Kiew, 08.07.24: Ein verletzter Krankenhausmitarbeiter vor den Trümmern eines zerstörten Kinderkrankenhauses.
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Kiew, 08.07.24: Ein verletzter Krankenhausmitarbeiter vor den Trümmern eines zerstörten Kinderkrankenhauses.

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"Kriegsverbrechen": Wut über Angriff auf Kinderklinik in Kiew

"Kriegsverbrechen": Wut über Angriff auf Kinderklinik in Kiew

"Durch nichts zu rechtfertigen", "unverzeihlich", "Putin übermittelt seine Grüße": Entsetzen und Wut sind groß nach dem Angriff auf eine Kinderklinik in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Italien und Litauen sprechen von einem Kriegsverbrechen.

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Die Bundesregierung hat die schweren russischen Raketenangriffe auf die Ukraine – unter anderem auf ein Kinderkrankenhaus in der Hauptstadt Kiew – scharf verurteilt. Man fordere den russischen Präsidenten Wladimir Putin auf, "diesen Angriffskrieg auf so viele unschuldige Menschen unverzüglich zu beenden", sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts in Berlin.

Russische Bomben "durch nichts zu rechtfertigen"

Insbesondere die Lage der Zivilisten und der Kinder in der Ukraine sei "in großen Teilen dramatisch", betonte die Sprecherin. Sie seien seit mehr als zwei Jahren "einem brutalen Angriffskrieg ausgesetzt, der unterscheidungslos Opfer fordert, und zwar durch russische Bomben und Angriffe, die durch nichts zu rechtfertigen sind".

Einen Tag vor dem Nato-Gipfel in Washington wurden durch schwere Raketenangriffe auf die Ukraine mindestens 31 Menschen getötet und fast 130 verletzt. In Kiew wurde ein Kinderkrankenhaus getroffen – laut dem ukrainischen Inlandsgeheimdienst SBU von einem russischen Marschflugkörper. Vor Ort seien "relevante Beweise, insbesondere Fragmente vom hinteren Teils einer Ch-101-Rakete" inklusive einer Seriennummer gefunden worden, hieß es. Bei dem Angriff wurden demnach mindestens zwei Krankenpfleger getötet und sieben weitere Menschen verletzt, darunter auch Kinder.

Die ukrainische Luftwaffe konnte nach eigenen Angaben bei dem russischen Angriff 30 von 38 Raketen abfangen. Die russischen Streitkräfte hätten Marschflugkörper, ballistische Raketen, Luftwaffenraketen und Lenkflugkörper eingesetzt und auf mehrere Städte gezielt.

Selenskyj kündigt Vergeltung an – Italien sieht Kriegsverbrechen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kündigte Vergeltung an. Die Ukraine werde auch ein Treffen des UN-Sicherheitsrates beantragen, sagt Selenskyj bei einem Besuch in Warschau. Zudem rechne sein Land beim Nato-Gipfel diese Woche mit konkreten Schritten der Verbündeten, um die ukrainische Luftverteidigung zu stärken. "Es ist sehr wichtig, dass die Welt jetzt nicht schweigt und dass jeder sieht, was Russland ist und was es tut", sagte Selenskyj.

Bei seinem Besuch in Warschau gedachte Selenskyj gemeinsam mit Polens Regierungschef Donald Tusk der Opfer in einer Schweigeminute. Tusk sagte, es gäbe "keine Worte, Dokumente oder politischen Erklärungen", die ausreichen würden, um einerseits den Aggressor zu verurteilen und andererseits Solidarität und Unterstützung für die Ukraine zum Ausdruck zu bringen.

Italien wertete den russischen Angriff auf Kiew, bei dem auch das Kinderkrankenhaus getroffen wurde, als Kriegsverbrechen. Dieses müsse von der gesamten Welt verurteilt werden, erklärte der italienische Außenminister Antonio Tajani auf der Online-Plattform X. Solche Kriegsverbrechen müssten "von der gesamten internationalen Gemeinschaft verurteilt werden". Die italienische Regierung werde weiter die Souveränität der Ukraine und ihres Volkes verteidigen.

