Afrikanischer Krallenfrosch (Xenopus laevis): An den Kaulquappen wurde die Wirkung von Glyphosat untersucht
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Afrikanischer Krallenfrosch (Xenopus laevis): An den Kaulquappen wurde die Wirkung von Glyphosat untersucht

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Studie zu Glyphosat: Massive Schädigung von Amphibien

Studie zu Glyphosat: Massive Schädigung von Amphibien

Glyphosat als Reinstoff kann zu massiven Schädigungen von Amphibien führen. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Universität Ulm. Dokumentiert wurden bei Kaulquappen Missbildungen des Körpers, der Augen, der Hirnnerven und der Herzen.

Seit den 1970er Jahren kommt Glyphosat weltweit in der Unkrautbekämpfung zum Einsatz. Bis heute auch in der EU, wo die Zulassung erst Ende 2022 für ein weiteres Jahr verlängert wurde. Glyphosat ist ein sogenanntes "Totalherbizid", das unselektiv, also auf alle Pflanzen wirkt, indem es ein Enzym blockiert, das zur Synthese von Aminosäuren in den Blättern benötigt wird. Da dieses Enzym nur in Pflanzen vorkommt, ging man lange davon aus, dass Glyphosat keine Auswirkungen auf andere Lebewesen hat.

Dass dem nicht so ist, haben mehrere Untersuchungen gezeigt. Die jüngste ist eine Studie der Universität Ulm. Sie belegt, dass nicht nur das verkaufte Produkt mitsamt seinen Beistoffen schwere Schädigungen an Embryonen von Amphibien hervorruft, wie in einer früheren Studie gezeigt, sondern auch der reine Wirkstoff Glyphosat - ohne die Beistoffe. Die Defekte zeigten sich "an einer hohen Anzahl von Embryonen von unterschiedlichen Elterntieren". Damit seien die erhobenen Daten "wissenschaftlich gesehen sehr valide und zeugen von einer sehr hohen Aussagekraft", so Professor Susanne Kühl vom Institut für Biochemie der Universität Ulm.

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Totalherbizid: Glyphosat wirkt auf alle Pflanzen, indem es ein Enzym blockiert, das zur Synthese von Aminosäuren in den Blättern benötigt wird

Missbildungen, verkürzte Nerven, verkleinerte Herzen

In ihren Versuchen setzten Susanne Kühl und ihre Doktorandin Hannah Flach Embryonen des Krallenfroschs über einen Zeitraum von vierzehn Tagen unterschiedlich hohen Konzentrationen von Glyphosat aus, zwischen 0,1 und 243 Milligramm pro Liter. Eine Kontrollgruppe von Embryonen erhielt kein Glyphosat.

Während sich die unbehandelten Kaulquappen normal entwickelten, führte die Behandlung mit Glyphosat zu massiven Entwicklungsdefekten: Verkürzte Körper, verkleinerte Augen, missgebildete und verkürzte Hirnnerven, verkleinerte Herzen.

Der Herzschlag verlangsamte sich. Beobachtet wurde zudem eine gesteigerte Mobilität - möglicherweise ein Hinweis auf Stress. Da die Embryonen des Krallenfroschs mit einem bis sechs Millimetern vergleichsweise groß und auch robust seien, sagt Susanne Kühl, ließen sich die Ergebnisse der Studie durchaus auf andere Tiere übertragen: "Wir können daher vermuten, dass andere, kleinere Amphibienarten schon auf niedrigere Glyphosat-Mengen negativ reagieren. So wahrscheinlich auch der hier lebende Laubfrosch."

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Doktorandin Hannah Flach und Prof. Dr. Susanne Kühl von der Universität Ulm

Entwicklungsdefekte schon ab 0,1 Milligramm

Erste Entwicklungsdefekte beobachteten die Forscherinnen schon bei einer Konzentration von 0,1 Milligramm Glyphosat pro Liter Wasser - einer Konzentration, die in der Umwelt oft überschritten wird. "Aktuelle Befunde", sagt Hannah Flach von der Uni Ulm, "haben in natürlichen Gewässern deutlich höhere Glyphosat-Konzentrationen gefunden, wie zum Beispiel in Portugal, China und Argentinien."

