UN-Biodiversitätsgipfel: Wo steht die Welt beim Artenschutz?
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In Kolumbien hat die 16. UN-Konferenz zum Schutz der Artenvielfalt begonnen.

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UN-Biodiversitätsgipfel: Wo steht die Welt beim Artenschutz?

UN-Biodiversitätsgipfel: Wo steht die Welt beim Artenschutz?

In Kolumbien startete am Montag die 16. UN-Konferenz zum Schutz der Artenvielfalt. Nach ehrgeizigen Beschlüssen beim letzten Gipfel 2022 geht es jetzt um die Umsetzung. Doch die geht nicht so gut voran, wie anvisiert – auch in Deutschland nicht.

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Bei der UN-Biodiversitätskonferenz 2022 in Montreal hat die Weltgemeinschaft ein globales Rahmenwerk zum Schutz der biologischen Vielfalt verabschiedet. Es soll das Artensterben weltweit bis 2030 stoppen. Dazu wurde eine ganze Reihe von Zielen beschlossen.

Darunter das sogenannte 30x30-Ziel, also bis zum Jahr 2030 knapp ein Drittel der Flächen an Land und in den Meeren unter Schutz zu stellen. Auch sollen 30 Prozent der geschädigten Ökosysteme wiederhergestellt werden. Das bedeutet zum Beispiel, Flüsse renaturieren und trockengelegte Moore wieder vernässen. Zu den Zielen gehören aber auch: weniger Plastik- und Umweltverschmutzung, weniger negative Einflüsse auf Ökosysteme durch Dünger, Pflanzenschutzmittel und invasive Arten, eine nachhaltigere Fischerei, Land- und Forstwirtschaft und auch der Abbau schädlicher Subventionen und eine globale Finanzierung des Artenschutzes.

Wenig Fortschritt bei Umsetzungsplänen

Seitdem geht es für die fast 200 Vertragsstaaten um die Umsetzung. Die 16. UN-Biodiversitätskonferenz (COP16) startete am Montag in Cali, Kolumbien. Dort soll Bilanz über die Fortschritte gezogen und weitere Details zur Umsetzung des Zehn-Jahres-Plans geklärt werden. Eigentlich mussten die Vertragsstaaten bis zur Konferenz eine Nationale Biodiversitätsstrategie mit einem konkreten Maßnahmenplan zur Umsetzung vorlegen. Doch bis zur Woche vor der Konferenz haben nur um die 30 Staaten eine solche aktuelle Strategie eingereicht.

Auch Deutschland hat nach der Konferenz 2022 begonnen, seine aus dem Jahr 2007 stammende Nationale Biodiversitätsstrategie anzupassen. Das zuständige Bundesumweltministerium von Ministerin Steffi Lemke (Die Grünen) konnte bis vor kurzem keine Angaben zum Fortschritt der Strategie machen. Eigentlich hätte sie bis zur Konferenz in Cali in der Bundesregierung mit den anderen Ressorts abgestimmt und beim Konferenzsekretariat eingereicht werden müssen. Doch die Strategie des Ministeriums hat es offenbar bisher nicht bis in eine entsprechende Ressortabstimmung geschafft.

Luft nach oben bei den Schutzgebieten

Und wo steht Deutschland bisher beim 30x30-Ziel? Der Naturschutzbund NABU hat kürzlich alle bisher bestehenden und an die EU gemeldeten Schutzgebiete in einer Studie ausgewertet. Danach kommt Deutschland bisher nur auf etwa 18 Prozent geschützte Flächen. Bayern rangiert mit 14 Prozent unter den Bundesländern mit den flächenmäßig geringsten Anteilen an Schutzgebieten. Lediglich Mecklenburg-Vorpommern kommt bereits auf über 30 Prozent.

Laut der Analyse des NABU erfüllen außerdem deutschlandweit etwa zwei Drittel der bisher gemeldeten Schutzgebiete noch nicht die Standards, die international für das 30-Prozent-Ziel gefordert wären. Zum Beispiel Pläne für konkrete Maßnahmen zum Artenschutz und die Voraussetzungen für ein wissenschaftlich fundiertes Monitoring der Artenvielfalt. Es gibt aber auch Positivbeispiele. Der NABU nennt etwa die Allgäuer Hochalpen als vorbildlich aufgestelltes Naturschutzgebiet.

Deutschland und EU vor zwei Jahren Vorreiter

Deutschland war vor zwei Jahren in Kanada zusammen mit der EU noch als Vorreiter aufgetreten. Gerade die EU hatte mit ihrem Green Deal zentrale Ziele zu Hause bereits anvisiert, die dann in den Verhandlungen auch für die UN-Vertragsstaaten festgeschrieben wurden. Doch die politische Stimmung hat sich seitdem verändert, Agrarumweltauflagen wurden im Nachgang der Bauernproteste in Europa zurückgenommen, ein EU-Gesetz zur Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln wurde vor einem Jahr begraben.

Einzig das sogenannte Renaturierungsgesetz, das Ökosysteme wie Wälder, Flüsse, Auen und Moore in Europa wiederherstellen soll, gibt Umweltschützern wie Magdalene Trapp vom Naturschutzbund NABU Hoffnung, dass zumindest in diesem Bereich die globalen Ziele erreicht werden könnten. Im Bereich der Landwirtschaft "bewegen wir uns bei der Zielerreichung eher in die falsche Richtung", sagt Trapp.

Artenschwund in Deutschland vor allem in der Agrarlandschaft

Dabei wäre es gerade dort besonders dringend, zeigen jüngste wissenschaftliche Ergebnisse wie der kürzlich veröffentlichte "Faktencheck Artenvielfalt". In dem haben 140 Autorinnen und Autoren wissenschaftliche Erkenntnisse zum Zustand der Biodiversität in Deutschland zusammengetragen. Während es demnach bei Säugetieren und Vögeln durchaus positive Trends gibt, etwa in den Wäldern, verschlechtert sich der Zustand bei allen Arten in den Agrarflächen und den offenen Landschaften außerhalb von Wäldern. Insgesamt ist ein Drittel der Arten entweder stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Der Weltnaturgipfel hat letztlich auch die Aufgabe, weltweit das Bewusstsein für dieses Problem zu schärfen.

Im Audio: Artenvielfalt in schlechtem Zustand: Was in Deutschland passieren müsste

Wenige Tage vor Beginn COP16 demonstrieren Aktivisten auf dem Platz der Vereinten Nationen in Bonn mit der Aktion "Stoppt den Dominoeffekt des Artensterbens"
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