Für Bayern ist der Fall klar. Seit August vergangenen Jahres hat die Polizei im Freistaat Software des US-Anbieters Palantir im operativen Einsatz. Dessen verfahrensübergreifende Recherche- und Analyseplattform VeRa erlaube es, bei Ermittlungen, "große Datenmengen aus verschiedensten Quellen zeitnah und verlässlich auszuwerten, aufzubereiten und wichtige Erkenntnisse in hoher Geschwindigkeit zu generieren", so das Staatsministerium des Innern.
Im Laufe der VeRa-Ausschreibung ist das Ministerium zu der Erkenntnis gekommen, "dass derzeit und nach unserem Dafürhalten auch in absehbarer Zeit kein deutsches – respektive europäisches –Unternehmen bzw. Konsortium in der Lage sein wird, ein konkurrenzfähiges Produkt anzubieten". Andere Bundesländer bewerten die Arbeit des Konzerns mit Hauptsitz in Denver ähnlich positiv.
Trump-Unterstützer mit Führungsrolle bei Palantir
So nutzen auch Hessen und Nordrhein-Westfalen Palantir-Technik. Baden-Württemberg arbeitet nach BR-Informationen aktuell daran, dafür die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen. Auch Berlin prüft den Einsatz, teilt die Senatsverwaltung für Inneres dem Sender mit.
Palantir ist seit Jahren umstritten. Kritiker sehen das Unternehmen von CEO Alex Karp vor allem als "Datenkrake". Mitgründer, Großaktionär und Verwaltungsratsvorsitzender von Palantir ist Peter Thiel, ein langjähriger Unterstützer und finanzieller Förderer von US-Präsident Donald Trump sowie seinem Vize JD Vance.
Entsprechend groß war nach der Bundesratssitzung vom 21. März der mediale Aufschrei. Mehrheitlich verabschiedete die Länderkammer an dem Tag eine Entschließung mit dem Titel "Neuausrichtung polizeilicher IT (P20) sowie interimsweise zeitnahe Bereitstellung einer gemeinsam betriebenen automatisierten Datenanalyseplattform".
Mehrere Bundesländer lehnen Palantir weiter ab
Obwohl Palantir darin mit keinem Wort auftauchte, interpretierte manches Medienhaus in Deutschland den Vorgang als Schritt hin zu einem bundesweiten Zuschlag für Palantir. Und selbst im europäischen Ausland wurde die Entscheidung registriert.
"Deutschland will Spitzel-Software flächendeckend einsetzen", titelte etwa "Der Standard" (externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt) – eine Zeitung aus dem zuletzt an Geheimdienstskandalen nicht armen Österreich.
Recherchen des Bayerischen Rundfunks zeigen: Das ist nicht der Fall. So sprachen sich Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern noch im Bundesrat laut Plenar-Protokoll für eine europäische Lösung aus, die "eine Nutzung von Produkten des marktführenden, US-amerikanischen Anbieters Palantir ausschließt". Ein entsprechender Antrag Hamburgs, den neben Mecklenburg-Vorpommern fünf weitere Bundesländer (Bremen, Niedersachsen, Saarland, Schleswig-Holstein, Thüringen) unterstützten, erreichte nicht die erforderliche Mehrheit.
Europäische Lösung favorisiert
Die genannten, sowie weitere Bundesländer teilten dem BR auf Anfrage mit, dass sie nicht beabsichtigen, ihre Polizeibehörden mit Palantir-Software auszurüsten. "Trotz technischer Leistungsfähigkeit bestehen aus unserer Sicht Bedenken hinsichtlich langfristiger Abhängigkeiten von einem US-Anbieter und der Vereinbarkeit mit europäischen Datenschutz- und Sicherheitsstandards", teilt etwa das saarländische Innenministerium mit.
Bremen und Niedersachsen, wie das Saarland SPD-regiert, bevorzugen eine europäische Lösung. "Eine europäische Lösung wäre vor dem Hintergrund eines hochgesicherten Datenschutzes und möglicher Ausleitungsoptionen die zu unterstützende Zielvariante", so ein Sprecher des Innensenators der Hansestadt.
Bremen hat momentan den Vorsitz der Innenministerkonferenz inne. Auch das im schwarz-grün regierte Schleswig-Holstein steht Palantir skeptisch gegenüber. "Es gibt auch andere Anbieter [...], die eine entsprechende Software zur Verfügung stellen und die Schleswig-Holstein derzeit präferiert", so das dortige Innenministerium.
BMI: Auf Palantir-Kritikerin Faeser folgen Palantir-Befürworter von der CSU
Im Bundesinnenministerium sieht Noch-Ressortchefin Nancy Faeser (SPD) Palantir dem Vernehmen nach skeptisch. 2023 war dort eine angedachte Einführung gestoppt worden. Diese hätte Polizei-Behörden wie dem Bundeskriminalamt, der Bundespolizei und dem Zoll-Kriminalamt ermöglicht, mit Palantir-Software zu arbeiten.
Nachdem sich Union und SPD in ihren Koalitionsverhandlungen darauf geeinigt haben, dass zukünftig die CSU das Ministerium führt, dürfte das US-Unternehmen auf Bundesebene wieder bessere Karten haben.
Auf BR-Anfrage teilt das BMI momentan nur mit: "Die Länder entscheiden in eigener Zuständigkeit und Verantwortung über die Angelegenheiten ihrer Landespolizei." Und: Der Aspekt der digitalen Souveränität sei für das Ministerium "grundsätzlich wichtig und erstrebenswert".
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