Bestätigung anderer Studien

Die Ergebnisse der Ulmer Studie bestätigen die Untersuchungen anderer Wissenschaftler wie denen von Professor Carsten Brühl, zuständig für Ökotoxikologie am Institut für Umweltwissenschaften der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität (RPTU) in Landau. Auch er hat die Auswirkungen von Glyphosat und anderen Pestiziden auf Amphibien untersucht - nicht nur im Wasser, sondern auch an Land, was bisher sehr wenig untersucht sei, so Brühl: "Amphibien leben hauptsächlich an Land, das ist wenig beachtet, aber auch dort werden Pestizide aufgenommen. Wir haben auch mit Kollegen von der Uni Wien mit Glyphosat gearbeitet und auch im Gewässer und da auch festgestellt, dass Glyphosat die Entwicklung von Erdkröten behindert. Da waren die Schwänze der Kaulquappen deformiert."

Wie kommen Amphibien in Kontakt mit Glyphosat?

In Kontakt mit Glyphosat können Amphibien entweder kommen, wenn sie sich an Land begeben oder aber durch den Eintrag des Herbizids in Gewässer. Dass Glyphosat selbst nicht luftgängig sei, sei dabei kein Schutz, so Carsten Brühl, denn der Stoff könne sich an Staubpartikel binden und mit diesen dann sehr wohl durch die Luft verfrachtet werden: "Wir haben jetzt in anderen Untersuchungen auch gezeigt, dass für viele Pestizide, wo man annimmt, dass die eigentlich in der Luft nicht verfrachtet werden, dass die quasi auf dem Acker, wo sie ausgebracht wurden, bleiben, dass es überhaupt nicht stimmt. Dass die eine sehr größere Verbreitung haben als bisher angenommen."

Warum schädigt Glyphosat überhaupt Tiere?

Eine zentrale Frage, die die Studie der Uni Ulm und andere Studien davor aufwerfen, ist, warum Glyphosat, das eigentlich in den Pflanzenstoffwechsel eingreift, auch auf Tiere wirkt. "Ursprünglich ist es tatsächlich so", sagt Susanne Kühl von der Uni Ulm, "dass man davon ausgegangen ist, dass Glyphosat wenig toxisch auf Tiere wirkt, da es eben sehr spezifisch einen Stoffwechselweg angreift, den es so eigentlich nur in Pflanzen gibt." Auch wenn der genaue Wirkmechanismus in Tieren bislang noch gar nicht richtig beschrieben sei, zeige die aktuelle Studie, "dass die Behandlung mit Glyphosat zu einer verminderten Aktivität eines bestimmten Gens führt. Und dieses Gen ist eben ein ganz wichtiger Schlüsselfaktor für die Herzentwicklung."

Wieviel Glyphosat ist in unseren Gewässern?

Die Konzentration von 0,1 Milligramm Glyphosat pro Liter Wasser wird hierzulande nicht erreicht. In Ulm verweist man auf eine Studie des Instituts für Pflanzen-Pathologie der Universität Florida, die für Deutschland einen Wert von 0,0025 Milligramm pro Liter angibt - also weit unterhalb von 0,1 Milligramm. Für Bayern verweist das Landesamt für Umwelt (LfU) darauf, dass die heimischen Fließgewässer und Seen "in regelmäßigen Abständen auf rund 200 Parameter, unter anderem auf Glyphosat, untersucht" würden. Der Wert für das Herbizid Glyphosat werde an 230 Messstellen in Bayern erhoben. Öffentlich einsehbar sind die Messwerte auf der Seite "Gewässerkundlicher Dienst". Bei der Durchsicht durch alle Messergebnisse der letzten Jahren finden sich maximale Glyphosat-Konzentrationen von 1,4 Mikrogramm, also 0,0014 Miligramm.

