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Wahlrechtsreform auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner

Wahlrechtsreform auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner

Unerwartet hat sich die Große Koalition auf eine Wahlrechtsreform geeinigt, um die sie sieben Jahre lang gestritten hatte. Viele Details fehlen noch. Experten zweifeln aber, dass der nächste Bundestag wirklich kleiner wird.

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Einig waren sich eigentlich alle Parteien: Der Bundestag ist zu groß. 709 Abgeordnete seit 2017, zweitgrößtes Parlament der Welt! Über die Frage, was dagegen zu tun ist, wurde sieben Jahre lang gestritten. Auch beim Koalitionsausschuss am Dienstag. Als das Thema Wahlrechtsreform aufgerufen wurde, sei die Stimmung abrupt abgekühlt, heißt es aus Teilnehmerkreisen. Dass nach fünf kühlen Stunden tatsächlich ein Kompromiss steht, darf als Überraschung gelten.

Effekt für 2021: "Überschaubar"

Da wäre eigentlich Freude angezeigt: bei den Steuerzahlern, die ein 709-Plus-X-Parlament immer mehr kostet. Und bei allen, die sich um die Arbeitsfähigkeit des Bundestags sorgten. Doch der Kompromiss ist die Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Er kommt in zwei Stufen: Die erste Stufe ist vorgesehen für die Wahl im kommenden Jahr. Die Koalition will Überhangmandate teilweise mit Listenmandaten verrechnen. Laut Wahlforscher Thorsten Faas von der FU Berlin heißt das: Wenn eine Partei im einen Bundesland Überhangmandate bekommt, dann werden ihr in einem anderen Bundesland dafür Listenmandate gestrichen. Größenordnung? Noch unklar.

In Bayern könnte das sowieso schwierig werden. Solch eine Verrechnung über Bundesländergrenzen hinweg ist bei der CSU nicht möglich - die Partei gibt es nur in Bayern. Unklar ist aber auch, ob die Verrechnung bei der CDU funktioniert. Sie könnte in vielen Bundesländern Überhangsmandate erringen. Vielleicht blieben dann keine mehr als Listenplatzspender übrig. Das Fazit von Wahlforscher Faas: "Gut vorstellbar, dass der Effekt mit Blick auf die Wahl 2021 überschaubar bleibt."

Grüne befürchten Verzerrung

Die zweite Maßnahme im Plan der Großen Koalition für die kommende Wahl: Bis zu drei Überhangmandate sollen nicht mehr durch Ausgleichsmandate kompensiert werden, wenn die Regelgröße des Bundestags von 598 Sitzen überschritten wird. Britta Haßelmann, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, fürchtet, das Zweitstimmenergebnis werde so verzerrt. Wahlforscher Faas sagt dazu: Das strenge Prinzip des Verhältnisses Stimmenanteil zu Sitzanteil werde so gebrochen. Allerdings in einer "sehr überschaubaren Größenordnung".

Wahlkreis-Reduzierung wurde verschoben

Mit Sicherheit kleiner würde der Bundestag nur mit weniger Wahlkreisen. Doch bei der Bundestagswahl 2021 soll die Zahl der Wahlkreise noch konstant bleiben, bei 299. Dass sie reduziert werden auf 280, wurde auf später verschoben: Auf die zweite Stufe der Wahlreform im Jahr 2025. Die Folge für den Bundestag, der 2021 gewählt wird, fasst Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) so zusammen: "Es können 750 Mandate sein, es können auch mehr sein, es können genauso gut 620 Mandate herauskommen." Das hänge von den Wählern ab. Weil vieles noch unklar ist, bleibt auch ungewiss, was die Wähler tun müssten, um den Bundestag zu verkleinern.

Die Opposition ist stinksauer

"Eine reine Wähler-Verarsche" nennt Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch die Reform. Marco Buschmann, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP, meint, dass sich die CSU voll durchgesetzt habe: Sie habe jede Reform an dieser Stelle verhindern wollen. Dem stimmt auch Britta Haßelmann von den Grünen zu: "Diese Übergangslösung ist unambitioniert und kraftlos und wird ein Anwachsen des Bundestages nicht verhindern."

CSU: Reduktion schon 2021

CSU-Landesgruppenchef Dobrindt geht dagegen davon aus, dass der Bundestag bereits 2021 etwas kleiner wird: 20 Mandatsträger weniger. Auch Wahlforscher Faas von der FU Berlin geht von 15 bis 30 eingesparten Mandaten aus. Der Bundestag 2021 werde vermutlich wie heute um die 700 Abgeordnete haben, so Faas. Eine nachhaltige Reform sei das jedenfalls nicht.

💡 Darum geht es bei der Reform

Parteien, die mehr Direktmandate als Zweitstimmen bekommen, erhalten Überhangmandate. Weil die aber die Sitzverteilung im Bundestag verzerren würden, gibt es Ausgleichsmandate für die mit Zweitstimme gewählten Parteien. Sie dürfen mehr Abgeordnete von der Liste in den Bundestag schicken. So wird gesichert, dass die Sitze im Bundestag proportional zum Zweitstimmenanteil vergeben werden. Allerdings wird der Bundestag so immer größer. Die Reform ist so schwierig, weil keine Partei wieder Sitze und damit Macht abgeben will. Für die Unionsparteien ist die große Zahl der Wahlkreise wichtig. Vor allem die CSU-Kandidaten gewinnen oft Direktmandate, die Partei erhält so Überhangmandate. Bei der Bundestagswahl 2017 gab es 46 Überhangmandaten, davon holte die Union 43. Gäbe es dafür weniger Ausgleichsmandate für die anderen Parteien, wäre das ein klarer Vorteil für die Union.

Plenum des Deutschen Bundestages.
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Birgit Schmeitzner.
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