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Wie in Deutschland auf der Plattform Parler gehetzt wird

Wie in Deutschland auf der Plattform Parler gehetzt wird

Auf dem sozialen Netzwerk Parler wurde der Sturm auf das US-Kapitol organisiert. Rechtsextreme, Verschwörungstheoretiker und Corona-Leugner sind dort vernetzt. Auch AfD-Politiker nutzen inzwischen Parler - das aktuell allerdings offline ist.

"Ihr wollt sie Euch holen?", fragt eine bedrohliche Stimme. Dazu laufen Bilder von einem Kind hinter Gittern. Von einer Krankenschwester, deren Gesicht zur Fratze verzogen ist. Von Bundesgesundheitsminister Spahn, der in dem Video als "geisteskranker Psychopath" und "Massenmörder" bezeichnet wird.

Amazon stellt Parler vorerst offline

Zu finden ist dieses Video auch auf dem sozialen Netzwerk Parler. "Freie Rede, keine Kontrolle", so rühmt Parler-Gründer John Matze seine Plattform. In der Praxis heißt das oft: Rechte Hetze, Antisemitismus, Corona-Leugnung.

Parler ist aktuell nicht mehr erreichbar, nachdem Amazon als technischer Dienstleister die Zusammenarbeit eingestellt hatte. Der weltgrößte Online-Händler ist auch ein führender Anbieter von Infrastruktur im Netz, auf die viele Startups und etablierte Unternehmen zurückgreifen. Parler verklagte am Montag Amazon wegen der abrupten Kündigung.

Parler auch im deutschsprachigen Raum

Zuvor wurde Parler auch im deutschsprachigen Raum zunehmend genutzt. Zum Beispiel von der rechtsextremen Identitären Bewegung, allen voran von ihrem Mastermind Martin Sellner. Wie Sellner wurden viele Rechtsextreme und Verschwörungstheoretiker vorher von Twitter, Facebook oder Youtube gesperrt. Auf Parler fanden sie eine neue Heimat.

Auch wenn Parler in Deutschland bislang eher unbekannt war, sehen Kenner der Szene das mit Sorge. Zum Beispiel Simone Rafael von der Antonio Amadeo Stiftung - er sagt im Interview mit report München:

"Parler ist wie Twitter organisiert, also über Hashtags. Es ist sehr einfach in Kontakt zu treten, es ist sehr leicht ein Netzwerk aufzubauen. Und insofern Informationen oder auch Desinformationen zu verbreiten, Kampagnen zu starten oder auch zu Gewalt aufzurufen." Simone Rafael von der Antonio Amadeo Stiftung

Wie gut das funktioniert, hat der Sturm des US-Kapitols gezeigt. Unter dem Hashtag #stormthecapitol hatte sich der Mob auf Parler schon Tage vor dem Angriff organisiert. Als die Trump-Anhänger dann gewaltsam in das Gebäude eindrangen, wurde zur Jagd auf Vizepräsident Mike Pence geblasen. Parler-User forderten, die Tunnel unter dem Capitol zu blockieren und die PCs der Abgeordneten zu entwenden.

Netzwerk wird von AfD-Politikern genutzt

Hinter Parler steht die US-Milliardärin Rebekah Mercer. Sie gilt als eine der einflussreichsten Unterstützer des Noch-Präsidenten. In der US-Politik ist die von ihr finanzierte Plattform wichtig für die Vernetzung der Rechten. Doch auch deutsche Politiker beginnen Parler zu nutzen.

Zum Beispiel die AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann. Auf Parler folgt sie dem User, der das Video mit der bedrohlichen Stimme und dem Kind hinter Gittern produziert und gepostet hat. Auf BR-Anfrage, warum sie diesem User folgt, antwortet die AfD-Politikerin nicht direkt. Sie erklärt, dass sie alternative Kanäle studieren müsse, da im Wesentlichen nur dort kritische Stimmen zur Corona-Impfung zu finden seien.

Auch Daniel Haseloff ist neu auf Parler gemeldet. Er ist Mitglied im Landesvorstand der AfD Thüringen. Er folgt mit seinem Profil auch Martin Sellner, dem Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung. Auf die Frage, warum er ihm folgt und ob er die von Sellner geposteten Ansichten teilt, antwortet er auf BR-Anfrage nicht.

Dafür erklärt Haseloff, warum er sich auf Parler angemeldet hat:

"Wenn Anbieter aus politischer Motivation heraus ganze Accounts löschen (gemeint ist Twitter und Facebook, Anm. d Red.), ist es die logische Folgerung, dass man sich auch nach alternativen Plattformen umsieht." Daniel Haseloff, Mitglied im Landesvorstand der AfD Thüringen

Strafverfolgung mit Schwierigkeiten

Hinter der verspiegelten Fassade eines mehrgeschossigen Bürokomplexes in der Münchner Innenstadt sitzt Georg Freutsmiedl. Er beschäftigt sich von Berufs wegen mit Parler. Freutsmiedl ist leitender Ermittler bei der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus.

Auf seinem Bildschirm hat er einige Bilder geöffnet, die auf Parler kursieren, darunter ein Bild, auf dem riesige SS-Runen einen Drachen erstechen. Um den Hals des getöteten Drachen liegt eine Kette mit dem Juden-Stern.

"Entscheidend für den Anfangsverdacht wäre für mich dieser Satz: 'Ersatzkommando der Waffen-SS'", sagt Freutsmiedl. Ob das Bild deshalb aber strafbar sei, sei nicht gewiss. Denn es gebe auch die Kunstfreiheit. Und wenn dieses Bild hauptsächlich der Kunst diene, könne es unter Umständen straffrei bleiben.

Es ist nur ein Beispiel für die Schwierigkeiten, die die Ermittler bei der Hetze im Netz haben. Hinzu kommt, dass Parler ein US-Unternehmen ist und deshalb den dortigen Gesetzen unterliegt. Auch sei es mitunter unglaublich schwer, von den Anbietern Hinweise auf die Identität hinter den Usernamen zu bekommen.

Es gebe bei Rechtsextremisten ganz klar die Strategie, sich heranzutasten, sagt Freutsmiedl, der wieder auf das Bild mit dem Drachen blickt:

"Was kann ich mir noch erlauben und was nicht? Da gibt es im Hintergrund auch Leute, die das vorab beurteilen. Da gibt es Sammlungen von Gerichtsentscheidungen in der Szene, was eventuell als Meinungsäußerung durchgegangen ist und was strafbar ist." Georg Freutsmiedl, leitender Ermittler bei der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus

Inzwischen wurden Parler die Server gesperrt. Die App ist vorerst offline. Und damit auch die Hetze, die auf dem Netzwerk verbreitet wird.

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