Argentinien: 105 Milligramm pro Liter

Ganz anders sieht es in anderen Ländern aus. Frankreich liegt mit einem Wert von 0,086 mg/l bereits nahe bei der Dosis, bei der in Ulm Missbildungen auftraten. Portugal überschreitet diese deutlich mit 2,45 mg/l. In den USA finden sich Konzentrationen von 1,7 mg/l, in China gar von 15,21 mg/l und in Argentinien, einem Mitgliedsstaat des vor dem Abschluss stehenden MERCOSUR-Abkommens mit der EU, wurden sogar 105 Milligramm Glyphosat pro Liter Wasser gemessen - mehr als das Tausendfache der Konzentration, bei der es in Ulm zu Missbildungen kam.

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Feld im Landkreis Eichstätt, das mit Glyphosat behandelt wurde, um Beikräuter und Pflanzenreste zu töten, bevor später Mais ausgesät wurde

Pestizide: Kritik an Messverfahren und Grenzwerten

Auch wenn die hierzulande gemessenen Glyphosat-Konzentrationen weit geringer sind als die, die in anderen Ländern gemessen werden, stellen Pestizide - über den Wirkstoff Glyphosat hinaus - auch bei uns eine ernstzunehmende Gefahr für aquatische Lebensgemeinschaften dar. Darauf weist eine Studie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig hin, die 2021 veröffentlicht wurde. Forscher hatten damals zwei Jahre lang an mehr als 100 Messstellen entlang von Bächen in Agrarlandschaften Proben entnommen.

"Ereignisprobe" statt "Schöpfprobe"

Dabei entnahmen die Forscher nicht nur die in der EU-Wasserrahmenrichtlinie als Standard vorgegebenen "Schöpfproben", sondern auch sogenannte "Ereignisproben". Dabei entnimmt ein automatisch gesteuerter Probennehmer nach Niederschlagsereignissen Wasserproben aus dem Gewässer. Die "Ereignisprobe", sagt Professor Matthias Liess vom UFZ, "liefert wesentlich realistischere Ergebnisse, da die Pestizide insbesondere bei Niederschlägen durch den aufkommenden Oberflächenabfluss vom Acker in die Gewässer eingetragen werden". Diese Proben weisen laut Liess gegenüber den Schöpfproben eine zehnfach höhere Belastung auf.

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Feldspritze im Rapsfeld

Kritik an Zulassungspraxis

Kritik übt das UFZ auch an der Zulassungspraxis für Pflanzenschutzmittel. Die hohe Empfindlichkeit der Arten im Ökosystem werde dabei unterschätzt. Bislang werde das ökologische Risiko von Pestiziden im Freiland auf Basis von Laborstudien, künstlichen Ökosystemen und Simulationsmodellen vorhergesagt. Laut Matthias Liess spiegeln diese Ergebnisse aus dem Labor jedoch nicht die Realität wider: "Im Ökosystem wirken neben Pestiziden noch zahlreiche weitere Stressfaktoren auf die Organismen, sodass diese auf Pestizide deutlich empfindlicher reagieren. Natürliche Stressfaktoren wie der Räuberdruck oder die Konkurrenz der Arten werden im Zulassungsverfahren nicht ausreichend berücksichtigt."

"Um Faktor 40 niedrigere Grenzwerte nötig"

Die Folge sei, dass Pestizide auf Lebensgemeinschaften aquatischer Wirbelloser bereits in viel niedrigeren Konzentrationen wirken als bisher in der Zulassung angenommen. Ab welcher Konzentration dies der Fall sei, heißt es beim UFZ, hänge davon ab, welche Arten betroffen seien. Tatsache sei, dass in drei Viertel der landwirtschaftlichen Bäche die Pestizid-empfindlichen Arten verschwinden, zum Beispiel Libellen, Eintags- und Köcherfliegen. Und damit Arten, die im Nahrungsnetz im Gewässer zum Beispiel wichtig für Fische und an Land wichtig für Vögel seien. Sollten in Kleingewässern diese empfindlichen Arten geschützt werden, wären "um bis zum Faktor 40 niedrigere Grenzwerte notwendig als bislang."

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