie – und keine militärischen Schläge, so Kühn.
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