Immerhin Saurierfans kommen hier auf ihre Kosten. Tatsächlich wirkt Bessons Dracula wie ein Teil des Casts für den neuen "Jurassic Park". Zumindest in den Phasen des Films, in denen sich der Vampir der Blutaskese verschrieben und daher in ein irgendwie echsenhaftes Wesen verwandelt hat, dem man aus dem Bauch heraus eher ein Alter von 400 Millionen Jahren zuschreiben würde, anstatt von 400, wie der Film behauptet.
Klaus Kinski lässt grüßen
Sobald er allerdings zubeißt, wird aus Dracula wieder das, was er mal war: ein junger, leicht anämischer Mann mit aristokratischen Zügen, die sich nie so ganz entscheiden können, ob sie nun blasiert oder verzweifelt wirken wollen. In dieser Hinsicht ist Caleb Landry Jones eine interessante Besetzung. Dass er ein wenig Klaus Kinski ähnelt, wirkt außerdem wie ein Signal – ein Zeichen dafür, dass sich dieser Film bewusst in eine Tradition stellt.
Friedrich Wilhelm Murnau, Werner Herzog, Francis Ford Coppola oder zuletzt Robert Eggers – die Liste von Dracula-Filmen ist lang. Dass jeder neue auch an seinen Vorgängern gemessen wird, ist da selbstverständlich. Und um es gleich vorwegzunehmen: Der Vergleich fällt für Luc Besson wenig schmeichelhaft aus.
Hochwertig produzierter Schrott
Anders formuliert: Dieser Film ist ziemlicher Schrott. Und leider nicht im Sinne von "Trash". Besson inszeniert kein B-Movie, das so frenetisch anspruchslos ist, dass man schon wieder Spaß hat beim Zuschauen. Diesem Dracula sieht man an, wie hochwertig er produziert ist, eine kostümbunte Märchenfilmvariante des Vampirstoffs. Man merkt, wie sehr sich das Dialogbuch nach Tiefe sehnt. Und doch erstickt dieser Film an seinen Klischees. Zu viele Bilder wirken hier so, als hätte man sie schon hundertmal gesehen.
Entschlossen durchgedrücktes Kitschpedal
Das beginnt mit Minute eins, wenn Graf Dracula mit seiner Geliebten Elisabetha durch die Flure seines Schlosses tanzt, wenn sich Kissen- und Tortenschlachten mit sehnsüchtig geöffneten Mündern und heißen Küssen vor dem Kaminfeuer abwechseln. Ja, Besson drückt das Kitschpedal derart entschlossen durch, dass es zu Momenten unfreiwilliger Komik kommt, etwa, wenn das glückliche Paar mitten beim Sex von einem Hauptmann unterbrochen wird, der – sozusagen Anwalt des ungeduldigen Publikums – daran erinnert, dass man auch noch ein bisschen Handlung vor sich hat.
Hat hier jemand Käsekuchen bestellt? Christoph Waltz als bayerischer Vampirjäger
Paris, die Stadt der blutleeren Liebe
Machen wir‘s kurz: Der Feind tötet Draculas Geliebte, woraufhin Dracula Gott verflucht, woraufhin Gott ihn verflucht, woraufhin Dracula untot auf Erden wandelt, und Hoffnung einzig daraus schöpft, die Reinkarnation seiner Verflossenen irgendwann wiederzufinden – was er 400 Jahre später, wir befinden uns jetzt Ende des 19. Jahrhunderts – auch tut, in Paris, um genau zu sein – so viel Abweichung von der Vorlage erlaubt sich Besson.
Ja, freilich: Christoph Waltz als bayerischer Vampirjäger
Immerhin, Christoph Waltz bringt mit seinem Schmäh ein wenig Licht in diesen Film. Seine Figur ist das beste, was dieser Dracula zu bieten hat. Ein wohlgemerkt bayerischer Vampirjäger, dessen lakonischer Gestus eine subtile komödiantische Note in diesen Film trägt. Dieser Mann stößt mit dem Holzpflock zu, wie andere in ihren Käsekuchen hineingabeln – leise, vergnügt und ohne Anzeichen größerer innerer Beteiligung. Eine nicht ganz neue, aber doch sehr vergnügliche Neuauflage des Dracula-Widersachers.
Über die Frauenfiguren kann man das leider nicht sagen. Vor allem nicht über Mina, den Pariser Schwarm des Vampirs. Und das ist eigentlich das Ärgerlichste in diesem Film – dass Schauspielerin Zoe Sidel nicht viel mehr tun darf, als ein bisschen zerbrechlich zu gucken, ehe sie für den Grafen entflammt und mit ihm nach Transsylvanien abrauscht. Dass es am Ende er selbst ist, der diese toxische Beziehung beendet, ist nur konsequent, denn Frauen handeln hier ja nicht, sondern sind nur sowas wie Gefühlspuppen.
Dieser Artikel ist erstmals am 30. Oktober 2025 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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