Erstmal keine Werksschließung – keine Kündigungen – eine neue Beschäftigungsgarantie: Das ist ein Erfolg für die IG Metall nach tagelangen harten Verhandlungen mit Konzernvertretern. Die Gewerkschaft spricht vom "Weihnachtswunder von Hannover." Doch VW-Mitarbeiter müssen auf Geld verzichten und langfristig werden Stellen abgebaut.
Beschäftigte stützen Arbeitgeber
Die VW-Beschäftigten stützen ihren Arbeitgeber, indem sie auf sehr viel Geld verzichten: Lohnerhöhungen werden zeitweise ausgesetzt. Boni schrumpfen. Das Urlaubsgeld wird gestrichen. Hinzu kommt, dass Volkswagen massiv Stellen abbaut. Die Rede ist von 35.000 Jobs bis 2030. Das soll, wie der Konzern mitteilte, schrittweise geschehen, nicht über Kündigungen, sondern über Altersregelungen oder wenn Beschäftigte in Rente gehen.
"Wir hatten bei den Verhandlungen drei Prioritäten: Überkapazitäten an den deutschen Standorten abbauen, Arbeitskosten senken und Entwicklungskosten auf wettbewerbsfähiges Niveau senken", sagte VW-Markenchef Thomas Schäfer. "Wir haben bei allen drei Themen tragfähige Lösungen erzielt."
Der Autobauer werde die technische Kapazität an den deutschen Standorten um über 700.000 Fahrzeuge reduzieren. "Das sind harte Entscheidungen, aber auch wichtige Weichenstellungen für die Zukunft." Damit schaffe man die Grundlage, um Volkswagen bis 2030 zum technologisch führenden Volumenhersteller aufzustellen.
IG-Metall: "Schmerzliche Einschnitte" – aber keine Werkschließungen und neue Beschäftigungsgarantie
IG-Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger sprach von "schmerzlichen Einschnitten". Doch die Gewerkschaft betonte, Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen seien abgewendet worden. "Kein Standort wird dichtgemacht, niemand wird betriebsbedingt gekündigt und unser Haustarif wird langfristig abgesichert", sagte die Gesamtbetriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo. Es gebe tarifliche Zugeständnisse, aber auch eine neue Beschäftigungssicherung bis Ende 2030.
Der umstrittene Standort Osnabrück bekommt Aufschub: dort werden länger Autos gebaut, als geplant – nun bis 2027; wie es danach weiter geht, ist allerdings offen. Auch die Fabriken Zwickau und Emden bleiben bestehen. In Dresden, mit rund 340 Beschäftigten, endet die Fahrzeug-Produktion in einem Jahr. Wie es danach weitergeht ist ebenfalls offen.
Konzern wird umgekrempelt
In den Werken werden die Belegschaften schrumpfen. Montagelinien werden reduziert. VW sortiert völlig neu, welches Modell künftig wo gebaut wird. Da endet eine Ära: Der Golf mit Verbrenner-Motor wird künftig deutlich günstiger in Mexiko gebaut. Wolfsburg bekommt neue E-Modelle. Dafür braucht es weniger Leute.
Noch am Mittwoch hatten Teilnehmer von weit auseinander liegenden Positionen gesprochen. Streitpunkte waren bis zuletzt vor allem die von VW ins Spiel gebrachten Werksschließungen und betriebsbedingten Kündigungen. Die IG Metall hatte beides als "rote Linien" bezeichnet, die nicht überschritten werden dürften. Auch die von VW geforderte pauschale Lohnkürzung von zehn Prozent lehnte die Gewerkschaft ab. Zudem wollte VW weniger Auszubildende übernehmen und die Bezahlung von Leiharbeitern, die bei VW bisher einen Zuschlag erhalten, auf das normale Niveau der Zeitarbeit absenken. VW begründete die geforderten Einschnitte mit hohen Kosten und einer geringen Auslastung seiner Werke.
Scholz: Tarifeinigung ist "gute Nachricht"
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Einigung zwischen Volkswagen und der IG Metall im Tarifkonflikt begrüßt. "Die Zeiten für die Beschäftigten von Volkswagen sind gerade nicht leicht. Da ist es eine gute Nachricht, dass sich die Sozialpartner – also Unternehmensleitung wie Gewerkschaften – heute auf eine gute, sozial verträgliche Lösung verständigt haben", sagte Scholz. Bei allen Härten stelle sie sicher, dass VW und seine Mitarbeiter gut in die Zukunft kommen könnten. Scholz wertete die Einigung zudem als Beleg dafür, dass Deutschland ein attraktiver Industriestandort und ein wichtiges Auto-Land bleibe.
Der Konzern hatte die bisherige Beschäftigungsgarantie, die betriebsbedingte Kündigungen seit mehr als 30 Jahren ausschloss, im September aufgekündigt. Außerdem waren Werksschließungen im Gespräch. Daraufhin hatte die IG Metall im Autokonzern im Dezember zweimal zu flächendeckenden Warnstreiks aufgerufen. Laut Gewerkschaft beteiligten sich beide Male rund 100.000 Beschäftigte an neun Standorten.
Mit Material von dpa und Reuters
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