Ein Acrylgemälde von 1.50 mal 1.57 Meter als Raute auf der Spitze stehend gehängt.
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Günter Fruhtrunk: Energiezentrum / Ausschnitt

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Konstruktiv abstrakt: Günter Fruhtrunk im Lenbachhaus

Konstruktiv abstrakt: Günter Fruhtrunk im Lenbachhaus

Günter Fruhtrunk: Der Name des abstrakten Malers sagt wohl wenigen was, aber alle kennen mindestens einen Entwurf von ihm: das blau-weiße Diagonalmuster auf der klassischen ALDI-Tüte. Jetzt widmet das Lenbachhaus Fruhtrunks Pariser Jahren eine Schau.

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Das ist also das wortwörtliche "Energiezentrum" der Ausstellung: ein Acrylgemälde von 1,50 mal 1,57 Metern, originellerweise als Raute auf der Spitze stehend gehängt. Schwarze und weiße Rechtecke wechseln sich da in unterschiedlichen Größen ab. Zur Beunruhigung kommt von rechts oben eine Art Pfeil ins Spiel.

Paris: Fruhtrunks "Künstler-Sehnsuchtsort"

Je näher man dem Gemälde "Energiezentrum" kommt, desto stärker beginnt es vor den Augen zu flirren, zu vibrieren. Der Trick: Günter Fruhtrunk begrenzte einige Flächen 1961 mit einem tiefblauen Strich, den man in dem Schwarz-Weiß zunächst gar nicht wahrnimmt. Konstruktive, abstrakte Kunst, die man deutlich von der anderen Nachkriegsabstraktion, der frei schwingenden Richtung eines Jackson Pollock etwa, unterscheiden muss.

Fruhtrunk arbeitete mit Geo-Dreieck, Zirkel und Lineal. Ein Arbeitsstipendium nach Paris gab ihm 1954 die Gelegenheit, auf Gleichgesinnte zu treffen. Susanne Böller, die Ausstellungsmacherin am Lenbachhaus, betont: "Paris war für Fruhtrunk wirklich so ein Künstler-Sehnsuchtsort. Nicht im Sinne von Exotik, sondern im Sinne von: Im Grunde ist es besser, in einem Kunstort, wo es viele gute Künstler gibt, mittendrin zu sein, als irgendwo in der Provinz.

Hans Arp förderte Fruhtrunk

Günter Fruhtrunk war als Invalide, mit einer nicht operablen Verletzung aus dem Zweiten Weltkrieg zurückgekehrt. Die ständigen Kopfschmerzen trieben ihn schließlich 1982 mit 59 Jahren in den Suizid. Da wirkte Paris zwischen 1954 und 1967 vorübergehend wie eine Befreiung. Keine Altnazis. Wichtige Vorbilder aus der Vorkriegszeit wie Hans Arp lebten noch in Frankreich und förderten den Maler aus Deutschland.

Er hätte in Deutschland nicht vergleichbar sich eben in so einer Gruppe von Leuten bewegen können, die auf so hohem Niveau eben diese konstruktive Richtung verfolgt haben. Das war tatsächlich in Paris möglich. Das waren jetzt nicht nur französische Künstler, sondern es gab in dieser Galerie Denise René auch viele Künstler aus Südamerika zum Teil.

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Günter Fruhtrunk: Umkehrende Reihe/ Ausschnitt

In der Tradition von Malewitsch und Kandinsky

Auch bemerkenswert: Der Krieg war 1954 noch keine zehn Jahre vorbei – und unter Künstlerinnen und Künstlern in Paris spielte es bereits keine Rolle mehr, dass Fruhtrunk für Nazi-Deutschland gekämpft hatte. Die konstruktiv Abstrakten verstanden sich als internationale Speerspitze der modernen Kunst. Sie suchten Anknüpfungspunkte bei der Klassischen Moderne. Auch Fruhtrunk beschäftigt sich in faszinierenden Arbeiten mit Kasimir Malewitsch und Wassily Kandinsky.

Von künstlerischen Abkürzungen habe Fruhtrunk wenig gehalten: Susanne Böller beschreibt seine akribische Arbeitsweise. In einem kurzen Filmausschnitt in der Ausstellung werde sofort "klar, dass hier einer unglaublich präzise, konzentriert vorgeht und hart arbeitet, bis zum Schluss wirklich diese Vibration stimmt, bis aus dem Bild so ein Farb-Licht-Raum sich nach außen entwickelt, den dann auch der Betrachter im eigenen Sehen erfahren kann."

Nach seinen Pariser Jahren wurde Fruhtrunk ein prägender Lehrer an der Kunstakademie in München. Ja, und er hat einmal ein Tütenmuster für ALDI-Nord entworfen. Aus Buße steckte er sein Honorar in die Kaffeekasse der Studenten.

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