Litauens Außenminister: "Putin übermittelt seine Grüße"

Ähnlich äußerten sich führende litauische Politiker. "Putin übermittelt seine Grüße an den Nato-Gipfel mit der Bombardierung eines Kinderkrankenhauses, als wenn es noch irgendeine Klarstellung bräuchte, warum die Ukraine jetzt jedwede erdenkliche Unterstützung und echte Garantien für ihre künftige Sicherheit erhalten muss", schrieb Außenminister Gabrielius Landsbergis auf der Plattform X.

Litauens Parlamentspräsidentin Viktorija Cmilyte-Nielsen sprach von einem "weiteren schockierenden Zeugnis von Kriegsverbrechen gegen die Ukraine". Russland feuere Raketen auf Kinderkrankenhäuser und schaffe eine russische Welt, in der es normal sei, dass Mütter unter den Trümmern nach ihren Kindern suchten, schrieb sie auf Facebook. "Es gibt keine Entschuldigung dafür, der Ukraine nicht die nötige Hilfe zu gewähren."

"Unverzeihlich, dass in diesem Krieg Kinder getötet werden"

Die UN-Koordinatorin für humanitäre Hilfe in der Ukraine, Denise Brown, verurteilte die tödlichen Angriffe. "Es ist unverzeihlich, dass in diesem Krieg Kinder getötet und verletzt werden", hieß es in einer Erklärung. Ähnlich äußerte sich der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell: "Russland nimmt weiterhin rücksichtslos ukrainische Zivilisten ins Visier", schrieb Borrell in einem Beitrag im Onlinedienst X. Die Ukraine brauche jetzt eine Luftverteidigung.

Moskau hatte zuvor eine Verantwortung bestritten und erklärt, das Krankenhaus sei von Trümmern ukrainischer Luftabwehrraketen getroffen worden. Beweise dafür legten russische Behörden nicht vor.

Ministerium: Deshalb brauchen Menschen aus der Ukraine Schutz

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte, solche Kriegshandlungen zeigten, warum so viele Ukrainer in Deutschland geschützt werden müssten. Mit Stand 3. Juli seien knapp 1,18 Millionen Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland registriert gewesen. Kinder und Jugendliche machten davon ein Drittel aus. Unter den Erwachsenen seien ungefähr zwei Drittel Frauen. Die Gesamtzahl sei relativ stabil – schon im September 2022, ein halbes Jahr nach Kriegsbeginn, sei man bei etwa einer Million Geflüchteten aus der Ukraine gewesen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kündigte an, dass Deutschland kranke Kinder in Not jederzeit aufnehme. Das habe er seinem ukrainischen Amtskollegen Viktor Lyaschko zugesagt, schrieb Lauterbach im Kurznachrichtendienst X. "Der nächste Rettungsflug startet schon am Mittwoch." Der SPD-Politiker erklärte, Putin habe erneut gezeigt, dass er ein Kriegsverbrecher sei.

Niederlande und Großbritannien: Neue Unterstützung angekündigt

Zuvor hatten Großbritannien und die Niederlande weitere Unterstützung für die angegriffene Ukraine versprochen. Deren Präsident Selenskyj kündigte in seiner abendlichen Videoansprache am Sonntag eine "weitere Stärkung" der ukrainischen Marine mit Unterstützung der beiden Staaten an.

Aus den Niederlanden wird zudem ein weiteres Patriot-System erwartet. Die Ukraine rechnet auch mit dem baldigen Eintreffen von Kampfflugzeugen vom Typ F-16 aus niederländischen Beständen. Aus Großbritannien kommen sollen neue Artilleriegeschütze, Minensucher, Panzerabwehrlenkwaffen und Munition.

Mit Informationen von dpa, AFP und Reuters

Karte: Die militärische Lage in der Ukraine

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