Noch stehen die Rauchschwalben, anders als die Mehlschwalben, nicht auf der Roten Liste für bedrohte Tierarten. Doch ihre Brutbestände gehen merklich zurück, so dass auch sie schon bald als gefährdet gelten könnten. Wenn die Tiere im Frühjahr aus ihren Winterquartieren südlich der Sahara zu uns zurückkehren, finden sie immer weniger Nistmöglichkeiten. Sei es, weil Gebäude saniert werden und dabei vorhandene Nester zerstört werden, sei es, weil Hausbesitzer und Bewohner die Nester entfernen, um Verunreinigungen durch Kot und Nistmaterial zu vermeiden – auch wenn dies streng verboten ist.
Weniger Nistplätze und Insekten
Auf den Bauernhöfen verschwinden nach und nach die alten Kuhställe, in deren gemauerten Gewölben sich die Rauchschwalben dicht unter der Decke so wohl fühlen. Moderne Ställe sind entweder verschlossen und bieten Schwalben keine Einflugmöglichkeiten mehr. Oder sie sind zu hell und zu offen mit zu viel Luftzug: Gut und angenehm für Rinder, aber eben nicht für die Rauchschwalben, die es lieber dunkel und zugluftfrei mögen. Zudem sorgen ein Rückgang der Weidewirtschaft, der Anbau von Monokulturen und der Einsatz von Pestiziden dafür, dass es weniger fliegende Insekten gibt - die Nahrungsgrundlage der Schwalben.
Landwirte helfen mit
Dabei ist es nicht schwer, den Schwalben auch in modernen Laufställen Nist- und Brutmöglichkeiten zu bieten, meint Landwirt Johann Gallhauser aus Oberflossing bei Mühldorf. Vor zwanzig Jahren nisteten "seine Schwalben" noch im Gewölbe des alten Anbindestalls mit damals 36 Kühen. Als er damals einen neuen Laufstall baute, blieben einige Schwalben im alten, nun leeren Stall zurück. In den neuen Stall sind die Vögel erst einmal nicht eingezogen, sagt Johann Gallhauser: "Ja, die ersten vier, fünf Jahre waren wirklich keine Schwalben da, sie mussten sich erst akklimatisieren. Das war alles ungewohnt. Sie haben auch nicht so genau gewusst, wo sie ihre Nester platzieren sollen. Das hat ein paar Jahre gedauert, bis sie einen Platz gefunden haben, aber mittlerweile fühlen sie sich da genauso wohl."
"Kein Aufwand"
Aufwand habe seine Familie mit den Schwalben nicht. "Wir geben ihnen die Gelegenheit zum Nesterbauen und zum Brüten, aber alles andere erledigen die selber", sagt der Landwirt fast ein bisschen zu bescheiden. Denn neben dem Platz im Stall brauchen die Tiere noch mehr: eine ständige Einflugmöglichkeit, etwa durch gekippte Fenster. Außerdem raue Seitenwände oder Tragkonstruktionen zum Beispiel aus Holz, wie bei den Gallhausers. Außerdem Insekten, vor allem Fliegen. Und schließlich Heu und Stroh sowie unversiegelte Flächen mit Lehm, aus dem die Vögel ihre Nester bauen können. All das gibt es auf dem Hof.
LBV: Landwirte wichtig für den Arterhalt
Wie wichtig Landwirte wie die Gallhausers und ihre Betriebe für den Erhalt der Schwalben sind, betont Sylvia Weber vom Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV). Sie ist Projektleiterin für den Artenschutz an Gebäuden. Ist der Rückgang der Schwalbenpopulationen aus ihrer Sicht noch aufzuhalten? "Hoffnung", sagt Sylvia Weber, "habe ich dann, wenn unsere landwirtschaftlichen Flächen erhalten bleiben. Das heißt, wenn die Landwirte auch wirklich weiter ihre Flächen bestellen, ihr Vieh halten, ihre Äcker bewirtschaften."
Weniger Bauern, weniger Schwalben
Dabei komme es auch auf die Landwirte im Umland der Ballungszentren an, sagt Weber: "Es ist ja so ein bisschen ein Trend jetzt gerade im Münchner Raum, wo ich aktiv bin, dass die Grüngürtel-Bauern eher ihre Landwirtschaft aufgeben, weil es sich nicht mehr rentiert oder weil die Bedingungen zu schlecht werden. Jeder Landwirt weniger ist auch einer weniger, der vor allem Rauchschwalben im Stall hat und einer mehr, der dann vielleicht statt des alten Bauernhofes und der Stallungen eine Einfamilienhaussiedlung baut, wo die Leute dann die Nester der Mehlschwalben nicht dulden." Insofern komme den Landwirten eine Schlüsselrolle beim Erhalt dieser Arten zu.
Auch die "Städter" können helfen
Während manche Landwirte bewusst auch wieder gute Bedingungen für die Schwalben schaffen – durch offene Zugänge zu Ställen oder Bretter und Nisthilfen an den Wänden - können auch Städte und Gemeinden ihren Teil zum Erhalt der Tierart beitragen. Denn die Vögel schätzen nicht nur Gehöfte und Viehställe, sondern halten sich auch gerne in der Nähe des Menschen auf und brüten auch in der Stadt. Wie die Voraussetzungen hierfür geschaffen werden können, zeigt sich in Mühldorf am Inn. Im Jahr 2013 gab es am Stadtplatz mit seinen Arkaden nur noch ein einziges Rauchschwalben-Nest – im Durchgang eines Glasereibetriebs auf einer Lampe. Der Glaser hatte es immer dort belassen und nur ein Brett darunter gebaut gegen den Schmutz, den seine Gäste hinterließen.
