"Ein gutes Signal für die Bäuerinnen und Bauern im Land", so kommentiert Bauernverbandspräsident Günther Felßner den Koalitionsvertrag. Felßner, der in der Arbeitsgruppenphase der Koalitionsverhandlungen mit am Tisch saß, begrüßt unter anderem die Wiedereinführung der Agrardieselförderung und ein Bekenntnis der neuen Regierung zur Tierhaltung.
Steuererleichterung: Der Agrardiesel soll wieder kommen
Was die Landwirte freut: Diesel für landwirtschaftliche Fahrzeuge soll wieder steuerbegünstigt werden. Letztes Jahr hatte die Ampelregierung den Agrardiesel abgeschafft. Die Begründung: kein Geld mehr im Bundeshaushalt, alle müssten sparen, auch die Landwirte. Es geht um rund 440 Millionen Euro jährlich. In Zukunft sollen auch alternative Treibstoffe wie Pflanzenöl wieder steuerbegünstigt werden, das war bereits 2022 abgeschafft worden.
Kritik am Agrardiesel kommt von Agrarökonomen wie Alfons Balmann vom Leibniz-Institut. Das sei ein "Beleg für eine Klientelpolitik. Wenn dafür Geld vorhanden sein sollte, hat die künftige Bundesregierung entweder sehr viel Angst vor den betreffenden Lobbygruppen oder sie nimmt die finanziellen Restriktionen nicht wirklich ernst."
Positive Signale an die Tierhalter
Beim Stallbau sollen laut Koalitionsvertrag genehmigungsrechtliche Hürden fallen und ein Bestandsschutz für neu- und umgebaute Tierwohlställe für mindestens 20 Jahre gelten. Bisher hatten Landwirte immer kritisiert, sie hätten keine Planungssicherheit, weil sich die Vorschriften alle paar Jahre ändern würden.
Agrarökonom Balmann jedoch zweifelt an einer 20-jährigen Bestandsgarantie. Damit suggeriere die Politik "eine Planungssicherheit, die es faktisch nicht gibt. Etwa, weil der Lebensmitteleinzelhandel teilweise eigene höhere Standards definiert."
Kein Thema mehr: Verbot der Anbindehaltung
In fast der Hälfte aller rinderhaltenden Betriebe in Bayern sind die Tiere zeitweise oder ganzjährig angebunden. Das wollte die Ampelregierung verbieten, mit Übergangsfristen. So stand es im Entwurf für ein neues Tierschutzgesetz, doch daraus wurde nichts. "Die Beratungen sind durch das "Ampel"-Aus endgültig eingestellt worden: Punkt.", konstatiert der Bayerische Bauernverband. Im aktuellen Koalitionsvertrag kommen die Wörter "Anbindehaltung" und "neues Tierschutzgesetz" nicht vor. Das Verbot der Anbindehaltung ist damit erledigt.
Weniger Vorschriften bei Pflanzenschutz?
Was die einen freut, andere schmerzt: im Koalitionsvertrag gibt es keine Reduktionswerte für Pflanzenschutzmittel. Stattdessen soll es Anreize für Präzisionslandwirtschaft und integrierten Pflanzenschutz geben. Außerdem soll die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln verbessert werden.
Lob kommt dafür unter anderem vom Deutschen Hopfenpflanzerverband: "Solange keine wirklich funktionierenden und bezahlbaren Alternativen zum konventionellen Pflanzenschutz vorhanden sind, müssen diese eingesetzt werden. Insofern scheint sich die Politik ein Stück weit wieder der Realität anzunähern, wenn auf Reduktionsziele "vom Büro aus" verzichtet wird und wieder stärker auf das "Machbare" geschaut wird." Kritik kommt dagegen vom Bund Naturschutz. Das sei ein "Freifahrtschein für Pestizide ohne Grenzen".
Das belastet die Landwirte: Höherer Mindestlohn
Auch wenn Günther Felßner, bayerischer Bauernverbandspräsident, den Koalitionsvertrag als "Chance für echten Politikwechsel" sieht, gibt es einen Kritikpunkt, bei dem man sich mit dem Deutschen Bauernverband einig ist: die Erhöhung des Mindestlohns von 12,82 auf 15 Euro pro Stunde.
Das beträfe etwa Hopfen- oder Spargelbauern, die viele Saisonarbeitskräfte beschäftigen. Die Landwirte hoffen noch auf eine Ausnahmeregelung. Denn den Selbstversorgungsgrad mit Obst und Gemüse zu erhöhen, wie es im Koalitionsvertrag als Ziel formuliert ist, das werde mit einem höheren Mindestlohn "zur Makulatur", kritisiert Joachim Rukwied, deutscher Bauernverbandspräsident.
Viel Kritik von Verbänden am Koalitionsvertrag
Den Landwirten gehen die Vorhaben von Schwarz-rot zum Teil nicht weit genug, die Umweltverbände vermissen mehr Ziele in Richtung Ökologie. So bemängelt die Interessensorganisation Freie Bauern: "Insgesamt ist der dringend erforderliche Politikwechsel leider nicht ausreichend erkennbar." Adi Schapfl, Präsident der deutschen Hopfenpflanzer, stellt fest, dass "vieles recht vage formuliert ist und deshalb nicht wirklich bewertet werden kann."
Vom Bund Naturschutz heißt es: "Insgesamt erscheint uns der Koalitionsvertrag eher ambitionslos und ohne große Visionen für eine zukünftige Landwirtschaft." Und Maria Hohenester, Geschäftsführerin der Landesvereinigung ökologischer Landbau, kritisiert, dass im Koalitionsvertrag neue genomische Techniken (NGT) als Schlüsseltechnologie gefördert und regulatorisch erleichtert werden sollen: "Alle Bio-Verbände lehnen den Einsatz von NGT-Saatgut grundsätzlich ab. Für uns hat der Schutz der gentechnikfreien Land- und Lebensmittelwirtschaft absoluten Vorrang." Von der Organisation Landwirtschaft verbindet Bayern (LSV) gibt es trotz schriftlicher Anfrage keine Stellungnahme zum Koalitionsvertrag.
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