Maya Lasker-Wallfisch (l-r), Kai Höß und Hans Jürgen Höß in einer Szene des Dokumentarfilms "Der Schatten des Kommandanten'"
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Opfer- und Täter-Nachkommen kommen zusammen: Maya Lasker-Wallfisch und Sohn und Enkel von Rudolf Höß in: "'Der Schatten des Kommandanten"

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Täter- und Opferfamilie: Doku "Der Schatten des Kommandanten"

Täter- und Opferfamilie: Doku "Der Schatten des Kommandanten"

Als Lagerkommandant von Auschwitz, der sich um die Vergasung von Millionen Juden kümmert aber sonst ein netter Familienvater war, ist Rudolf Höß in "The Zone of Interest" zu sehen. Jetzt rollt eine Doku das Leben seiner und einer Opfer-Familie auf.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Die Welt am Morgen am .

Zwei Männer unterwegs in der Gedenkstätte des KZs Auschwitz. Es sind die Nachfahren eines Kriegsverbrechers: Hans Jürgen und Kai Höß, Sohn und Enkel von Rudolf Höß, dem Kommandanten des Todeslagers. Die beiden sind die Protagonisten in dem Dokumentarfilm "Der Schatten des Kommandanten" von Regisseurin Daniela Völker. Sie hat sich auf die Autobiografie von Rudolf Höß und die Erzählungen einer noch lebenden Auschwitz-Inhaftierten gestützt.

Die Biografie des Rudolf Höß

"Ich bin im Internet auf die Biografie des Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß gekommen und war total erstaunt, dass kein Mensch das je gefilmt hat. Also das es keinen Dokumentarfilm über das unglaubliche Dokument gab", so Völker im BR. Darin hat Rudolf Höß seinen Werdegang, seine Arbeit, sein Leben festgehalten. Rudolf Höß war verantwortlich für die Ermordung von über einer Million Menschen, die meisten davon Juden. Er wurde 1947 von den Alliierten nach einem Prozess hingerichtet. Der Dokumentarfilm "Im Schatten des Kommandanten" begleitet seinen Sohn Hans Jürgen und seinen Enkel Kai. Fragt: Wie leben mit der historischen Schuld des Vaters, des Großvaters?

Höß, der nette Familienvater

"Rudolf Höß war kein Psychopath und das ist eigentlich das Schlimmste", sagt Daniela Völker. Weil das zeige einem wirklich: Ein Mann kann ein netter Familienvater und netter Kollege sein, während er mehr Leute umbringt als sonst jemand. Höß sei auch sehr persönlich mit der ganzen Sache involviert gewesen: "Er stand ja auf der Rampe in Birkenau, vor der Gaskammer, vor den Krematorien, also das war jetzt nicht jemand, der im Büro rumsaß", so Völker.

Sehr krass kommt diese Involviertheit von Höß als aktiver Massenmörder zu Wort im Dialog des Oscar-prämierten Spielfilms von Jonathan Glazer: "The Zone of Interest". Auf die Frage seiner Ehefrau, wen er getroffen habe, antwortet Rudolf Höß: "Ehrlich gesagt, hab nicht wirklich drauf geachtet, wer alles da war. Ich war zu sehr damit beschäftigt, mir zu überlegen, wie ich alle im Ballsaal vergasen würde. Es ist schwierig logistisch gesehen, wegen der hohen Decken!" Der Film zeigt das Familienleben der Familie Höß. Sie lebte in einem Gartenidyll direkt an der KZ-Mauer Auschwitz.

Hintergrund und Kontext zu "The Zone of Interest"

Regisseurin Daniela Völkers begreift "Der Schatten des Kommandanten" als die Geschichte hinter dem Drama. Ihr Film blickt auf das, was war, und das, was nach dem Krieg aus der Familie wurde: "Also im Spielfilm 'The Zone of Interest', da geht es eigentlich nur um das Jahr 1943 und eine paar Monate von 1944 und mein Dokumentarfilm geht praktisch über das ganze Jahrhundert", sagt sie.

Neben der Familie Höß geht es in "Der Schatten des Kommandanten" auch um die Auschwitz-Überlebende Anita Lasker-Wallfisch. Sie wurde als Cellistin im Orchester von Auschwitz gebraucht. Mit der 98-jährigen Lasker-Wallfisch und ihrer Tochter Maya wird der Dokumentarfilm zum Doppel-Portrait über eine Täter- und eine Opfer-Familie. Über Verlust und Seelenqual. Im Film treffen die Auschwitz-Überlebende und der Sohn des Lagerkommandanten schließlich aufeinander. Ein beeindruckender Moment.

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Anita Lasker-Wallfisch (l-r), Maya Lasker-Wallfisch, Kai Höss und Hans Jürgen Höss in "Der Schatten des Kommandanten"

Gibt es ein Erbe von Schuld?

"Meine Absicht war, einen Dokumentarfilm über generationenübergreifendes Trauma zu machen und das auf beiden Seiten", sagt Daniela Völker. "Also die Seite der Täter und der Überlebenden. Und ich wollte auch, dass wir darüber sprechen, was in der Gegenwart ist. Also die Nachwirkungen der Vergangenheit."

Hans Jürgen Höß hat die Vergangenheit lange Zeit verdrängt, im Film holt sie ihn ein. Gibt es ein Erbe von Schuld? Und wie umgehen damit? "Der Schatten des Kommandanten" kommt seinen Protagonisten sehr nah, erzählt von monströsen Verbrechen, aber auch von Versöhnung.

In einer Zeit, in der Rechtsradikalismus und Antisemitismus aufflammen wie lange nicht mehr, ist dieser Film eine Spurensuche zur richtigen Zeit.

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