Werben für die Schwalben
Die Vogelschützer der örtlichen LBV-Gruppe machten sich mit Unterstützung der Unteren Naturschutzbehörde beim Landratsamt daran, den Stadtplatz für die Vögel wieder attraktiver zu gestalten. Hausbesitzer und Ladeninhaber wurden gezielt angesprochen, um sie zur Duldung der Tiere zu bewegen und ihnen sogar Nisthilfen anzubieten, damit die Vögel auch dort brüten können, wo es die glatten Wände der Gebäude nicht zulassen. Gegen den Dreck aus Kot und Nistmaterial wurden nach und nach Kotbretter angebracht. Das Ergebnis kann sich heute, gut zehn Jahre später, sehen lassen.
Mühldorf: 30 Nester am Stadtplatz
Wer in diesen Tagen über den historischen Stadtplatz von Mühldorf geht, dem fliegen überall Rauchschwalben um die Ohren, oft nur knapp am Kopf vorbei. In den Arkaden der jahrhundertealten Häuser finden sich mittlerweile 30 Nester, die meisten in Nisthilfen, die Hausbesitzer und Geschäftsleute angebracht haben. Doch auch in Mühldorf sind längst nicht alle überzeugt. An einigen Geschäften findet man bis heute weder Nisthilfen noch Nester. Doch dort, wo es sie gibt, sind die Inhaber froh über die Tiere – zum Beispiel beim alten Hutmodengeschäft Lisa Greiner oder beim Bioladen MiLaMü.
Attraktion für Einheimische und Gäste
Die Mühldorfer Schwalben gehören mittlerweile zum Stadtbild. Immer wieder bleiben Menschen, Einheimische wie Besucher, stehen und schauen dem Treiben der kleinen Vögel zu, freuen sich über die haarscharfen Vorbeiflüge, beobachten die Eltern bei der Fütterung ihrer Jungen – was leicht möglich ist, denn die Tiere, die grundsätzlich die Nähe zum Menschen suchen, sind hier besonders zutraulich. Bis auf wenige Meter kann man sich ihnen nähern, ohne sie zu verscheuchen.
Lehmstellen in der Stadt würden helfen
Futter, also Insekten, Baumaterial wie Pflanzenteile, eine geeignete Stelle in Gewölben, unter Dächern oder – wie im Fall der Mehlschwalben – unter Dachvorsprüngen, brauchen die Tiere zum Nestbau und zur Aufzucht ihrer Jungen. Und: feuchten Lehm. Denn wo es keine Nisthilfen gibt, bauen sich die Tiere ihre Nester auch selbst. Feuchter Lehm verbindet dabei die Pflanzenteile und gibt dem Nest Stabilität. Das, sagt Martin Rader von der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt Mühldorf, wäre auch in der Stadt eine große Hilfe für die Tiere: "In so einem Fall könnte man einfach selbst Flächen schaffen, die nicht allzu weit von den Brut- oder Nistplätzen der Rauchschwalben entfernt sind, etwa 300 Meter, da könnte man auch künstlich Lehmstellen schaffen, die man dann in den heißen Sommermonaten auch regelmäßig bewässern muss."
Insektenfreundliche Gärten und Balkone
Jeder, der einen Garten oder auch nur einen Balkon besitzt, kann die Schwalben zusätzlich unterstützen, meint Sylvia Weber vom LBV: "Er kann zum Beispiel seinen Garten naturnah bewirtschaften. Übrigens auch in der Stadt jeder auf seinem Balkon, weil es lauter so kleine grüne Mosaik-Biotope sind, die dazu führen, dass sich die Insekten-Situation in Städten und Dörfern einfach noch weiter verbessert." Dass auch Behörden einen Beitrag leisten können, zeigt das Beispiel des Finanzamts Mühldorf. 2021 wurde vor dem Gebäude, nur wenige hundert Meter vom Stadtplatz entfernt, statt Rasen eine Blühfläche angelegt.
Auf jeden Fall beraten lassen
Wer Schwalbennester an seinem Haus hat, darf sie auf keinen Fall ohne Genehmigung entfernen, denn das ist nach § 44 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) strafbar und kann empfindliche Geldstrafen bis in den vierstelligen Bereich nach sich ziehen. Auch leere Nester dürfen nicht entfernt werden, da sie von den standorttreuen Vögeln in der nächsten Saison wieder genutzt werden. Besser sei es, so Martin Rader vom Landratsamt Mühldorf, sich bei der Behörde oder einem Naturschutzverband wie LBV oder NABU beraten zu lassen.
Die Fassade vor Verschmutzung zu schützen, sei meist einfach: "Man kann sogenannte Schwalbenbrettchen oder Kotbrettchen aufhängen, circa 50 Zentimeter unter dem Niststandort. Darauf landen die Hinterlassenschaften der Vögel. Und dieses Kotbrettchen reinigt man dann, nachdem die Vögel in wieder in den Süden gezogen sind am Ende des Jahres und macht es wieder sauber."
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!