Die Gruppierung "Volksfront zur Befreiung Palästinas" (PFLP), die seit 2002 von der EU als Terrororganisation eingestuft wird, hat ihre Webseite bis Mitte Oktober über Server in Deutschland und Kanada betrieben. Dies zeigen Recherchen des Bayerischen Rundfunks, die ein IT-Experte bestätigt. Auf der Webseite der PFLP werden antisemitische, anti-israelische und antiwestliche Inhalte verbreitet. Zudem verweist die Terrororganisation auf Social-Media-Kanäle wie Telegram, über die sie ebenfalls kommuniziert.
Die betroffene Firma räumt die Nutzung ihrer untervermieteten Server in Deutschland durch die PFLP auf Anfrage ein. Steven Stalinsky vom US-amerikanischen Forschungsinstituts MEMRI in Washington erklärt, dass die PFLP an dem von der Hamas angeführten Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 beteiligt gewesen sei. Bei diesem koordinierten Angriff, der als einer der verheerendsten in der Geschichte des Nahost-Konflikts gilt, wurden mehr als 1.000 Menschen getötet.
"Die PFLP hat in Echtzeit Videos von ihren Mitgliedern gepostet, die an dem Anschlag teilnahmen", so Stalinsky. In einem Interview, das MEMRI ausgewertet hat, räumt ein hochrangiger Medienvertreter der PFLP ein: "Die PFLP war eine der Gruppierungen, die an der Operation vom 7. Oktober teilgenommen haben, und sie ist nach wie vor gut im Kampf vertreten." Stalinsky erklärt: "Die Inhalte auf der PFLP-Webseite sind nichts anderes als Terrorpropaganda."
EU-Sanktionsliste: Geschäfte mit Terrororganisationen verboten
Durfte die Firma in Deutschland Propaganda einer verbotenen Organisation über ihre Server verbreiten? Auf Anfrage erklärt das Bundesinnenministerium (BMI), dass auf EU-Ebene verhängte Sanktionsmaßnahmen zu einem umfassenden Verfügungsverbot führen. Dies schließt das Einfrieren sämtlicher Gelder und wirtschaftlicher Ressourcen der betroffenen Organisation ein. Zudem gilt dem BMI zufolge ein Bereitstellungsverbot, das es untersagt, der sanktionierten Organisation wirtschaftliche Mittel oder Ressourcen jeglicher Art zur Verfügung zu stellen. "Hiervon ist auch das Verbot von Geschäftsbeziehungen zu Terroristen und terroristischen Organisationen umfasst, diese dürfen mit der PFLP nicht eingegangen werden", so das BMI. Verstöße hiergegen seien in Deutschland strafbewehrt.
Saman Nazari von der "Alliance4Europe", eine Organisation zur Identifizierung und Abwehr von Desinformation, fordert, die Überwachung von Sanktionen zu verschärfen: "Ausländische Informationsoperationen stützen sich oft auf Server in der EU. Diese Praxis untergräbt das Sanktionssystem weiter und erfordert dringende Maßnahmen sowohl von Anbietern als auch von Regulierungsbehörden."
PLFP in Deutschland nicht verboten
Laut Bayerischem Verfassungsschutz mobilisiert die PFLP "mittels ihrer Funktionäre oder Mitglieder zu propagandistischen Aktionen und Versammlungen." Sie bestreite das Existenzrecht Israels und propagiere offen den bewaffneten Kampf gegen den jüdischen Staat.
Doch wie steht es um die PFLP in Deutschland? Das Bundesinnenministerium antwortet dem BR dazu: "Die PFLP ist in Deutschland nicht durch das BMI verboten worden." Hans-Jakob Schindler von der internationalen Organisation "Counter Extremism Project", die terroristische Aktivitäten im Netz überwacht und Sicherheitsbehörden berät, findet es völlig unverständlich, dass die PFLP zwar auf der EU-Terrorliste steht, in Deutschland aber nicht verboten ist.
Schindler sieht darin eine Inkonsistenz in der deutschen Terrorbekämpfung: "Es ist völlig klar, dass die PFLP auch in Deutschland rechtlich eine Terrororganisation ist, weil sie auf der EU-Terrorliste steht. Natürlich ist es einfacher, wenn zusätzlich auf der Listung der EU-Terrorliste auch noch in Deutschland ein Betätigungsverbot erlassen werden kann. Damit hat man ein eingeübtes rechtliches Instrumentarium, um gegen solche Gruppen vorzugehen."
Es gehe vor allem darum, ein politisches Signal zu setzen, so Schindler. Dass ein solches Verbot bei der PFLP bisher ausgeblieben ist, beschäftigt auch das politische Berlin – und das nicht erst seit dem Massaker vom 7. Oktober 2023. So gab es im Herbst 2021 eine parlamentarische Anfrage der FDP an die damalige schwarz-rote Bundesregierung. Ob die Regierung ein Verbot geprüft habe, wollte die FDP damals wissen. Die Antwort: "Die Bundesregierung äußert sich generell nicht zu Verbotsüberlegungen, unabhängig davon, ob zu solchen Überlegungen im Einzelfall Anlass besteht."
Der Allgäuer FDP-Bundestagsabgeordnete Stephan Thomae sieht vorrangig das SPD-geführte Bundesinnenministerium in der Pflicht: "Wir dürfen Terrororganisationen keinen Raum bei uns lassen. Deutschland muss Konsequenzen daraus ziehen, dass die PFLP auf der EU-Terrorliste steht. Solche Konsequenzen können ein Betätigungsverbot oder ein Vereinsverbot sein."
Europäische Rabbinerkonferenz kritisiert fehlendes Verbot der PFLP
Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz, verweist auf die zunehmende Gewalt gegen Juden in Europa. Aus seiner Sicht ist es skandalös, dass die PFLP in Deutschland bislang nicht verboten wurde und Terrororganisationen wie diese weiterhin ungehindert in Europa stationierte Server nutzen können. Die Antisemitismusbekämpfung der EU und der Schutz europäische Rechtsgüter erwiesen sich damit als hohle Phrase. Der jahrelange laxe Umgang mit Terrororganisationen wie Hamas, Hisbollah und der PFLP und ihren Terrorsponsoren wie dem Iran zeige in erschreckender Weise "mit welcher Naivität unsere Politik solchen Sicherheitsrisiken begegnet, während manche europäische Firma daraus noch Kapital schlägt." Auf BR-Anfrage räumt die Server-Firma ein, dass Maßnahmen ergriffen worden seien.
Kleiner Hörtipp für Sonntag, den 1. Dezember, um 8 Uhr: Politik und Hintergrund – Redaktion und Moderation: Thies Marsen. Zu hören auf BR24 on air oder im Livestream. Die XL-Fassung ist bereits jetzt im Podcast verfügbar.
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