Zwei Mitglieder von Pussy Riot vor einem Graffiti auf dem "Stop Fascism" steht
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Marija Aljochina und Taso Pletner vor dem Eingang zum Luftschutzbunker im Münchner Haus der Kunst

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Putin-Gegner in München: Pussy Riot überraschen mit Ausstellung

Putin-Gegner in München: Pussy Riot überraschen mit Ausstellung

Bunte Sturmhauben, provokante Aktionen: Das ist das russische Punk-Kollektiv Pussy Riot. Das Münchner Haus der Kunst zeigt als erstes deutsches Museum eine bewegende Ausstellung des Kollektivs. Aus Sicherheitsgründen wurde sie lange geheim gehalten.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Leise Töne von Rachmaninow empfangen auf dem Weg in den Untergrund. Eingespielt von Pianist Pavel Kuschnir. Er war eng mit Pussy Riot Gründerin Marija Aljochina verbunden – und starb im Juli in einem russischen Straflager nach einem Hungerstreik. "Dieser Raum gilt seinem Andenken", sagt Marija Aljochina bei der Ausstellungseröffnung, "damit Sie seinen Namen und seine Kunst kennen". So beginnt die Reise in das Russland von Pussy Riot mit einer traurigen Ouvertüre in der Gegenwart, in einem Land, das Krieg gegen die Ukraine führt und Tausende politische Häftlinge in Straflagern gefangen hält.

Aljochina: "Jeder Faschismus kann sich wiederholen"

Dann geht es zurück zu den Anfängen von Pussy Riot im Jahr 2011. In einem Medien-Mix aus Fotos, Videos, Schrift und Klebeband wird im ehemaligen Luftschutzkeller im Haus der Kunst die Entwicklung eines autokratischen Putin-Regimes nachgezeichnet, das über die Jahre immer härter auf seine Kritiker reagiert.

Die Wände des Luftschutzkellers sind in grellen Farben gestrichen, Videos lärmen aus den einzelnen Räumen. Es soll das Gegenteil von leise sein hier unten, sagt Pussy Riot-Mitglied Taso Pletner. "Als Frau in Russland sollst du still sein, nett aussehen und lächeln. Wir wollen uns auf diese Weise Gehör verschaffen!"

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Marija Aljochina schreibt an die Wände im Untergeschoss des Münchner Haus der Kunst

Kapitel für Kapitel erzählen Pussy Riot und vor allem Gründungsmitglied Marija Aljochina hier ihre persönlichen Geschichten. Gelbe Pfeile aus Klebeband leiten die Besucher. Von den ersten Protest-Konzerten im öffentlichen Raum, die noch folgenlos blieben, zum Punk-Gebet in der orthodoxen Christ-Erlöser-Kirche im Jahr 2012: Ein Protest gegen den Schulterschluss der Kirche mit Putin. Zwei Jahre sitzt Marija Aljochina mit einer Mitstreiterin dafür im Straflager. 100 Frauen in einer Baracke, Näharbeiten bis zu zwölf Stunden am Tag. "Moderne Sklaverei", nennt Aljochina das.

Begehbares Protest-Tagebuch in ehemaligem Luftschutzkeller

In weiteren Räumen: Die ikonisch gewordenen Aktionen, weltweit wahrgenommen. Wie der Spielfeldsturm als verkleidete Polizisten bei der Fußball-WM 2018 oder die Aktionen bei den Olympischen Spielen von Sotschi. Aber man erfährt auch von den weniger beachteten, oft sehr humorvollen Interventionen, zum Beispiel wenn Pussy Riot in einer Guerillaaktion anlässlich Putins Geburtstag an wichtigen Behörden Regenbogenflaggen anbringen und dem Sicherheitspersonal glaubhaft versichern, dass das so schon seine Richtigkeit habe.

Je weiter man in diesem begehbaren und teils sehr intimen Tagebuch voranschreitet, desto größer wird auch der Druck auf Aktivistinnen und Andersdenkende. Die engen Räume im ehemaligen Luftschutzbunker des Nazibaus verstärken diesen Eindruck, lassen körperlich spüren, wie das Regime die Daumenschrauben immer fester zieht. Taso Pletner kommentiert: "Die Ausstellung zeigt, wie sich das Gesicht Russlands innerhalb von zehn Jahren komplett verändert hat. Und das kann auch hier in Europa passieren."

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Pussy Riot zur Eröffnung ihrer Ausstellung im Haus der Kunst München

Die Idee, die Aktionskunst von Pussy Riot überhaupt in einen musealen Kontext zu bringen, entstand in Zusammenarbeit mit dem isländischen Künstler Ragnar Kjartansson. Seiner Ansicht nach ist der einst von Faschisten errichtete Kunstbau in München genau der richtige Ort für die Kunst von Pussy Riot: "Dieser Bunker ist eine klaustrophobische Erfahrung, gleichzeitig verstärkt er die Dringlichkeit dieses Kampfs gegen den Faschismus, den Pussy Riot führen", sagt Kjartansson.

Der Besuch im Untergrund ist ein physisches Erlebnis, zeigt mutige Menschen, die ihre Heimat lieben, aber im Exil leben müssen. Zeigt ihren Kampf, ihren Humor und die große Empathie, die sie sich bewahrt haben. Wer den Untergrund wieder verlässt, sieht wenige Meter weiter die Surfer am Eisbach bei sommerlichen Wasserspielen. Größer könnte der Kontrast nicht sein.

Zur Ausstellungseröffnung am 5. September sind Mitglieder des Künstlerinnen-Kollektivs nach München gekommen. "Velvet Terrorism: Pussy Riot’s Russia" läuft bis zum 2. Februar 2025. Aus Brandschutzgründen dürfen nur 50 Besucher gleichzeitig in die Räume, daher werden online buchbare Zeitfenstertickets benötigt.

Im Video: Die Geschichte von Pussy Riot erzählt im Haus der Kunst

Die Geschichte von Pussy Riot erzählt ab heute das Haus der Kunst in München.
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Ausstellung im Haus der Kunst

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