Rotlichtbezirk Bahn: Die GDL streikt wieder
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Was hinter der Zuspitzung im Bahn-Tarifkonflikt steckt

Was hinter der Zuspitzung im Bahn-Tarifkonflikt steckt

Einmal haben Deutsche Bahn und Gewerkschaft GDL miteinander verhandelt, dann kündigte die GDL den ersten 20-stündigen Warnstreik an. Viele Reisende sind verärgert. Die Bahn sagte die weitere Verhandlung ab. Doch es steckt Taktik dahinter.

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In Deutschland wird im Verhältnis selten gestreikt, auch bei der Eisenbahn. Da muss man nur nach Großbritannien blicken: Dort streiten verschiedene Gewerkschaften und mehr als 16 Bahnbetreiber seit Monaten um bessere Löhne. Immer wieder gibt es Streiks, die das Bahnnetz zum Teil komplett lahmlegen. Der Streikfahrplan ist dort der Normalzustand.

Flächendeckend wurde die Eisenbahn in Deutschland zuletzt Ende Mai bestreikt, als die Tarifverhandlungen zwischen der Deutschen Bahn und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) stockten. Dass nun auch die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) Gehälter und Arbeitsbedingungen für Bahnbeschäftigte verhandelt, ist im Gegensatz zu Großbritannien eine Besonderheit. Wenn der Zug nicht fährt, ist es Reisenden allerdings egal, wer streikt.

Normalfall: Ein Betrieb – ein Tarifvertrag – eine Gewerkschaft

In den meisten deutschen Branchen gibt es nur eine Gewerkschaft, die die Anliegen der Beschäftigten vertritt und die auch mächtig genug ist, um Tarifverträge zu verhandeln und abzuschließen. Diese gelten für Arbeiter und Angestellte auf allen Tarifebenen und in unterschiedlichen Unternehmen. Diese Industrie- und Einheitsgewerkschaften sind unter dem Dach des DGB organisiert. Die mächtigste Gewerkschaft ist dabei die IG Metall, die Flächentarifverträge zum Beispiel für die Metall- und Elektroindustrie in Bayern verhandelt. Bis 2010 gingen die Arbeitsgerichte bis zum Bundesarbeitsgericht hinauf von dem Prinzip aus, dass es in einem Betrieb nur einen Tarifvertrag und eine Gewerkschaft geben soll.

Mehrere Gewerkschaften in einem Betrieb

Dieses deutsche Phänomen der Tarifeinheit ist aber keine Pflicht. Seit 2001 gibt es auch Gewerkschaften, die nur bestimmte Berufsgruppen vertreten. Das war zunächst die Vereinigung Cockpit (VC), die einen eigenständigen Tarifvertrag für Pilotinnen und Piloten abschließen konnte. Zudem ließ das Bundesarbeitsgericht konkurrierende Gewerkschaften zu, soweit Leitplanken eingehalten sind, die einen Über- oder Unterbietungswettbewerb verhindern, der durch Gesetze oder Vereinbarungen verhindert werden soll. Der Versuch der Bundesregierung, den Konflikt bei der Bahn mit einem Tarifeinheitsgesetz zu bändigen, sind allerdings weitgehend gescheitert.

GDL profitiert von der Bahnreform

Die Deutsche Bahn wurde mit der Bahnreform 1994 drastisch umgebaut, Beamte gingen in den Ruhestand, bis 2002 wurden 130.000 Stellen gestrichen. Aus der "Beamtenbahn" sollte ein moderner Dienstleister werden, der auch noch international agiert und an die Börse wollte. Bei vielen Beschäftigten aber wuchs der Frust. Sowohl bei der Entlohnung als auch beim Status mussten Lokführer Abstriche machen.

Die Gewerkschaft Transnet, die Vorgängerin der EVG und unter dem Dach des DGB organisiert, trug diese Veränderungen weitgehend mit.

Weselskys Abschiedsgeschenk

Das war die Chance für die GDL, die sich unter dem Dach des Beamtenbundes organisierte und sich anfangs ausschließlich auf Lokführer konzentrierte. 2007 wurde sie nach mehreren großen Streiks als Tarifakteurin anerkannt. 2014/2015 gelang es ihr, auch weiteres Zugpersonal hinter sich zu vereinen. Seitdem kommt die Bahn an diesem Akteur nicht mehr vorbei. Mit zur Popularität der GDL bei den Bahnbeschäftigten führte auch, dass der Vorsitzende Claus Weselsky den Bahnvorstand immer wieder scharf kritisiert, zum Beispiel bei Bonuszahlungen oder Grundsatzentscheidungen, die aus seiner Sicht den Interessen der Beschäftigten regelmäßig widersprechen.

GDL-Chef Weselsky will im kommenden Jahr das Amt abgeben. Doch auch ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin wird die Linie fortsetzen: Als kleinere Gewerkschaft in Tarifverhandlungen möglichst viel herauszuholen. Und da ist das scharfe Schwert des Streiks eine geeignete Maßnahme.

Im Audio: Wann und wie gestreikt wird

Stillstand bei der Bahn: Gewerkschaft GDL hat Streik angekündigt
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Bahnstreik: Nur eine Taube sitzt am Bahnsteig

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