Vier Hunde, größere und kleinere, sitzen im Schnee
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Vier Hunde im Schnee (Symboldbild)

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Gefährliche Tiere: Der neue Roman von Alina Herbing

Gefährliche Tiere: Der neue Roman von Alina Herbing

Ihr Debüt "Niemand ist bei den Kälbern" war ein düsterer Mecklenburger Dorfroman – und ein Bestseller. Der neue Roman von Alina Herbing spielt wieder auf dem Land. Und zeigt wieder kein Idyll: "Tiere, vor denen man Angst haben muss" heißt das Buch.

Über dieses Thema berichtet: Diwan - Das Büchermagazin am .

Mecklenburg in den 1990er-Jahren, nahe der alten innerdeutschen Grenze: Ein Hof, der kein richtiger Bauernhof ist, obwohl es viele Tiere dort gibt. Ziegen, Hunde, ein ganzes Zimmer für Katzen, auf dem Heuboden Eulen und Mäuse, Wildschweine auf der Weide. Ein paar Menschen gibt es auch, die versuchen, sich mit wenig Geld in dem maroden Anwesen und dem Leben dort einzurichten. Keine Dorfbewohner, die echte Landwirtschaft betreiben, sondern eine Art antikapitalistische Familienkommune, eingewandert aus dem Westen, aus dem nahen Lübeck.

Der Traum vom einfachen Leben

Mit den Einheimischen hat diese Familie wenig zu tun, es ist eher ein Setting kollektiver Einsamkeit, das Alina Herbing für ihren zweiten Roman entworfen hat. Ein Elternpaar, beide ökologisch engagiert und beide früher einmal bei den Grünen aktiv, geht mit vier Kindern nach der Wende in den Osten. Dort gibt es günstig ein Haus zu kaufen, dort müsste sich das erträumte einfache Leben, das der Kapitalismus noch nicht im Griff hat, doch verwirklichen lassen.

Es ist die Mutter, die von diesem Leben träumt. Sie ist die Figur, um die alles kreist im Roman von Alina Herbing, auch wenn er aus der Perspektive einer der Töchter erzählt wird. In der DDR sei alles besser gewesen, davon ist die Mutter überzeugt, "vieles" wendet der Vater sofort ein, als die Familie auf der Suche nach einem bezahlbaren Haus das erste Mal mit dem Jeep über die Kopfsteinpflasterstraßen des Dorfes fährt. Lange wird dieser Vater es auf dem Land nicht aushalten, wie die beiden Brüder verlässt er den Hof, übrig bleiben die Schwestern Madeleine und Ronja mit der Mutter.

Die Unschuld der Tiere

Es ist kein Land-Idyll, von dem Alina Herbing erzählt, auch nicht die Erfüllung einer privaten Utopie, sondern eine harte Existenz: Es gibt keine Heizung, nicht immer Strom und fließendes Wasser, das Haus bekommt Risse, die Kinder müssen viele Arbeiten übernehmen, für sich selber sorgen, haben nicht selten Hunger. Denn die Mutter, die wie eine Art Schicksal für ihre Töchter ist, hat vor allem ein Projekt: gerettete Tiere aufzunehmen. Von Anfang an gibt es im Roman eine spürbare Konkurrenz zwischen den Tieren und den Kindern, nach knapp 100 Seiten dann liest man das verstörende Motto der Mutter: "Die Tiere gehen immer vor", heißt: Die Kinder dürfen, auch wenn sie zur Schule müssen, erst frühstücken, wenn alle Tiere gefüttert sind.

Es ist also nicht die Nacht im Wald, die in einer späten Szene des Romans vorkommt, es sind nicht die Tiere dort, "vor denen man Angst haben muss", wie es der Romantitel sagt. Es sind vor allem die Hunde und Katzen, die die Mutter aufnimmt. Es sei ein Ansatz des Buches gewesen, sagt Alina Herbing im Gespräch mit dem BR, zu fragen, was eigentlich mit Eltern los sei, die ihre Tiere besser behandeln als ihre Kinder. Für die Mutter seien die Tiere die "unschuldigsten Lebewesen auf der Welt", so die Autorin – was umgekehrt auch bedeuten dürfte: Menschen sind ihnen gegenüber immer schon schuldig.

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Autorin Alina Herbing

Starke Bilder

Es ist also die Last einer großen moralischen Verantwortung, an der sich die kleine Landkommune in Alinas Herbings Roman abarbeitet. Herbing erzählt davon in starken Bildern. Das Modern des Hauses, das Wuchern der Efeupflanzen, die Kratzspuren der Hunde an den Fensterrahmen – all das hat man beim Lesen vor Augen. Und die Kälte in den Zimmern, in denen die Mädchen in Handschuhen mit abgeschnittenen Fingern Hausaufgaben machen, kann einem fast in die eigenen Knochen kriechen. Herbings Debüt "Niemand ist bei den Kälbern" wurde 2022 von Sabrina Sarabi verfilmt, auch für das neue Buch kann man sich einen Kinoauftritt gut vorstellen.

Tatsächlich seien Bilder sehr wichtig für sie, ihre Geschichten aber entwickele sie eher aus den Figuren heraus, sagt Alina Herbing. Zu Beginn wisse sie gar nicht so genau, was in einem Buch passieren werde, so die Autorin: "Ich versuche dann, zu gucken: Was würden die Figuren tun in den Rahmenbedingungen, die sie haben? Wie verhalten sie sich zueinander? Und was bedeutet das dann eigentlich für den Plot?" Dennoch schreibe sie sich selbst gerne in die Bildlichkeit hinein, die ihre Romanwelten ausmache.

Stadt, Land, Roman

Die beiden Dorfromane von Alina Herbing sind keine literarisierten politischen Statements, dennoch erscheinen sie in einem Kontext, in dem das Stadt-Land-Verhältnis politisch hoch aufgeladen ist. Frage an die Autorin: Hat sie das im Hinterkopf beim Schreiben? Antwort Alina Herbing: Sie sei keine, die von einem bestimmten Thema her schreibe: "Ich möchte auch gar nicht, dass bestimmte Themen einen Text zu stark überlagern. Ich möchte, dass die Figuren und das Setting die Haupt-Antreiber meiner Texte sind – und dass diese Themen dann mitlaufen, so wie sie im Leben von Menschen auch mitlaufen."

Die Szenerie, in die Alina Herbing ihre beiden ersten Romane gesetzt hat, ist ihr selbst sehr vertraut: Wie Madeleine, die Ich-Erzählerin in "Tiere, vor denen man Angst haben muss" ist sie in Lübeck geboren und in einem Dorf in Mecklenburg aufgewachsen. Inzwischen lebt sie schon lange in Berlin. Hat sie auch bereits einen Großstadtroman in Arbeit? "Ich glaube schon, dass der nächste Roman nicht mehr auf dem Land spielen wird", so Herbing. "Aber ich glaube, das habe ich nach 'Niemand ist bei den Kälbern' auch gesagt ...".

"Tiere, vor denen man Angst haben muss" von Alina Herbing ist im Arche Verlag erschienen und kostet 23 Euro.

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