Die österreichische Bundesregierung zieht nach dem Amoklauf an einer Grazer Schule mit elf Toten Konsequenzen: Die Koalitionsparteien ÖVP und SPÖ haben sich auf erste konkrete Verschärfungen des im europäischen Vergleichs relativ laxen Waffenrechts geeinigt. Ganz oben steht dabei das Mindestalter, das Käufer für einige Waffen in Österreich künftig haben müssen.
Höhere Altersgrenze für Pistolen und Revolver
Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) sagte nach der Kabinettssitzung in Wien, für besonders gefährlich Waffen wie Pistolen und Revolver werde das Mindestalter von 21 auf 25 Jahren heraufgesetzt. Außerdem werde die sogenannte Abkühlphase zwischen Kauf der ersten Waffe und ihrer Aushändigung von drei Tagen auf vier Wochen erhöht.
Die Reform sieht zudem vor, dass Waffenbesitzkarten bei Neuausstellung künftig auf acht Jahre befristet werden. Personen mit schweren gerichtlichen Vorstrafen oder laufenden Ermittlungen wegen besonders schwerer Delikte sollen generell vom Waffenbesitz ausgeschlossen werden.
Ziel sei es, potenzielle Gefahren frühzeitig zu erkennen und den Zugang zu besonders gefährlichen Waffen deutlich zu erschweren, so Stocker. Eine neue Bedeutung sollen deshalb auch die psychologischen Tests bekommen, die Waffenkäufer machen müssen. In Zukunft werde obendrein der Datenaustausch zwischen Bundesheer und Waffenbehörden möglich, ergänzte der Kanzler. Der Amokschütze war bei seiner Musterung als psychisch instabil ausgemustert worden – die Behörden wussten davon aber nichts.
Für Jäger ändert sich nichts
Die ÖVP ist damit weitgehend auf einer Linie mit dem Koalitionspartner SPÖ. Deren Vorsitzender und Vizekanzler Andreas Babler fasst die Pläne so zusammen: "Wer gefährlich ist, soll keine Waffen mehr besitzen." Vorläufig unangetastet bleibt laut Babler aber die Möglichkeit, Waffen einer bestimmten Kategorie bereits mit 18 Jahren zu erwerben. Damit ist zum Beispiel der Kauf einer Schrotflinte mit 18 Jahren weiter möglich. Es soll aber ein verpflichtendes psychologisches Gutachten für die Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen eingeführt werden.
Für Jäger ändere sich hingegen nichts, hieß es. Zwar habe es auch hier einen Vorfall gegeben, erläutert Stocker, doch grundsätzlich gehe man von einem verantwortungsvollen Umgang mit Waffen in dieser Gruppe aus.
Ein 21-jähriger Österreicher hatte am 10. Juni an seiner ehemaligen Schule in Graz neun Jugendliche und eine Lehrerin erschossen. Der Täter beging im Anschluss Suizid. Sein Motiv ist weiter unklar. Die Ermittlungen ergaben allerdings, dass er ein großer Bewunderer von Amokschützen war. Zudem soll er intensiv sogenannte Ego-Shooter gespielt haben – ein Computerspiel-Genre, das aus der Ich-Perspektive gesteuert wird.
Regierung kündigt Entschädigungsfonds für Hinterbliebene an
Zur Prävention solcher Taten werde die Zahl der Schulpsychologen in den nächsten drei Jahren verdoppelt, erklärte Stocker. "Schulpsychologie muss künftig nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel sein", so der Regierungschef. Auch der Zutritt zu Schulen in der Alpenrepublik soll neu geregelt werden. Wann die Pläne vom Parlament beschlossen werden, ist aber noch unklar.
Die Polizeipräsenz an den Bildungseinrichtungen werde bis zum Ende des Schuljahres in knapp zwei Wochen erhöht, sagte die Vorsitzende der liberalen Neos und österreichische Außenministerin Beate Meinl-Reisinger. Mit einem Entschädigungsfonds in Höhe von 20 Millionen Euro sollen Hinterbliebene der Opfer von Graz und die Schule unterstützt werden.
1,5 Millionen registrierte Waffen in Österreich
Im internationalen Vergleich galt Österreich bislang als Land mit einigermaßen offenem Zugang zu Waffen. Laut Innenministerium sind derzeit rund 1,5 Millionen Waffen registriert – verteilt auf etwa 370.000 Personen. Experten zufolge liegt Österreich damit bei der Waffendichte im oberen Bereich innerhalb der Europäischen Union. Für besonders gefährliche Waffen ist eine behördliche Genehmigung in Form einer Waffenbesitzkarte erforderlich. Insgesamt leben in Österreich über neun Millionen Menschen.
Mit Informationen von dpa und Reuters
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